10.11.2005, 18:44 Uhr

Strukturreform bei der Phonak-Gruppe

Der Schweizer Hörgerätehersteller Phonak mit über 30 Standorten weltweit hat sein zentrales Rechenzentrum in Stäfa auf ein mehrstufiges Storage-Management ausgerichtet.
Infrastrukturen, die neuen Aufgaben nicht gerecht werden, müssen frisch konzipiert werden. Die Phonak hatte am Hauptsitz in Stäfa am Zürichsee nicht nur mit steigenden Datenmengen in einer komplexen, stark heterogenen Umgebung zu kämpfen, sondern auch mit deren Folgen. Backup und Recovery dauerten zu lange und beeinträchtigten die Performance. Service Level Agreements liessen sich nur mehr mit grossem Aufwand einhalten. Für die IT-Abteilung, die sich als interner Dienstleister versteht, ein drängendes Problem. Schliesslich ist die Medizinaltechnikherstellerin mit 31 Standorten und über 2700 Beschäftigten auf vier Kontinenten präsent. Die Benutzer müssen unabhängig von der Zeitzone jederzeit Zugriff auf alle Daten haben, unbesehen von Alter und Grösse. Hinzu kamen neue Anforderungen wie Archivierung und die Zentralisierung der Datendienste für Europa und Asien in Stäfa.
Patrick Andri, Manager Data Center Europe/Asia, erinnert sich: «Alles in allem war mit punktuellen Massnahmen nichts mehr zu erreichen. Wir sind um die komplette Revidierung der Struktur mit Storage, Servern, Clients und Protokollen nicht herumgekommen. Die beiden Hauptbrocken waren die Konsolidierung der Server und der Datenspeicher und die Einführung eines mehrstufigen Speicherszenarios, das am Information Lifecycle Management orientiert ist. Heute profitieren wir eminent von einer stark vereinfachten und stabilen Umgebung.»

Strukturreform bei der Phonak-Gruppe

Schritt für Schritt

Bis es jedoch soweit war, hatte das IT-Team eine Menge zu tun. Die Konsolidierung von Betriebssystemen, Clients, Servern und Storage war erst der Anfang. Nach der Standardisierung aller Clients auf Windows XP, mit Ausnahme einiger Spezialanwendungen, begann im Sommer 2004 die Server- und Storage-Offensive. Netware, Unix und NT4 wurden zugunsten einer homogenen Windows 2000/2003-Umgebung komplett abgelöst. Die Zahl der Server reduzierte sich dadurch um rund ein Drittel. Der bislang aufwändige und fehleranfällige Betrieb einer gewachsenen Struktur mit Dutzenden von Servern unter Novell Netware, HP-UX und diversen Varianten von Microsoft Windows war damit entschärft.
Der nächste Schritt sollte das Storage- und Backup-Problem lösen und eine Archivlösung für Exchange schaffen. Konventionelle Serverdatenspeicher und kleinere Storage-Lösungen der Phonak wurden einem Datenwachstum von jährlich mindestens 50 Prozent nicht mehr gerecht. Interne Hochrechnungen hatten ergeben, dass eine Vollsicherung mit der ursprünglichen Backuplösung den Zeitrahmen in naher Zukunft sprengen würde. Auch erwies sich der Abstand von 24 Stunden zwischen den Sicherungen als zu gross. Nach einer Ausschreibung entschied sich die Phonak für Storage von Network Appliance. «Dafür sprachen die positiven Referenzen, die NAS-Marktführerschaft und die einfache, zweistufige Lösung aus Online und Nearline Storage für Datensicherung, Disaster Recovery und Archivierung», so Andri.
Die lokalen Daten auf über einem Dutzend Server wurden auf Netapp Unified Storage vom Typ FAS920 mit sechs Terabyte konsolidiert. Technische Unterstützung holte sich Phonak beim Urdorfer Storage-Integrator Diwega. Unified Storage unterstützt die Speichermodi NAS, IP SAN mit iSCSI und SAN mit Fibre-Channel auf einer einheitlichen Plattform. Nach der Prüfung der Datenbasis hatte sich bei Phonak ergeben, dass 95 Prozent der Bestandsdaten ein File-Format haben, so dass für diese Daten nur ein NAS-System in Frage kam. Darüber hinaus sollten aber auch blockbasierte Daten von Applikationen wie Exchange, SQL Server, Oracle und SAP auf dem neuen Speichersystem konsolidiert werden. Als kostengünstige Lösung bot sich dafür ISCSI an. Das Protokoll ist in der Lage, blockbasierte Daten über Ethernet und IP bereitzustellen. Die Daten der über 1000 Postfächer von Mitarbeitern in Europa und Asien liessen sich auf demselben Speicher konsolidieren wie der File-Service.
Die jetzt zentralisierte Datenhaltung vereinfachte und stabilisierte auch Backup und Disaster Recovery im Rahmen eines zweistufigen Konzepts. Ziel war nicht nur eine grössere Datensicherheit, sondern auch adäquate Wiederherstellungszeiten zu garantieren - ohne die in den Service Level Agreements festgelegte Verfügbarkeit und Performance zu beeinträchtigen. Der Online-Speicher wurde um eine Netapp R200 mit 16 Terabyte auf SATA-Platten ergänzt, die als Nearline-Speicher für Backup und Disaster Recovery sowie als E-Mail-Archiv dient. Beide Speicher haben dasselbe Betriebssystem, so dass eine durchgängige Administrierbarkeit gegeben ist. Bandbibliotheken besorgen die Langzeitarchivierung.

Strukturreform bei der Phonak-Gruppe

Zur Datensicherheit

Die Fehraltorfer Up-Great hatte als Generalunternehmerin die Projektleitung inne und betrieb das Consulting für das Information Lifecycle Management. Dieses Konzept setzt Phonak in ihrer Storage-Struktur und -Konfiguration um. Die erste, kurzfristige Sicherungsstufe ist das Online Snapshot Backup. Während die File-basierten Daten ein paar mal täglich gesichert werden, ist der Snapshot für die besonders erfolgskritischen E-Mail-Daten auf stündliche Sicherung eingestellt. Für Andri ein extrem wichtiger Punkt: «Das Rechenzentrum Stäfa agiert zum Beispiel bei Exchange wie ein ASP. Wir müssen jederzeit für performanten E-Mail-Zugriff sorgen und die Verfügbarkeit sicherstellen. Dazu gehört auch, dass diese Daten häufig gesichert werden und bei Bedarf innert Minuten rekonstruierbar sind.» Die langfristige Datensicherung, die zweite Stufe, ist das Backup der Snapshots beider Speicher auf Bänder, die zum Abruf bereitstehen, bis sie nach ein paar Wochen ausgelagert werden. Der laufende Betrieb wird dank Disk-to-Backup und -Restore nicht beeinträchtigt, so dass die Performance und Verfügbarkeit des Datenzugriffs im Einklang mit den SLA steht.
Die Snapshot-Technik sichert auch schnelles Disaster Recovery. Phonak spiegelt die Snapshots der File-Service- und Exchange-Daten vom Online- auf den Nearline-Speicher. Sollte der Primärspeicher nicht mehr online sein, lässt sich der Betrieb sofort über den zweiten Nearline-Speicher wieder aufnehmen. Mehr Sicherheit bringt zudem die räumliche Trennung von Online- und Nearline-Speicher. Selbst bei einem Totalausfall liesse sich der Datenservice innert zwei bis vier Stunden wieder aufnehmen. Vorher waren alle Primärdatenspeicher im selben Raum untergebracht. Im Ernstfall hätte es Tage gedauert, mehrere Terabyte Daten von zig Magnetbändern auf neuem Storage wiederherzustellen.
Phonak profitiert zudem von der verbesserten Performance des Datenzugriffs - ein wichtiger Punkt bei der Zufriedenheit der Benutzer. Aufgrund der hohen Stabilität und Zuverlässigkeit des neuen Storage - maximal ein Ausfall pro Jahr und null Backup-bedingte Ausfälle lautet die Richtschnur - ist die Business Continuance gewahrt. «Sollte doch einmal ein Datenunfall passieren, wie zum Beispiel das unabsichtliche Löschen einer Datei oder eines E-Mails durch einen Mitarbeiter, genügt die Meldung an den IT-Service-Desk», so Andri. «Die Datei ist direkt aus der Snapshot-Aufzeichnung auf dem online Speicher in ein bis zwei Minuten rekonstruiert.»
SAP Hot Standby und SQL sind heute ebenfalls schon auf dem Zentralspeicher abgelegt. Die nächsten Schritte wie die revisionssichere Datenhaltung sind bereits geplant und lassen sich in die neue Struktur eingliedern. Patrick Andri: «Das Schöne ist, dass diese einfache und kostenoptimierte Struktur flexibel erweiterbar und skalierbar ist und die Daten gemäss ihrer Bedeutung handhabbar sind. Die Restrukturierung hat sich ausgezahlt.»
Zur Autorin: Frauke Stautner ist freie Journalistin in München.
Frauke Stautner



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