Recruiting und Firmenkultur in Zeiten von New Work

Mut und Kreativität sind gefragt

Distanz und Masken haben auch das Recruiting verändert. Bei BSI läuft dieses nun online ab, sogar das Onboarding am ersten Arbeitstag findet virtuell statt. Gute Mitarbeitende zu finden, sei noch nie einfach gewesen, sagt Heck. Corona habe diese Aufgabe zwar nicht schwieriger gemacht – «aber anders, virtueller». Das spüre man etwa bei der Rekrutierung junger Fachkräfte. Denn diese suchen gemäss Heck nicht bloss einen Job, die Arbeit müsse auch sinnhaft sein. Firmen müssten darum klare Werte vor­-leben. BSI sei hier zwar gut aufgestellt, dennoch sei es schwierig, diese Werte im digitalen Rekrutierungsprozess auch glaubhaft zu transportieren. Auch Mahoney sagt, dass sich ein virtuelles Onboarding schwierig gestalte. Es sei darum komplizierter geworden, neue Mitarbeitende in ein Team zu integrieren.
Heck empfiehlt dem Management, auf diese Veränderungen mit Kreativität und Experimentierfreude zu reagieren. BSI habe zum Beispiel eine neue HR-Marketing­kampagne lanciert und setze dabei stark auf Storytelling und Gamification. Man habe zudem niedrigschwellige Angebote für die Kontaktaufnahme geschaffen, etwa einen WhatsApp-Chat, oder biete eine einfache Möglichkeit, um einen Termin für einen virtuellen Kaffee zu buchen.
“Viele Mitarbeitende haben schlicht keine Lust mehr, von Montag bis Freitag zu fixen Zeiten im Büro zu sitzen, wenn es auch anders geht„
Patrick Mollet, Great Place to Work Switzerland
Mollet von Great Place to Work Switzerland schlägt vor, das künftige Team in den Recruiting-Prozess zu involvieren. «Auch Probetage sind eine tolle Idee, so können sich die Bewerberinnen und Bewerber und das Team ein gutes Bild machen.» Es reiche heute nicht mehr, bloss die fachliche Eignung der Kandidaten zu prüfen. Denn wichtig sei nicht nur das «Was», sondern auch das «Wie». Für die langfristige Zufriedenheit der Mitarbeitenden sei die Arbeitsplatzkultur entscheidend. Bewerberinnen und Bewerber sollten darum genau prüfen, ob diese auch ihren Vorstellungen entspreche, so Mollet.

Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg

Die Babyboomer wollten Arbeitsplatzsicherheit, die Ge­neration X Work-Life-Balance und die Generation Y Sinn­haftigkeit. Wie kann das Recruiting darauf reagieren? «Ich sträube mich gegen eine Schubladisierung ganzer Generationen», entgegnet Mollet auf diese Frage. Es gebe Mitarbeitende, die täglich ins Büro kämen und einen fixen Arbeitsplatz mit Kaffeetasse und Familienfoto benötigten. Andere würden hingegen erst aufblühen, wenn jeder Tag anders sei.
Beim Personaldienstleister Robert Half zeigt man sich jedoch überzeugt, dass die Anforderungen der Mitarbeitenden an den Arbeitsplatz und die Firma gar nicht so verschieden seien. Dennoch sollten Unternehmen genau herausfinden, was den einzelnen Mitarbeitenden wirklich wichtig sei, rät Mahoney. Und Heck von BSI meint dazu: «Der Schlüssel, um alle diese Anforderungen zu erfüllen, ist Flexibilität.» Der Software-Hersteller setze darum auf individuelle Arbeitszeit, flexible Arbeitszeitgestaltung und grosszügige Urlaubsregelung.
“Arbeitskultur entsteht vor allem durch gemeinsame Erlebnisse „
Philip Heck, BSI
«Flexibles Arbeiten ist für viele Arbeitnehmer der ultimative Ausdruck von Freiheit», sagt Luca Semeraro, SVP Professional Recruitment DACH beim Stellenvermittler Adecco. Es gebe heute kaum noch Bewerberinnen und Bewerber, die nicht nach flexibler Arbeit fragten. Wer bei der Rekrutierung Erfolg haben wolle, müsse darum eine flexible Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz anbieten. So gelinge es, auch arbeitende Mütter, Familienväter und Personen mit Handicap zu gewinnen. Diese Menschen seien in der Arbeitswelt immer wichtiger, da sie gleich­geschaltetes Denken reduzierten und überholte Ansichten über die Arbeitsproduktivität infrage stellten.
«Der Trick, um die verschiedenen demografischen Gruppen bei Laune zu halten, besteht darin, ein attraktives Gesamtpaket anzubieten», sagt Semeraro. Denn die Bewerberinnen und Bewerber seien heute wählerischer als früher und auch bereit dazu, eine Stelle abzulehnen, die einer bestimmten Anforderung nicht genüge. Er ist der Ansicht, dass die Babyboomer nach finanzieller Absicherung streben, die Millennials und die Generation X nach flexibler Arbeit und die Generation Y nach Abwechslung und Weiterbildung. «Egal wie das Top-Management darüber denkt – Flexibilität ist heute für alle Unternehmen Pflicht.»



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