Country Sales Manager SAS Schweiz
05.06.2023, 06:15 Uhr
«Zukunft von Analytics liegt in der Cloud»
Wie kaum eine andere Firma hat SAS die Geschichte der Datenanalyse mitgeschrieben. Nun will der Anbieter die Zukunft von Analytics in der Cloud prägen, sagt Country Sales Manager Grégory Albelda.
Seit annähernd 50 Jahren liefert der Hersteller SAS Software für Statistik und Analytik. Die Lösungen des 1976 gegründeten US-amerikanischen Unternehmens sind auch in vielen Schweizer Firmen ein fester Bestandteil des Analytikportfolios. Banken, Industrie und Versicherungen nutzen die Programme beispielsweise für die Risikoberechnung, die Produktionsoptimierung und die Betrugsprävention. Die Anforderungen der Kundschaft ändern sich laufend, insbesondere durch Cloud-Services, sagt SAS’ Country Sales Manager Grégory Albelda im Interview.
Computerworld: Herr Albelda, SAS richtet sich mit der Plattform SAS Viya nun auch auf die Cloud aus. Damit sind Sie relativ spät dran für einen Software-Hersteller. Warum hat Ihr Unternehmen mit diesem Schritt so lange gezögert? Und gleich als Anschlussfrage: Folgt Ihnen die Schweizer Kundschaft auf diesem Weg?
Grégory Albelda: SAS gehört nicht zu den Pionieren in der Cloud, das ist richtig. Aber wenn wir jetzt den Shift in die Cloud machen, dann ganz konsequent. SAS Viya ist als Plattform komplett Cloud-native. Damit können wir sämtliche Bereitstellungsvarianten problemlos realisieren – von der Public Cloud bis On-Premises. Und tatsächlich folgen die Kunden unserer Strategie, viele verfolgen ja eine konsequente Cloud-Strategie. Wenn rund die Hälfte der Schweizer Kunden SAS-Lösungen nach wie vor im Haus betreibt, liegt das oft an den regulatorischen Vorgaben in manchen Branchen und an den oft sensiblen Daten, die mit SAS-Software verarbeitet werden.
“Einen möglichen Börsengang von SAS sehe ich als grosse Chance für noch mehr Innovationskraft„
Grégory Albelda
CW: Müssen die Kunden in der Cloud bei Null beginnen?
Albelda: Nein. In SAS Viya sind auch die Funktionen der früheren Einzellösungen aus dem SAS-Portfolio vereint. Dafür ist SAS Viya in den letzten Jahren komplett neu entwickelt worden. Die Bedienoberfläche wurde spezifisch für die No-Code-Steuerung konzipiert, um die Nutzung zu demokratisieren und zu skalieren. Die Kunden benötigen weder ein Informatik- noch ein Statistikdiplom, um mit Analytik mehr aus ihren Geschäftsdaten herauszuholen. Auch deshalb raten wir generell von einem reinen «Lift & Shift» ab, sondern plädieren stattdessen für eine Modernisierung.
CW: Hier schliessen sich gleich mehrere Fragen an. Eine ist, ob Fachleute trotzdem mit SAS Viya komplexe Analysen rechnen können?
Albelda: Selbstverständlich! SAS ist Teil der Geschichte der Analytics und will auch die Zukunft von Analytics sein. Wir bieten natürlich den Expertinnen und Experten sowie Wissenschafterinnen und Wissenschaftern die Funktionen an, die sie von einer professionellen Lösung erwarten. Und SAS Viya ist keine geschlossene Plattform. Sowohl der Import als auch die Migration beispielsweise von Modellen aus anderen Programmen ist möglich. Ich nenne hier explizit auch die quelloffene R-Plattform, die sich mittlerweile einer grossen Popularität erfreut. Unser Vorteil gegenüber Open-Source-Lösungen ist, neben den offensichtlichen Punkten wie Compliance und Governance: SAS hat eine niedrigere TCO (Total Cost of Ownership). Denn bei Software müssen nicht nur die Lizenzkosten, sondern auch die Betriebskosten gerechnet werden. Diese Kalkulation ist bei Open Source teils schwierig vorzunehmen.
“Die Bedienoberfläche von SAS Viya wurde für die No-Code-Steuerung konzipiert„
Grégory Albelda
CW: Die generative KI ist insbesondere durch den Chatbot ChatGPT derzeit in aller Munde. Wie kann sie den Unternehmen und Organisationen helfen? Und welche Grenzen hat sie?
Albelda: Ich finde es grossartig, dass KI durch ChatGPT jetzt in aller Munde ist – denn das zeigt den Menschen, was KI alles leisten kann und nimmt ihnen die Scheu davor, sich sogar selbst dran zu wagen. Aber ich möchte nicht, dass mein Arzt sich auf ChatGPT verlässt oder mein Bankberater oder die Regierung. Ich sehe in Zukunft ein Zwei-Klassen-System für KI, im besten Sinne: Auf der einen Seite «Jedermann-KI» für unkritische Fälle und individuelle Nutzung, auf der anderen Seite voll dokumentierte, verantwortlich eingesetzte und zuverlässige KI für alle Anwendungen, die sich keine Fehler erlauben können. Hier brauchen wir «Trustworthy AI», wie wir es nennen, mit maximaler Transparenz, voller Compliance und umfassender Governance.
CW: Ein anderes aktuelles Megathema ist Resilienz. In einer Umfrage dokumentieren Sie eine grosse Lücke zwischen dem Wunsch des Managements und der Wirklichkeit. Welches sind Ihre Lösungsansätze für diese Problematik?
Albelda: Es stimmt – beinahe die Hälfte der 2400 für «Resiliency Rules» befragten Managerinnen und Manager weltweit meinen, dass ihr Unternehmen nicht ausreichend vorbereitet ist, um Disruptionen zu bewältigen. Aber ein grosser Teil davon weiss auch, wo die Schlüssel für mehr Resilienz liegen: in datengetriebener Innovation und Produktivität, aber auch Flexibilität, neben weiteren Faktoren. Also genau dort, wo leistungsfähige Analytics und KI effektiv helfen können – wenn sie denn auch wirklich robust und «trustworthy» sind.
“Bei Software müssen nicht nur die Lizenzkosten, sondern auch die Betriebskosten gerechnet werden„
Grégory Albelda
CW: Der Fachkräftemangel ist laut der besagten Studie eine weitere Gefahr für die Resilienz. Fachleute dürften auch für SAS schwierig zu finden sein. Woher bekommen SAS und seine Kunden die benötigten Fachkräfte?
Albelda: Im Sales-Bereich von SAS spüren wir den Fachkräftemangel nicht ganz so sehr wie unsere Kunden in den verschiedenen Fachbereichen. Dennoch ist die Rekrutierung von Fachkräften bei uns weiterhin Chefsache. Sprich: Ich bin heute immer in die Anstellung neuer Mitarbeitenden involviert. Dabei sind mir bei den Bewerberinnen und Bewerbern insbesondere das Mindset und die Soft Skills wichtig.
CW: Sie besitzen persönlich einen beruflichen Hintergrund in der Industrie. Können Sie damit SAS besonders positionieren?
Albelda: In der Industrie ist SAS bereits gut positioniert. Natürlich gibt es immer noch Opportunitäten. In den Projekten geht es häufig um die Durchsatzoptimierung, sprich die Steigerung des Outputs bei gleichem Ressourceneinsatz respektive bei Verringerung des Ausschusses und des Verbrauchs von Energie. Seit einigen Jahren wird auch die prädiktive Instandhaltung (Predictive Maintenance) durch das kontinuierliche Erfassen und Auswerten von Fertigungs- sowie Betriebsdaten vermehrt nachgefragt.
CW: Zum Schluss dieses Interviews noch eine Frage nach dem möglichen Börsengang von SAS im kommenden Jahr, der derzeit in Vorbereitung ist. Welche Konsequenzen für die Schweizer Kundschaft sind zu erwarten?
Albelda: Negative Auswirkungen auf das Schweizer Geschäft oder die Kunden erwarte ich nicht. SAS ist ein etabliertes Unternehmen mit zahlreichen langjährigen Kundenbeziehungen. Im Gegenteil: Einen möglicher Börsengang sehe ich als grosse Chance für noch mehr Innovationskraft.
Zur Person und Firma
Grégory Albelda verantwortet seit dem 1. Januar 2022 als Country Sales Manager den Vertrieb von SAS in der Schweiz. Vor seinem Einstieg 2018 in die DACH-Organisation von SAS war er drei Jahre lang Sales Director bei Dassault Systèmes. Davor war er mehr als elf Jahre bei Altran Germany tätig, zuletzt als Business Unit Director. Albelda hält Abschlüsse von der Universitat Politècnica de Catalunya in Barcelona sowie der École supérieure des Techniques Aéronautiques et de Construction Automobile nahe Paris.
SAS wurde 1976 gegründet. Die Geschäftsgrundlage war das Statistical Analysis System (SAS), mit dem acht US-amerikanische Universitäten landwirtschaftliche Datensätze auswerteten. Das Unternehmen befindet sich weiterhin in Privatbesitz der Mitgründer Jim Goodnight und John Sall, zählt weltweit rund 11 800 Mitarbeiter und kommt an 80 800 Unternehmensstandorten in 150 Län-dern zum Einsatz. www.sas.com/ch