Reportage
05.09.2012, 11:59 Uhr
Samsungs Arbeiterinnen
Junge chinesische Frauen vom Land versuchen ihr Glück bei chinesischen Elektronik-Manufakturen wie Samsung. Dort winken vergleichsweise hohe Löhne aber auch lange Arbeitszeiten. Eine Reportage aus Tianjin, China.
Diese Reportage hat unser China-Korrespondent Michael Kan verfasst. Übersetzung: Marcel Hauri. Die 19-jährige Zhao Caixia verliess wie viele Frauen in ihrem Alter ihre Heimatstadt in der chinesischen Provinz Gansu, um ihren Horziont zu erweitern. Doch dieser Horizont beschränkt sich im Moment auf eine Produktionsstätte von Samsung in der chinesischen Stadt Tianjin, wo sie einen 12-Stunden-Tag mit der Überprüfung von Kameras verbringt, bevor diese die Manufaktur verlassen. Es sei eine ziemlich anstrengende weil monotone Arbeit, sagt sie. Sie muss Funktionen der Kameras testen. Auch sei der Arbeitsdruck zum Teil ziemlich hoch. Aber sie sagt auch, dass die Arbeitsbedingungen grundsätzlich in Ordnung seien. Klimaanlagen in den Unterkünften, ein sauberer Arbeitsplatz und ein gutes Salär seien die positiven Aspekte ihrer Anstellung. «Ich will im Moment keinen anderen Job, ich bin ziemlich zufrieden mit dem, was ich mache» sagt Zhao. Sie verdient zwischen 2'000 und 4'000 Yuan (entspricht etwa 300 - 600 Franken) pro Monat, je nach Überstunden die sie leiste. «Ich finde die Bezahlung in Ordnung, ich gebe auch nicht so viel aus». Die Arbeitsbedingungen in chinesischen Manufakturen werden immer argwöhnischer beobachtet, dennoch gehören die Jobs zu den begehrtesten für Chinesinnen aus der Provinz, die nur kleine Karrierechancen besitzen. Für diese Menschen bieten die Manufakturen einen anständigen Lohn auch wenn die Arbeit monoton ist und es nur selten zusätzliche Gratifikationen gibt. Der IDG News Service besuchte zusammen mit einem Arbeitsrechtsaktivisten Tianjin und befragte Arbeiterinnen. «Ich bin hier umd Geld zu verdienen» sagt eine 23-Jährige mit Nachnamen Wang, die auch in der Samsung-Manufaktur arbeitet. «Viele Menschen kommen hierher um Geld zu verdienen» fügt sie an. Die Samsung-Produktionsstätte im Industriepark von Tianjin ist die grösste in China und beschäftigt geschätzte 50'000 Arbeiter. Diese sind direkt bei Samsung angestellt oder arbeiten bei Zulieferbetrieben. Die meisten Arbeiter setzen neben diversen anderen Geräten Mobiltelefone, TVs, LED-Screens und Kameras zusammen und leben in nahegelegenen Unterkünften. Wang, die ihren Vornamen nicht in der Presse lesen will, gibt an, dass sie bei der Kamera-Manufaktur von Samsnung angestellt ist und pro Tag 200 - 300 Linsen zusammebaut. «Du machst den ganzen Tag nichts anderes» sagt sie. «Es gibt nichts wirklich Positives an meinem Job, aber auch nichts Negatives.» In ganz China beliefern Schulen die Produktionsstätten mit Arbeiterinnen, manche haben soeben einen Abschluss, andere machen ein Praktikum. «Einige Arbeiterinnen haben nur eine mittelmässige Schulbildung, kein Gymnasium absolviert. Die bekommen sonst keine andere Arbeit. Sie sind hier um Geld zu verdienen.» Die Arbeit in den Fabriken scheint ähnlich zu sein wie in anderen Gegenden der Welt, doch stören sich die chinesischen Arbeitsrechtaktivisten an der Strategie der Konzerne, hauptsächlich junge Frauen zwischen 18 und 22 Jahren einzustellen, die gut unter Kontrolle zu halten und sich ihrer Rechte nicht bewusst sind. Auf der nächsten Seite: Schwere Vorwürfe gegen Samsung und was die Arbeiterinnen sagen. Diese Woche veröffentlichten chinesische Arbeitsrechtler einen Bericht, in dem Samsung schwere Vorwrfe bezüglich den Arbeitsbedingungen in acht Fabriken vorgeworfen wurde. Die Rede ist von erzwungener Überstundenarbeit, Kinderarbeit und verbaler sowie physischer Gewalt. Samsung hüllte sich diesbezüglich in Schweigen, reagierte dann aber später auf einen früheren Fall und stellte klar, dass das Unternehmen eine Nulltoleranzpolitik gegenber Kinderarbeit vertrete. Die von dem Korrespondetnen interviewten Arbeiter beklagten sich hauptsächlich über die monotone Arbeit in den Fabriken. «Für die Arbeit, die wir hier ausführen, braucht man eigentlich nicht in die Schule zu gehen» sagt die 21-Jährige Meng, die ausgebildete Designerin ist. Sie produziert jetzt Motherboards für Mobiltelefone, acht Stunden am Tag und manchmal schiebt sie noch eine 12-stündige Extraschicht am Wochenende. Meng hat vor zwei Jahren zusammen mit 70 Komolitoninnen aus ihrer Schule in der Provinz Shangdong den Job bei Samsung angefangen. Viele ihrer ehemaliger Schulkolleginnen sind nicht mehr hier. «sie gingen, weil es ihnen hier nicht passte und sie was anderes machen wollten» sagt sie. Immerhin verdienten sie bei Samsung einen anständigen Lohn, im Gegensatz zu anderen Fabriken im Industriepark von Tianjin. Die 27-jährige Xue Junfen arbeitete in einer Fabrik betrieben von Yaguang Nypro Precision Molding. Während drei Jahren überprüfte und setzte sie Telefongehäuse zusammen. Als sie 2009 mit der Arbeit begannn, verdiente sie 700 Yuan (knapp 100 Franken im Monat) nach zwei Jahren waren es dann 1160 Yuan (175 Franken). Während ihrer Arbeitszeit musste sie zwischen 4'300 und 5'600 Gehäuse überprüfen - zum Beispiel, ob ein Kleber korrekt angebracht war. «Die Arbeiterinnen wissen zum Teil nicht, für was die Komponenten überhaupt gebraucht werden. Deinen ganzen Tag beschäftigst du dich mit diesen Teilen, aber du weisst nicht, für was es gebraucht wird» schildert sie die Situation. Auch Xue besuchte kein Gymnasium und hoffte, in einer Fabrik eine zusätzliche Ausbildung erhalten zu können. Ein Trugschluss. «Ich hoffte, mich ausserhalb der Schule besser weiterbilden zu können.» Aber sie sagt auch, dass niemand Mitleid mit den Arbeiterinnen haben müsste. Ihnen ginge es ums Geldverdienen. Das sei doch normal. «Du gibst deine Arbeitskraft und jemand bezahlt dich dafür.» Jetzt arbeitet sie bei einer chinesischen NGO, gleich neben dem Industriepark und versucht Arbeiterinnen mit Bildungsangeboten zu unterstützen. «In diesen Fabriken lernst du nichts. Es ist eigentlich vergeudete Zeit, dafür kannst du Geld verdienen. Wir versuchen daher, die Arbeiterinnen zu unterstützen, damit sie weitere Perspektiven bekommen.»