Es weht ein neuer Wind 07.10.2021, 10:20 Uhr

Recruiting und Firmenkultur in Zeiten von New Work

Der New-Work-Trend hat Unternehmen auf die Probe gestellt und neue Arbeitsformen geschaffen. Meetings finden plötzlich online statt und die physische Distanz zwischen den Teammitgliedern steigt. Wie kann es so noch gelingen, Talente zu finden und zu halten?
(Quelle: Etienne Girardet/Unsplash)
Distanz und Maske statt Nähe und Vertrautheit: Das Coronavirus hat die Arbeitswelt kräftig durchgerüttelt. Die Teams mussten ihre persönlichen Kontakte auf ein Minimum reduzieren und viele Mitarbeitende ar­beiten seit langer Zeit im Home oder Remote Office – kilometerweit entfernt von den Büroräumlichkeiten. Diese neue physische Distanz setzt nicht nur den Menschen, sondern auch den Unternehmen zu.

Persönlicher Kontakt trotz Distanz

«Die Nähe und der emotionale Austausch haben uns von Anfang an gefehlt», stellt Matthias Keller fest, CEO und Inhaber des Schweizer IT-Dienstleisters UMB. «Die grösste Herausforderung war, im Team emotionale Nähe trotz Entfernung zu schaffen.» UMB investierte darum viel in neue digitale Kommunikationskanäle. Die Mitarbeitenden können ihre Pausen nun gemeinsam online verbringen und gratis an Web-Trainings teilnehmen. Seine Quartalszahlen gab UMB im Web bekannt, die Weihnachtsparty fand virtuell statt – inklusive Showact. Und das ganze Team erhielt einen «kulinarischen Gruss» als Heimlieferung. «Echte Begegnungen sind aber durch nichts zu ersetzen und fester Bestandteil unserer Arbeitskultur», sagt Keller.
“Die grösste Herausforderung war, im Team emotionale Nähe trotz Entfernung zu schaffen „
Matthias Keller, UMB
Beim Software-Hersteller BSI wurden während der Pandemie ähnliche Erfahrungen gemacht. «Es hat sich bei uns eingebürgert, in Videocalls immer die Kamera einzuschalten», erklärt Philip Heck, Head of Talent Acquisition. Es sei wichtig, dass die Mitarbeitenden ihre Kolleginnen und Kollegen auch sehen können. Das trage dazu bei, die räumliche Distanz abzubauen. BSI organisierte zudem virtuelle Frühstückspausen und Mittagessen. Und die letzte Firmenfeier stieg online – mit Schokoladentasting und Cocktailkurs. «Arbeitskultur entsteht vor allem durch gemeinsame Erlebnisse», sagt Heck. Diese könne man auch in Zeiten von Corona ermöglichen.

New Work bedeutet für viele Einsamkeit

Auch Patrick Mollet ist der Meinung, dass Kultur massgeblich durch gemeinsame Erlebnisse und viele kleine Interaktionen geformt wird. «Die Rahmenbedingungen haben sich zwar geändert, aber Menschen haben immer noch die gleichen Bedürfnisse an ihre Arbeit», gibt der Mitinhaber von Great Place to Work Switzerland zu Protokoll. Um seine Talente halten zu können, brauche es deshalb eine ver­trauensbasierte Arbeitsplatzkultur, eine sinnhafte Tätigkeit und einen guten Teamgeist.
Der New-Work-Trend bedeute für viele Mitarbeitende aber auch Einsamkeit, sagt Eva Mahoney, Associate Director bei Robert Half in Zürich. «Die Führungskräfte müssen versuchen, auch remote ein Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln.» Mitarbeitende und Vorgesetzte müssten dabei stets achtsam sein, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Viele Firmen hätten während der Pandemie zwar gelernt, dass ihre Mitarbeitenden auch bei Remote-Arbeit effizient sein können. Es bestehe allerdings die Gefahr, dass sie sich zu Hause dazu verleiten liessen, ungesund viele Überstunden zu machen. «Unternehmen sollten auch einmal Auszeiten anbieten wie einen zusätzlichen Urlaubstag, den die Mitarbeitenden nach ihren Wünschen gestalten und an dem sie abschalten können», sagt Mahoney.



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