09.04.2009, 14:10 Uhr

Virtual Office

Neben dem allgegenwärtigen Kostendruck spricht noch etwas ganz anderes für die Cloud: der praktische Nutzen. Anwender sind so schneller, flexibler - und erfolgreicher.
Remo Rigoni ist Chief Operation Officer der vertical vision ag
Viele halten den neuen Denkansatz, der hinter dem Begriff Cloud Computing steckt, für absolut revolutionär. Der amerikanische Autor Nicholas Carr vergleicht dessen Bedeutung sogar mit dem Übergang von der dezentralen zur zentralisierten, flächendeckenden Stromversorgung am Ende des 20. Jahrhunderts. Während der industriellen Revolution war es üblich, seine Fabrik unmittelbar an einen Fluss zu bauen, um die Stromversorgung mit Wasserkraft sicherzustellen. Heute ist Strom so gut wie überall zu haben. In seinem Bestseller «The Big Switch» schreibt Carr, dass sich die Geschichte wiederholt. Es ist nicht mehr nötig, sich dorthin zu bewegen, wo die Systeme stehen, die Systeme bewegen sich zum Wirtschaftsstandort.
Gleichzeitig spielen betriebswirtschaftliche Aspekte eine immer grössere Rolle. Die CFOs möchten die IT-Kosten zielgerichtet budgetieren können. Die IT soll zu einem Service werden, der nur dann genutzt wird, wenn man ihn auch braucht - und auch nur dann zu bezahlen ist. Ähnlich wie bei Strom und Wasser soll nach der Anzahl der Arbeitsplätze oder der bezogenen Gigabyte abgerechnet werden.

IT als Service

Bei KMU ist es üblich, keine eigenen Anwälte, PR-Spezialisten oder Facilitymanager mehr zu beschäftigen. All diese Dienstleistungen werden extern bezogen. Bei der IT ist dies genauso möglich. In der Vergangenheit scheiterte dieser Ansatz an den zu hohen Kosten und zu niedrigen Bandbreiten. Doch die Zeiten, in denen die Unternehmen noch stolz darauf waren, ein eigenes, möglichst grosses Rechenzentrum zu besitzen, sind lange vorbei. Räumlichkeiten und Betrieb kosten einfach zu viel. Dank den immer besseren Internetanbindungen ist auch die Frage der schnellen Datenübertragung kein Killerkriterium mehr. Die Räumlichkeiten können anders genutzt werden, die teure, interne Infrastruktur entfällt. In der Schweiz beträgt der Aufwand für die Betreuung der IT-Infrastruktur derzeit rund 70 Prozent des gesamten IT-Budgets. Speziell KMU, bei denen die ServerRäume oft Bestandteil der Büroräumlichkeiten sind, können hier enorm Kosten sparen.
Neben den Kosten spielt noch ein weiterer Punkt dem Cloud Computing in die Hände: der zunehmende Anteil der mobilen Arbeiten. Früher war es üblich, Daten, die man zu Hause noch bearbeiten wollte, auf einem mobilen Medium mitzunehmen oder sich selbst per Mail nach Hause zu schicken. Speziell bei vertraulichen Daten ein Schreckensszenario für jeden Datenschutzbeauftragten. Oft genug konnte man die Daten zu Hause aufgrund von Programminkonsistenzen oft trotzdem nicht richtig bearbeiten.

Die Wolke bewegt sich

Vor diesem Problem stand auch die Brainforce AG, ein international tätiges Unternehmen, das Manager auf Zeit vermittelt. Brainforce zählt im Bereich Interimsmanagement zu den führenden Unternehmen Europas und unterhält Niederlassungen in Zürich, München, Bangkok, Schanghai und in den neu eröffneten Standorten Moskau, Wien, Johannesburg und Hong Kong. Dank eines grossen Pools mit über 3200 erfahrenen Führungskräften können für nahezu jede Aufgabenstellung mehrere Kandidaten mit dem entsprechenden Know-how im In- und Ausland kurzfristig bereitgestellt werden. Roger Meier, Projektleiter bei Brainforce, schildert die Ausgangslage: «Eine wichtige Anforderung war, dass wir von all unseren Standorten sowie auch von unterwegs sicher auf unsere Daten zugreifen können», und zwar unabhängig von Zeitzone und Arbeitsweise der Mitarbeitenden.
Umgesetzt wurde das «virtual office» mit einer Lösung von vertical vision, die auf Citrix XenApps basiert. Über eine geschützte Verbindung kann sich jeder Mitarbeiter auf dem zentralen Server einloggen, optional mit einem Sicherheits-Token zusätzlich geschützt. Dem Benutzer steht dann sein vertrauter Computer-Arbeitsplatz mit allen nötigen Programmen zur Verfügung. Es muss auch nicht immer ein PC oder Notebook sein: «Wir haben heute die Möglichkeit, per MemoryStick auf jedem Gerät mit USB-Schnittstelle zu booten und dieses direkt über eine Mobile-Karte mit unserem Datacenter zu verbinden», erklärt Meier.
Brainforce entschied sich, die bestehende Infrastruktur so weit wie möglich in das Konzept zu integrieren: Etwa 30 Prozent der Client-Arbeitsplätze wurde erneuert, die restliche Hardware übernommen. Nach Ablauf der Garantie werden auch diese Geräte ersetzt und über die Art des neuen Endgeräts entschieden. Es stehen Thin-Clients, Desktop-PCs oder Notebooks zur Verfügung. Durch diese Skalierbarkeit ist auch der Gedanke der Green IT in das Konzept integriert.

Keine Server mehr vor Ort

Nach drei Wochen konnte das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden. Die Server bei Brainforce wurden abgebaut, die Benutzer arbeiten seither direkt im Datacenter, egal, wo sich ihr Arbeitsplatz befindet. Einzige Voraussetzung ist ein Internetzugang in Europa oder Asien, am Flughafen, zu Hause oder irgendwo in einem Internetcafé - egal, wo und wie. An den grossen Standorten wird die Konnektivität mit redundanten, technisch unabhängigen Internetzugängen sichergestellt. Falls doch einmal die Verbindung abreisst, stehen alle Applikationen auch lokal zur Verfügung.
«Dieser Ansatz war bei uns neu, hat uns aber sofort überzeugt. Heute bringt uns diese Flexibilität enorme Vorteile, die wir am Markt positiv nutzen können», urteilt Roger Meier. Der zentrale Betrieb der Software vereinfacht Support und Update der Applikationen - für den Kunden ebenfalls ein deutlicher Mehrwert. Die neue Flexibilität hat aber noch einen weiteren Vorteil: ein klar zu bestimmendes IT-Budget. Bei Brainforce ist das «virtuelle Büro» auf etwa 20 Benutzer ausgelegt, das System ist aber problemlos auf mehrere Hundert Arbeitsplätze skalierbar.

Wenig investieren, viel sparen

Die Investitionen, speziell wenn die Hardware vom Kunden übernommen werden kann, sind in der Regel nicht sehr hoch. Der Kunde profitiert von der zentralen Infrastruktur im Datacenter, die als Shared-Service bezogen wird. Die oftmals teuren Investitionen in Services wie Backup, Mail oder Archivierung werden auf mehrere Anwender verteilt. Erfahrungsgemäss lassen sich so zwischen 25 und 40 Prozent Kosten einsparen. Zudem können die Services auf einem qualitativ höheren Standard angeboten werden.
Remo Rigoni



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