06.08.2015, 10:52 Uhr

Apple dementiert, Swisscom-Konkurrent werden zu wollen. Sollten sie aber.

Nachdem gestern Gerüchte aufkamen, Apple wolle unter die Telekomanbieter gehen, dementierte das Unternehmen den Bericht. Dabei wären die Möglichkeiten als MVNO-Anbieter enorm.
Apple will in Zukunft als Mobile Virtual Network Operator (MVNO) auftreten, berichtete Business Insider diese Woche. Dabei würde sich Apple in die Netze bestehender Telekommunikationsunternehmen einmieten, um den Kunden nebst Handys und Software auch deren Dienstleistungen verkaufen zu können. Ein paar Stunden nachdem der Artikel veröffentlich wurde, dementierte Apple, je MNVO-Pläne verfolgt zu haben. Der Aktie tat das gut: Nach dem Business-Insider-Artikel verlor sie knapp 5 Prozent und erholte sich nach dem Dementi leicht. Sowohl Börsianer als auch Apple würden aber gut daran tun, den MVNO-Ansatz ernst zu nehmen. Aus Kunden- und Unternehmenssicht könnte dieser eine sinnvolle Weiterentwicklung sein. Ein MVNO ist fast zwangsläufig günstiger als ein herkömmliches Telko-Unternehmen, da Kosten für Aufbau und Wartung eines Netzes entfallen. Das beweist upc Cablecom in der Schweiz. Ihre Angebote sind preislich konsumentenfreundlicher als die von Sunrise und Swisscom und auch günstiger als das Angebot von Salt, in deren Netz man sich eingemietet hat, wie die Tabelle vom Telekomzentrum zeigt:
Das Mobilfunkangebot der Cablecom hat sich aber bisher trotz des Preises nicht durchgesetzt, da nützte es auch wenig, dass man es nicht nur via eigene Kanäle, sondern auch via Post-Filialen verkauft. Lediglich 19 500 Verträge konnten bis Ende des zweiten Quartals 2015 abgeschlossen werden. Allerdings war es für Cablecom nie das Ziel, die etablierte Konkurrenz zu attackieren. Man hat erfolgreiche Geschäftszweige im Internet-, TV- und Festnetzbereich aufgebaut und den Mobile-Bereich nur dazugenommen, um Quadruple-Angebote offerieren zu können.

Apples Modell hätte erfolgreiche Vorbilder

Apple plante gemäss den Gerüchten diese Woche, das MVNO-Geschäft wesentlich ernster zu nehmen. Während sich upc Cablecom lediglich bei Salt eingemietet hat, sollen die Cupertiner angedacht haben, mit verschiedensten Providern innerhalb eines Landes Verträge abzuschliessen. Der Kunde könnte so nebst dem Preis davon profitieren, dass ihm jeweils das bestverfügbare Netz zur Verfügung gestellt wird. Konkrete Pläne für eine solche Lösung verfolgt man bei Cablecom derzeit nicht. Es mache auf nationaler Ebene kaum Sinn. «Erstens wäre dies technisch eine grosse Herausforderung, zweitens dürfte das Interesse der MNOs (Mobile Network Operators) eher gering sein, da bei einer solchen Zusammenarbeit die kommerzielle Attraktivität begrenzt ist für die einzelnen MNOs», schreibt das Unternehmen in einer Mail. Dass aber auch das nationale Model, zumindest in anderen Ländern, funktioniert, zeigt das Angebot «Straight Talk» von TracFone Wirless, die rund 25 Millionen Abonnenten in den USA haben. Das US-MVNO ist auf dem GSM (T-Mobile, AT&T) und DCMA-Netz (Verizon, Sprint) verfügbar und bietet günstigere Konditionen als die vier grossen Anbieter. Nebst den wegfallenden Infrastrukturkosten ist der Grund dafür, dass eine Retail-Partnerschaft mit dem Detailhandelsriesen Walmart eingegangen werden konnte. Das sind Skaleneffekte, die auch Apple hierzulande nutzen könnte, würde man beispielsweise mit Coop, Migros oder Valora zusammenarbeiten. Natürlich wären sich die Telkos bei allfälligen Verhandlungen diesen Gefahren bewusst und würden entsprechende Konditionen verlangen. Allerdings besitzt Apple mit ihren Produkten einen enormen Leverage-Effekt. Man stelle sich vor, Salt, Sunrise oder Swisscom hätten künftig keine iPhones mehr im Angebot.

Mit Google mithalten

Aber nicht nur um die renommierten Telkos zu ärgern wäre die MVNO-Option ein geschickter Schachzug von Apple. Man könnte so auch mit der eigentlichen Konkurrenz mithalten: Zu Beginn des Jahres lancierte Google in den USA ein eigenes MVNO-Angebot und nannte es Project FI». FI ist zwar nur mit dem Nexus 6 verfügbar, ist aber äusserst innovativ. So wird der Kunde nicht nur auf das jeweils bessere Netz von T-Mobile oder Sprint geleitet, sondern, wenn verfügbar, auch in einen von rund einer Million drahtloser Hotspots, die Google ausgesucht hat. Der Kunde zahlt für den Dienst ? nebst einer sehr günstigen Monatsgebühr ? was er effektiv braucht. Wer beispielsweise ein 5-GB-Datenpaket kauft aber nur 4 GB benutzt, erhält 10 Dollar zurück (bei einem Tarif von 10 Dollar/GB). Die Telefonnummer soll künftig zudem in der Google-Cloud abgespeichert werden können. Mithilfe einer «Project-FI»-fähigen SIM-Karte könnte die eigene Rufnummer damit von jedem internetfähigen Gerät aus genutzt werden ? es wäre nach der Entkoppelung vom Telko die Entkoppelung vom Endgerät. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Apple bereits: Mit OS X ist es möglich, von einem Macbook aus zu telefonieren, wenn das eigene iPhone samt SIM-Karte in der Nähe ist ? und vorerst auch nur von Apple- zu Apple-Gerät.

Apple hat bereits Schritte unternommen

Auch wenn Apple die MVNO-Pläne dementiert hat: Überlegungen, wie man die Abhängigkeit von den Netzbetreibern verringern kann, wurden nicht nur angestellt, sondern mit der Apple SIM bereits in die Tat umgesetzt. Bisher konnten Handynutzer bei Auslandaufenthalten entweder eine Prepaid-SIM-Karte eines lokalen Anbieters kaufen oder sich die Roaming-Tarife ihres Providers diktieren lassen. Die Apple SIM hingegen ist nicht an einen Mobilfunkprovider gebunden und macht die bisherige Wahl zwischen Pest und Cholera überflüssig. Mit der Apple SIM kann am Ort des Aufenthalts einfach der gewünschte Provider ausgewählt werden. Allerdings: Für deren Roaming-Geschäftsmodell ist dies äusserst mühsam, noch haben sich deshalb nicht viele Telkos zu einem Schulterschluss mit der Apple SIM durchringen können. Aber das wird bald geschehen, der Telko-Branchenverbands GSMA mit seinen rund 800 Mitgliedern hat bereits einen Schritt auf Apple zugemacht und will nchstes Jahr eine entsprechende Technologie prsentieren. Denn natürlich wissen auch die Telkos: Auch wenn Apple auf ihre Netzinfrastruktur angewiesen ist, brauchen sie die Apple-Produkte, um ihre Dienstleistungen verkaufen zu können. Es ist also eine Art faustanischer Pakt, in dem man sowohl Verbündeter wie auch Konkurrent ist. Aber das ist in der Telko-Branche normal. Genau wie die Tatsache, dass sich am Ende der Wille des Kunden durchsetzt. Und der sollte an einem Apple-MVNO grosse Freude haben.  Dass die Apple-Aktie am Dienstag einbrach wie eingangs erwähnt, muss natürlich überhaupt nichts mit dem MVNO-Artikel zu tun haben. Schliesslich sackte die Aktie seit dem Rekordhoch im Februar um 15 Prozent ab und die Cupertiner verloren dadurch rund 100 Milliarden Dollar an Börsenwert. Ob dieser Verlauf so weiter geht, steht in den Sternen. Apple wurden schon oft, auch von uns, Schwierigkeiten vorausgesagt, die sich bisher nicht bewahrheiteten. Ein MVNO-Versuch wäre aber, Aktienkurs hin oder her, eine neue Strategie, mit der gängige Geschäftsmodelle durchbrochen werden können. Und das konnten die Cupertiner schon immer gut.



Das könnte Sie auch interessieren