«Dass es nicht einfach und auch stressig ist, gehört zum Job»
Der Gang durch das «Tal der Tränen»
CW: Inwiefern haben Ihnen da die Erfahrungen aus der Privatwirtschaft genützt?
Hürlimann: Es geht dabei gar nicht unbedingt um den Unterschied zwischen Bund und Privatwirtschaft – dieser Vergleich wird aus meiner Sicht sowieso etwas überstrapaziert. Entscheidend ist vielmehr die Unternehmensgrösse. Abgesehen davon läuft eine Restrukturierung, etwa bei einem börsenkotierten Unternehmen, nach genau dem gleichen Zyklus ab. Im Zuge des Veränderungsprozesses muss man erst einmal durch das «Tal der Tränen», dann geht es aufwärts. Das versuchte ich meinen Mitarbeitern während dieser Zeit stets weiterzugeben. Einige Angestellte finden dabei schneller wieder den Tritt, bei anderen dauert es etwas länger. Da liegt es dann an mir, etwas nachzuhelfen. Aber das gehört dazu.
CW: Mal abgesehen von der Reorganisation, gibt es dennoch Unterschiede zwischen Privatwirtschaft und Bund? Gerade in Bezug auf die Beschaffung werden Sie wohl nicht dieselben Freiheiten haben.
Hürlimann: Da ist die Arbeitslosenversicherung, als nationale Monopolversicherung, ein Spezialfall. Wir führen eine eigene Rechnung für die gesamte schweizweite Versicherung, haben aber keine Rechtspersönlichkeit. Darum sind wir organisatorisch beim Staatssekretariat für Wirtschaft angegliedert. Geführt werden wir hingegen nicht vom Bund, sondern von einer ausserparlamentarischen Aufsichtskommission – vergleichbar mit einem Verwaltungsrat –, die uns das Budget und die strategische Ausrichtung vorgibt.
CW: Sie können aber selber entscheiden, wie und wo Sie Geld ausgeben wollen?
Hürlimann: Weil wir öffentliche Gelder ausgeben, unterliegen wir immer noch den Vorgaben des öffentlichen Beschaffungswesens. Und mein Chef hinterfragt die geplanten Ausgaben in meinem Bereich jeweils sehr kritisch, da haben wir aus der Vergangenheit gelernt. Mein Budget und einzelne Projekte werden ansonsten von der Aufsichtskommission freigegeben.
CW: Wie sieht es mit der Projektfinanzierung aus?
Hürlimann: Projektgeschäfte laufen alle über die Aufsichtskommission. Bevor ein Projekt realisiert wird, muss die Aufsichtskommission ihre Freigabe erteilen. Für die Mitarbeiter ist das neu. Ich finde es wichtig, dass die strategischen Stakeholder wissen, wofür Geld ausgegeben wird. Unser Gesamtbudget in der Informatik beträgt schliesslich rund 45 Millionen Franken. Dafür müssen ein paar Zehntausend Arbeitnehmer arbeiten gehen, um das mit ihren Lohnprozenten zu finanzieren. Ich will ihnen am Ende in die Augen schauen und sagen können, dass wir ihre Beiträge sinnvoll und wirtschaftlich einsetzen.
CW: Experimentieren können Sie aber wahrscheinlich nicht. Ein privates Unternehmen gliedert eine kleine Truppe aus oder investiert in Start-ups und schreibt ab, falls etwas schiefgeht. Bei Ihnen wäre das schwierig.
Hürlimann: Das ist auch nicht unbedingt unsere Aufgabe, weil wir uns nicht in einem Konkurrenzmarkt bewegen. Deshalb hat bei uns beispielsweise auch die bi-modale IT einen tieferen Stellenwert als bei einer Firma, die konkrete Services entwickeln will. Wir dürfen private Anbieter, etwa bei der Stellenvermittlung, nicht konkurrenzieren. In unserem neuen strategischen Auftrag haben wir allerdings integriert, dass wir künftig nicht nur interner Dienstleister sein wollen, sondern zum Mitgestalter werden, der das Gesamtsystem, etwa auf Prozessebene, effizienter macht. Man erwartet von uns nicht, dass wir die Arbeitspolitik bestimmen, aber, dass wir uns überlegen, wie wir innovativer werden und damit die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung effizienter weiterentwickeln können.
CW: Inwiefern?
Hürlimann: Priorität haben bei uns aktuell die Erneuerung des Auszahlungssystems, der Ausbau der eGovernment-Services und ein weiteres Grosssystem, bei dem technologischer Erneuerungsbedarf besteht. Im Bereich des eGovernments haben die Services oberste Priorität, die zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und des Inländer-Arbeitslosenvorrangs nötig sein werden. Zurzeit wird die Verordnung ausgearbeitet, Anfang 2018 wird der Bundesrat diese in Kraft setzen – da müssen wir liefern können. Auch in Bezug auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist es absolut essenziell, dass wir uns Lösungen überlegen, wie wir die Jungen besser ansprechen und motivieren können. Aber auch das steht vor dem Hintergrund eines sinnvollen Einsatzes unserer Mittel.