Revolutionäres Virtual Centre

Automatisierung des Luftraummanagements

CW: Was lässt sich im Luftraummanagement denn überhaupt automatisieren?
Meier: Die neuen Technologien erlauben es, Probleme bereits im europäischen Netzwerk zu lösen und nicht erst, wenn der Flieger in den betroffenen Schweizer Sektor kommt. Wenn es beispielsweise Problempunkte über Paris gibt, etwa wegen schlechtem Wetter, können die Flugzeuge schon über der Türkei oder Süditalien verlangsamt werden. Ich erkläre das mit einer Analogie zum Zugverkehr: Das heutige dichte Bahn-Netzwerk in der Schweiz mit hoher Taktfrequenz und verschiedenen Verkehrsplayern funktioniert nur, weil es gesamthaft aus einem Netzwerk gemanagt wird, statt wie in den 1950er-Jahren aus den Bahnhöfen, die mit lokalem Blick die Züge gebremst oder gestoppt hatten. Auch wir wollen weg vom lokalen Luftraum­management hin zu einem virtuellen. Das geht nur, weil heute die Technologie dafür vorhanden ist. Beispielsweise müssen die FSZ die genauen Positionen der Flieger nicht mehr mittels Radar feststellen, hierfür gibt es heute GPS. Wenn wir die Flugdaten zentral in einem System sammeln und on-the-ground verarbeiten, können wir das Netzwerk optimieren, indem wir im Hintergrund berechnen, wann welche Flieger zusammenkommen, und sie automatisch separieren. In Zukunft kann das System diese Arbeit übernehmen und die Flug­verkehrsleitenden müssen nur noch eingreifen, wenn es Probleme gibt oder Ausnahmen zu behandeln sind, etwa weil das Wetter plötzlich ändert. Sie machen mehr Air Traffic Management als Air Traffic Controlling. Digitalisierung bedeutet ja nicht nur den Wechsel von analog zu digital, sondern auch, dass Daten vernetzt und aggregiert werden und dann intelligente Algorithmen darüber laufen können, die das System verbessern. Das verändert dann die Business-Prozesse oder Betriebskonzepte und das ist genau das, was wir pushen wollen.
Skyguide verfügt über Flugsicherungszentren beim Flughafen Genf-Cointrin (Bild) sowie in Wangen bei Dübendorf
Quelle: Skyguide
CW: Was sind die grössten Herausforderungen bei der Einführung des Virtual Centres?
Meier: Den Schritt vom ortsabhängigen Denken und Operieren hin zu einem Gesamtsystem Schweiz zu machen. Dieses End-to-End-Process-Engineering wurde in der Flugsicherung noch nie gemacht. Bisher wurden lediglich die bestehenden Prozesse geändert. Dieser Paradigmenwechsel ist ein grosser Schritt in einem Geschäftsfeld, das solche eigentlich nicht kennt. Hinzu kommt, dass es sich beim Luftraummanagement um ein hochsensibles Safety Business handelt, in dem man immer dreimal vorsichtig sein muss. Es braucht Double oder Triple Checks, was entsprechend mehr Zeit benötigt. Manchmal ist das frustrierend, klar, aber die Kultur in der Flugsicherung ist Sicherheit. Man muss das akzeptieren und lernen, wie man unter diesen Voraussetzungen die richtigen Veränderungen einbringen kann.



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