Belimo-CEO
15.02.2021, 06:25 Uhr
«IoT-Daten können Kosten sparen»
In der Gebäudeautomation kommt viel Technologie zum Einsatz. Wenn die Maschinendaten besser genutzt würden, liessen sich viele Kosten einsparen, sagt Belimo-CEO Lars van der Haegen.
Der heutige CEO Lars van der Haegen hatte seit 2000 diverse Führungspositionen bei Belimo inne
(Quelle: Samuel Trümpy)
Belüftungs- und Klimatechnik gewinnt in Zeiten einer globalen Pandemie stark an Bedeutung. Von dieser Entwicklung profitiert der auf Haustechnik spezialisierte Hersteller Belimo aus Hinwil, wie CEO Lars van der Haegen im Interview sagt. Einerseits durch zusätzliche Aufträge aus dem Gesundheitsbereich, andererseits auch durch die Erfahrungen an den chinesischen Standorten. Und auch Bauherren könnten sich noch zusätzliches Sparpotenzial erschliessen, glaubt van der Haegen. Zum Beispiel, indem sie Verbrauchsdaten für die intelligente Gebäudeplanung nutzen.
Computerworld: Welchen Einfluss hat die Pandemie auf die Fertigung und das Geschäft von Belimo?
Lars van der Haegen: Wir haben die vorgeschriebenen Schutzkonzepte im ganzen Betrieb umgesetzt, sprich: Maskenpflicht, Mindestabstand, Trennscheiben etc. Ausserdem umgesetzt ist das Remote Working. Ungefähr 25 Prozent der Angestellten mit Büroarbeitsplatz arbeiten noch in den Büros, alle anderen zu Hause. Dank unseres globalen ERP-Systems mit nur einer einzigen Instanz haben wir weltweit einen guten Überblick über die finanziellen und wirtschaftlichen Kennzahlen.
Damit fällt es nicht so stark ins Gewicht, dass wir derzeit weder an den Produktionsstandort in den USA noch nach China reisen können. Die Daten stehen hier wie auch in den Niederlassungen lokal zur Verfügung, was sehr hilfreich ist. Dies natürlich in Kombination mit unseren kompetenten und selbstständigen Mitarbeitenden weltweit.
CW: Die Büroangestellten sind im Home Office. Können die Mitarbeiter in der Fertigung ebenfalls von zu Hause aus arbeiten – zumindest teilweise?
van der Haegen: Nein, die Mitarbeitenden in der Produktion waren während der ganzen Pandemie und auch im Lockdown zu 100 Prozent im Betrieb. Und wir hatten viel zu tun, sodass Kurzarbeit kein Thema war. Durch unsere globale Organisation arbeiten wir schon seit Jahren mit Videokonferenz-Software wie Skype und jetzt Microsoft Teams. Die inzwischen gewonnene Praxis mit der Technologie hilft uns jetzt natürlich sehr.
CW: Haben Sie während des Lockdowns noch zusätzliche Software installiert? Oder zum Beispiel Notebooks sowie Webcams kaufen müssen?
van der Haegen: Nein, zusätzliche Investitionen mussten wir nicht tätigen. Aber die Benutzungspraktiken haben sich stark verändert. Beispielsweise haben sich früher die lokalen Mitarbeitenden grösstenteils in einem der Konferenzräume versammelt. Alle anderen – auch an anderen Standorten – wurden per Video zugeschaltet. Heute bleibt im Idealfall jeder Mitarbeitende an seinem Arbeitsplatz – ob im Büro, im Home Office oder an einem unserer globalen Standorte.
Nach unserer Erfahrung sind Sitzungen erstens kürzer, da niemand mehr mit der Technik im Sitzungszimmer hadern muss, sondern auf Knopfdruck am Meeting teilnehmen kann. Zweitens sind die Leute produktiver, da sie in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung bleiben können – und nie ihre Unterlagen vergessen [schmunzelt].
CW: Sind Sie persönlich nun ebenfalls lediglich jeden vierten Tag im Büro?
van der Haegen: Anfangs war ich einige Tage im Home Office. Da hier in Hinwil der Betrieb aber normal weiterging, bin ich schnell auch wieder in die Firma zurückgekehrt. Mittlerweile bin ich fast täglich im Büro anzutreffen. Es ist für mich ein Stück Selbstverständlichkeit, die Mitarbeitenden nicht im Betrieb allein zu lassen. Ich sehe es als eine Aufgabe einer Führungskraft, die Mitarbeitenden auch moralisch zu unterstützen. Auch wenn es mich streng genommen vor Ort nicht braucht, will ich doch zeigen, dass ich für die Mitarbeitenden da bin, wenn sie mich brauchen.
Zur Person
Lars van der Haegen
ist seit Juli 2015 CEO der Belimo Gruppe. Seit 2000 war er in weiteren Führungsfunktionen bei Belimo tätig, zuletzt ab 2011 als Leiter der Region Amerika.
Der 52-Jährige ist Gebäudetechnikplaner mit Masterabschlüssen von der Columbia Business School in New York sowie der London Business School.
Belimo-Technik als Lebensretter
CW: Retten Sie mit der Belimo-Technologie in der Pandemie tatsächlich Leben?
van der Haegen: Diese Frage kann ich guten Gewissens mit «Ja» beantworten. Belimo produziert zwei Sortimente, die in dieser Pandemie-Situation Leben retten können: Erstens liefern wir Produkte an Spitäler für Isolationsräume, Notfallstationen und Operationssäle. Die Antriebe und Sensoren regulieren den Unter- oder Überdruck in den Räumen. Diese Geräte müssen funktionieren, damit auf den Stationen gearbeitet werden kann. Auch an die Corona-Notspitäler, zum Beispiel in Mailand, New York und im chinesischen Wuhan, hat Belimo Produkte geliefert.
Zweitens hat die Raumlufttechnik in der Pandemie an Bedeutung gewonnen. Be- und Entlüftung, Feuchtigkeitsregulation und Filtrierung haben heute in allen Gebäuden einen neuen Stellenwert erhalten. Im Nachbarland Deutschland wird neu in der Covid-19-Situation das Nachrüsten von Raumlufttechnik zu 50 Prozent subventioniert. Die Lüftungstechnik kann so tatsächlich Leben retten.
CW: Konnten Sie durch Ihre Präsenz in China und die Erfahrungen dort besser reagieren, als die Pandemie Europa und die Schweiz erreichte?
van der Haegen: Ja, denn schon im Januar dieses Jahres mussten wir an den Standorten in Hong Kong und Shanghai die Schutzmassnahmen implementieren. Als die Welle Europa erreichte, traf uns die Situation nicht vollkommen unvorbereitet. Als eine der ersten Schweizer Firmen überhaupt haben wir zum Beispiel unternehmensweit eine Maskenpflicht für die Mitarbeitenden eingeführt.
CW: Sie wissen es aus erster Hand. Ist in China die Pandemie tatsächlich schon vorbei?
van der Haegen: Dank unserer regelmässigen Kontakte mit den Mitarbeitern dort kann ich bestätigen, dass sich die Situation tatsächlich wieder normalisiert hat. Die Mitarbeitenden gehen auf Dienstreisen innerhalb des Landes und haben Sitzungen – teilweise sogar auch ohne Masken. Diese Umstände lassen darauf schliessen, dass sich das Virus dort nicht mehr verbreitet. Zwar gibt es noch einzelne Fälle, die aber isoliert und zu strenger Disziplin verpflichtet werden.
Aus der geschäftlichen Perspektive kann ich berichten, dass die Wirtschaft in Fernost zu alter Stärke zurückgefunden hat. Belimo ist daran, das letztjährige Ergebnis in China zu übertreffen. Uns spielt in die Karten, dass wir auch bei staatlichen Investitionen zum Zug kommen, beispielsweise bei der Nachrüstung von Spitälern mit Raumlufttechnik.
Zur Firma
Belimo
wurde 1975 gegründet. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben weltweit führender Anbieter für elektrische Antriebs-, Sensor- und Ventillösungen in der Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik.
Am Hauptsitz in Hinwil und in Niederlassungen in über 80 Ländern auf allen Kontinenten beschäftigt Belimo rund 1900 Mitarbeiter. Die Aktien der Belimo Holding werden seit 1995 an der SIX Swiss Exchange gehandelt.
In der Belimo-Cloud
CW: Wie viel Informatik ist heute schon in der Haustechnik von Belimo?
van der Haegen: Die Gebäude-Automation ist seit 20 bis 30 Jahren schon weitgehend digitalisiert. Jeder Antrieb und jeder Sensor ist prinzipiell in ein Gebäude-Automationssystem eingebunden. Teilweise kommt dabei analoge Technik zum Einsatz. Je länger, je mehr wird diese Technik aber digital – über Feldbussysteme oder eine physische Integration über Ethernet, die über branchenspezifische IP-Lösungen kommunizieren. Unsere Produkte sind auf Wunsch mit der Belimo-Cloud verbunden, die mit dem jeweiligen Gebäude-Automationssystem oder mit Application-Clouds kommuniziert.
Jedes neu entwickelte Belimo-Produkt bringt heute eine NFC-Schnittstelle mit (Near Field Communication), über die das Gerät in einer Smartphone-App konfiguriert werden kann. Die App liefert die Konfiguration auf Wunsch parallel in die Belimo-Cloud, wo es einen digitalen Zwilling des jeweiligen Produkts gibt. Somit kann der Kunde bei einer Inspektion immer die gesammelten Daten mit dem virtuellen Zwilling vergleichen.
“Durch optimale Planung lassen sich 10 Prozent der Investitionen vermeiden„
Lars van der Haegen
CW: Damit wäre Belimo nicht nur Hersteller von Lüftungstechnik, sondern auch noch von IT.
van der Haegen: Wir arbeiten mit einer sehr geringen Fertigungstiefe von etwa 13 Prozent. Sprich: In vielen Bereichen arbeiten wir mit Partnern zusammen. Dafür evaluiert unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung die geeigneten Technologien, wählt die passende Lösung aus und integriert sie in unsere Applikation.
Die generelle Herausforderung in der Haustechnik ist die lange Lebensdauer. Wenn ein Produkt einmal eingebaut ist, muss es 20 bis 30 Jahre lang funktionieren. Die Kollegen in der Entwicklung müssen vor allem prüfen, ob die Komponenten für einen so langen Zeitraum einwandfrei arbeiten können. Denn nicht alle Geräte sind direkt an das Internet angeschlossen, sodass zum Beispiel automatisch Updates eingespielt oder Fehler korrigiert werden können. Belimo-Produkte sind nicht wie Handys, die alle zwei bis drei Jahre ersetzt werden.
CW: Welche Anwendungen laufen in der Belimo-Cloud?
van der Haegen: In der Belimo-Cloud werden die Messdaten von den verbauten Produkten beim Kunden gesammelt. Diese Datenbank haben wir bei Google gehostet.
CW: Aus welchem Grund haben Sie Google gewählt?
van der Haegen: Unsere primäre Anforderung war die globale Präsenz des Cloud-Providers – denn auch wir sind global tätig. Weiter sollte es ein namhafter Anbieter sein, dem auch die Kunden vertrauen können. Die Wahl hätte genauso gut auf Amazon oder Microsoft fallen können, zum Zeitpunkt unserer Evaluation hatte sich jedoch Google durchgesetzt.
Die globale Informatik von Belimo
CW: Wie ist die Informatik von Belimo organisiert?
van der Haegen: Die Informatik ist Teil des Bereichs Finance and Business Services. Unser Finanzchef Markus Schürch ist der Vorgesetzte des CIOs Sven Maushake. Herr Maushake führt einen dreigeteilten IT-Bereich: ICT für Hardware und Netzwerke, Business Applications mit hauptsächlich dem ERP und drittens das Data Management. Diese Sparte gibt es bei Belimo schon relativ lange. Diese Mitarbeitenden kümmern sich um eine konsistente Datenbasis der Gerätemesswerte für das Lifecycle Management und zum Beispiel die PDF-Generierung im Webshop.
CW: Sind Sie beim SAP schon auf der Version S/4Hana?
van der Haegen: Wir befinden uns noch in der Migration. Die Datenbank basiert schon auf Hana-Technologie, die Business-Analytics-Komponenten ebenfalls. Weitere Module stellen wir Schritt für Schritt um. Allerdings kopieren wir die Prozesse nicht 1:1, sondern prüfen für jeden Fall, ob wir optimieren oder vereinfachen können. Denn der grosse Aufwand bei einer Umstellung auf S/4Hana ist die Konsolidierung und Vereinfachung der Prozesse. Nach 20 Jahren mit dem alten SAP-System ist sicherlich einiges an Optimierungspotenzial vorhanden.
“Bei einem 20-jährigen ERP ist viel Optimierungspotenzial vorhanden„
Lars van der Haegen
CW: Da würde ich Sie nun einen Idealfall nennen wollen …
van der Haegen: Da haben Sie wohl recht. Wir sind in der glücklichen Lage, weltweit eine einzige SAP-Instanz zu betreiben. Sie ist natürlich während der Jahrzehnte mit uns gewachsen. Wir haben als Unternehmung nur kleinere Akquisitionen getätigt und die neuen Firmen auf SAP umgestellt, anstatt die allenfalls bestehenden Systeme weiterzuführen. In das SAP sind natürlich während der Zeit hohe Investitionen geflossen, sodass wir auf einem aktuellen Release sind. Und die Systeme sind integriert – bis hin zum Webshop auf der Basis von SAP Hybris.
CW: Die IT von Belimo scheint gut aufgestellt. Wo steht Belimo bei der digitalen Transformation?
van der Haegen: Insbesondere im Bereich der Automatisierung hat Belimo eine jahrzehntelange Historie in der Transformation. Denn die Automatisierung in der Industrie begann schon in den 1960er-Jahren – als es Belimo noch gar nicht gab. Seit der Gründung 1975 haben auch wir dazu beigetragen, dass die Anlagen und Systeme kontinuierlich verbessert wurden.
Neu gehen wir die stärkere Unterstützung der Kunden an: In Pilotprojekten testen wir Möglichkeiten, wie unsere technischen Supporter die Kunden auf der Baustelle effizienter beraten können. Dafür statten wir die Mitarbeitenden mit Smartphones oder Tablets aus, auf denen die technischen Daten unserer Produkte abrufbar sind: Der Kunde sieht vor Ort, welche Spezifikationen verfügbar sind und welches Produkt sein Problem lösen kann. In anderen Pilotprojekten bekommen die Kunden das Tablet selbst in die Hand, sodass sie eigenständig eine Lösung finden können.
Die Digital Twins und die Sicherheit
CW: Ist Ihre interne IT – zum Beispiel das ERP – mit den Belimo-Produkten verbunden?
van der Haegen: Derzeit sind diese beiden Welten noch mehr oder weniger getrennt. Von einigen Produkten existieren wie erwähnt Digital Twins, bei denen wir einen Anschluss an die Unternehmens-IT planen. Bei einer Bestellung werden heute die Daten und Produkterkennungen im ERP erfasst und teilweise der Digital Twin angelegt. Zukünftig könnte auch noch eine Verbindung zurück ins ERP angelegt werden, über die der Betrieb überwacht und allfällige Ersatzteile automatisch nachbestellt werden können. Wir sehen viel Potenzial für unsere Kunden, um ihre Geschäfte und Prozesse zu digitalisieren. Die weltweit Hunderttausenden Heizungs- und Lüftungsinstallateure wickeln hauptsächlich Projekte ab – und treiben dabei nicht unbedingt Innovationen voran. Durch die Bereitstellung von Plattformen können wir so Skaleneffekte nutzen und unsere Kunden noch erfolgreicher machen.
So können wir die Planung mit digitalen Abbildern unserer Produkte vereinfachen – Stichwort «Building Information Modelling» oder kurz BIM – sowie die Installation und schliesslich die Instandhaltung unterstützen.
CW: Wenn immer mehr Computertechnologie in die Haustechnik eingebaut wird, wächst die Gefahr potenzieller Sicherheitsrisiken. Wie sichert Belimo seine Produkte vor Hackerangriffen?
van der Haegen: Wir arbeiten erstens mit versierten Partnern zusammen, die eine ausgewiesene Expertise in diesem Bereich haben. Einer unserer Software-Lieferanten hat die erste E-Banking-Applikation der Schweiz mitentwickelt und vertreibt selbst erfolgreich ein eigenes Sicherheitsprodukt. Dieses Unternehmen und seine Mitarbeitenden wissen selbst am besten, wie sichere Software entwickelt wird. Zweitens lassen wir unsere Produkte regelmässig von Experten auf Sicherheitsrisiken hin prüfen. Die «guten» Hacker versuchen, die Geräte auf allen möglichen Wegen anzugreifen oder zu manipulieren. Die Ergebnisse dieser Tests fliessen dann wieder in die Produktentwicklung zurück.
Für Kunden mit speziellen Sicherheitsrestriktionen haben wir auch Produkte im Portfolio, die ganz ohne elektronische Schnittstellen auskommen. Beispielsweise erlauben die Betreiber von Rechenzentren oft keine NFC-Schnittstellen an den Mess- und Regelsystemen. Sie greifen dann auf unsere schnittstellenlosen Produkte zurück.
Mit Daten gegen den «Angstzuschlag»
CW: Sie haben das «Building Information Modelling» angesprochen. Es soll der künftige Standard beim Bauen sein. Was kann Belimo dazu beitragen?
van der Haegen: BIM beschränkt sich heute auf das Zeichnen des Gebäudes, inklusive der Kanäle, Leitungen, Rohre etc. So lassen sich zum Beispiel Kollisionen vermeiden und das Gebäudemodell kann anschliessend dreidimensional begutachtet werden. Viele BIM-Anwender nutzen jedoch die integrierte Möglichkeit für Berechnungen wie der Kälte- und Wärmeleistung nicht. Theoretisch sollten die Daten dafür vorliegen, aber es ist oftmals noch eine zusätzliche Software für die Simulation erforderlich. Auch wird die Gebäude-Automation meist separat geplant und nicht mit einer Schnittstelle in die BIM-Software.
Aufgrund unserer Daten aus den Sensoren, Antrieben und Ventilen könnten wir eine Simulation der Luftströme durch das Gebäudemodell realisieren. Eine solche Ergänzung wäre extrem nützlich für die Gebäudeplanung – auch im Sinne der Energie-Effizienz.
Nehmen wir zum Beispiel die Betriebsbereiche von Regelventilen: Sie müssen gewisse Temperaturen und Durchflüsse aufgrund von Planungsdaten regeln. Durch unsere Sensoren können wir messen, in welchem Temperaturbereich die Ventile dann im Betrieb tatsächlich arbeiten sollten. Die Anlagen laufen leider meist ineffizient. Diese Fakten könnten vorderhand in die Planung wieder einfliessen, sodass die gleichen Anlagen effizienter konstruiert und auch Kosten eingespart werden könnten. Nach meiner Überzeugung liessen sich in der Haustechnik mit einer optimierten Planung sicher 10 Prozent der Investitionen vermeiden. Heute ist oftmals noch ein «Angstzuschlag» dabei, denn keiner der Beteiligten möchte einen Fehler machen – bei allem Preisdruck. So werden dann eher überdimensionierte als zu knapp kalkulierte Anlagen geplant, installiert und schliesslich betrieben. Die IoT-Daten wären hier eine wirkliche Kostenbremse.
CW: Gibt es rein datengetriebene Services von Belimo?
van der Haegen: Ja, mit dem Produkt «Belimo Energy Valve» können wir zum Beispiel in frostgefährdeten Anlagen den Glykol-Anteil automatisiert bestimmen. In gewissen Fällen ist die Menge des Glykols wichtig, in anderen Fällen sogar der Hersteller des Frostschutzmittels. Über das Ventil können wir messen, um welches Produkt es sich handelt und ob der Frostschutz in der Anlage ausreichend ist. Hierzu lesen wir am Ventil Daten aus, die in der Cloud automatisch verarbeitet und wieder an das Gerät zurückgeschickt werden, sodass es den Durchfluss regulieren kann. In einem nächsten Schritt kann die Firmware im Gerät diese Funktion auch gleich selbst übernehmen, sodass gar keine Internet-Verbindung notwendig ist.
Innovation und Firmenkultur
CW: Wie funktioniert Innovation bei Belimo?
van der Haegen: Aus dem Markt und von unseren Kunden sowie von unserem Aussendienst strömen viele Ideen für Innovation auf uns ein. Um Ideen zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen, haben wir ein eigenes Team aufgestellt: «Market & Innovation». Dieses Team begleitet die Innovation in speziellen Workshops bis hin zum fertigen Produkt.
In die hauseigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung fliessen rund 7 Prozent des Jahresumsatzes. Dort stehen Kapazitäten und auch finanzielle Mittel bereit, um Innovation zu treiben.
Unser Flagship-Produkt «Belimo Energy Valve» ist ein gutes Beispiel für eine Innovation aus dem eigenen Haus. Die ursprüngliche Idee stammt von einem Belimo-Kundenberater aus Boston. Gemeinsam mit der Belimo-Forschungsabteilung und dem Massachusetts Institute of Technology MIT wurde zunächst ein Prototyp gebaut, der einem Kunden präsentiert wurde. In einem iterativen Prozess gab es dann Optimierungen am Regelventil, bis es die Marktreife erreicht hatte. 2012 haben wir mit dem «Belimo Energy Valve» schliesslich eine komplett neue Produktkategorie eingeführt.
CW: Wenn Geld keine Rolle spielen würde, welche Innovation würden Sie sofort vorantreiben?
van der Haegen: Eine Plug-and-Play-Funktionalität für unsere Geräte würde ich mir wünschen. Wenn Kunden unsere Produkte einplanen sowie installieren könnten und die Ventile sich anschliessend selbst optimal konfigurieren, sodass sie effizient arbeiten, wäre es perfekt. Leider stehen wir bei der Entwicklung einer solchen Lösung noch relativ am Anfang. Zuerst gibt es noch vieles zu optimieren, sei es bei der Hardware oder mit Software. Das Thema wird uns wohl noch viele Jahre beschäftigen.
CW: Und schlussendlich – was erachten Sie als Ihren bisher grössten Erfolg?
van der Haegen: Wir besitzen eine bemerkenswert gute Unternehmenskultur. Wie sich auch in der diesjährigen Mitarbeiterbefragung bestätigt hat, arbeiten unsere Mitarbeitenden gerne und motiviert bei Belimo.
Diese Kultur fördern wir gezielt mit einer Leadership-Ausbildung für den potenziellen Nachwuchs. Jede Führungskraft bei Belimo – es sind etwa 200 – wird regelmässig geschult. Sie besuchen speziell von Belimo konzipierte Dreitageskurse, bei denen auch regelmässig Mitglieder der Konzernleitung teilnehmen. Auch ich persönlich bin praktisch bei jedem Kurs dabei.
Leadership ist eine Komponente, die zwar an Hochschulen in eigenen Disziplinen gelehrt wird. Aber während eines Ingenieursstudiums ist die Führungspsychologie oftmals unterrepräsentiert. Hier setzt unsere Ausbildung an, wenn Mitarbeitende aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen in Führungspositionen kommen.
Meiner Überzeugung nach hat die Führung einen grossen Anteil an der Unternehmenskultur. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen stimmen, die Entlöhnung muss adäquat sein und das Klima will gepflegt werden. Weiterhin müssen die internen Prozesse permanent evaluiert und optimiert werden, wobei die IT eine entscheidende Rolle spielt. Insuffizienzen führen zu Spannungen, die auf die Stimmung der Belegschaft drückt.