Zwischen 0 und 1 15.01.2024, 20:03 Uhr

Nachhaltige IT ist anders

IT altert schlecht. Deshalb ist ein regelmässiger Umbau – ein Refactoring – notwendig, wenn man langfristig Kosten klein und Nutzen hochhalten will.
Reinhard Riedl
(Quelle: Fachhochschule Bern/Reinhard Riedl)
Nachhaltigkeit hat in der IT zwei komplementäre Bedeutungen. Einerseits geht es ganz konven­tionell darum, den Ressourcenverbrauch zu minimieren – insbesondere den Energieverbrauch. Anderseits geht es um finanzielle Nachhaltigkeit, und diese bedeutet technische Nachhaltigkeit, konkret geringe technische Schulden.
Technische Nachhaltigkeit wird von vielen Führungskräften und auch von vielen Beratern nicht verstanden. Oder wird sogar explizit abgelehnt. «Keine IT-Investition ohne Business-Nutzen!» oder «Jeder Franken, der in IT investiert wird, muss sich rechnen!» sind typische Aussagen, welche den Groove im Management und in Teilen der Beratungsbranche widerspiegeln.
Diese Aussagen sind nicht direkt falsch – bei Philosophen könnte man sie gelten lassen – aber in der Praxis fördern sie schlechte, schädliche Entscheidungen. Denn der regelmässige Abbau der technischen Schulden ist erstens notwendig und sollte zweitens nicht mit der Entwicklung neuer Funktionalitäten verbunden werden. Zu viel Komplexität ist eines der grössten Risiken für IT-Projekte. Fazit: Wir benötigen immer wieder IT-Investitionen, welche nur das Ziel haben, die Unternehmens-IT fitter und agiler zu machen, ohne direkten Geschäftsnutzen zu bringen.
Der regelmässige Abbau der technischen Schulden ist kurzfristig teuer, aber langfristig günstig. Das ist eine Erfahrung, die wir meist in anderen Bereichen machen: Rechtzeitige Instandhaltung reduziert die langfristigen Kosten. Der Grund, warum diese Erfahrung nicht auf die IT angewandt wird, ist das grundsätzliche Missverständnis des Wesens von Software.
“Zu viel Komplexität ist eines der grössten Risiken für IT-Projekte„
Reinhard Riedl
Viele Menschen halten Software (oder auch Daten) für etwas, das für die Ewigkeit gemacht ist – etwas, das nicht kaputtgehen kann und keinesfalls «altert». Doch das Gegenteil ist der Fall: IT altert schlecht. Oft ­häufen sich sogar die Bugs mit zunehmendem Alter, vor allem aber fallen Kosten an, weil alte Software nur schwer anschlussfähig ist an neue Software, welche nach dem heutigen Stand des Wissens entwickelt wurde. Das Problem ist dabei ein dreifaches: die alte ­Software-Technologie, das alte Software-Design und die alte Geschäftslogik.
Dass Technologien «End-of-Life» sein können, wird teilweise gut verstanden. Dass Software früher anders gebaut wurde und dies ein Problem darstellt, dafür gibt schon weniger Akzeptanz. Interessanterweise ist es aber gerade der Business-Anteil am Problem, der oft gar nicht gesehen wird von den Führungskräften im Business: Sie sind sich des Wandels ihres eigenen Denkens und Handelns nicht bewusst.
Unsere Forschung in der Kunst zeigt, dass Kunstschaffende, welche aktiv KI einsetzen, zu 20 % ähnliche Denkfehler machen wie Führungskräfte in der Wirtschaft. Zu 80 % aber sehen sie in der KI einen Partner – ein Gegenüber, das mehr ist als ein Werkzeug. Das wirkt «sehr speziell», aber im praktischen Einsatz funktioniert es ziemlich gut. Wir sollten davon lernen!
Der Autor
Reinhard Riedl
beschäftigt sich mit der menschenzentrierten Entwicklung digitaler Lösungen in verschiedenen Sektoren: Gesundheits­wesen, Sport, Kunst, Stadt- und Regionalentwicklung, Verwaltung, Landwirtschaft und Verkehr. Er ist Heraus­geber des Wissenschafts­blogs «Societybyte» der Berner Fachhochschule. www.societybyte.swiss



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