29.05.2007, 08:36 Uhr
Der PC im Orchestergraben
Ein US-Dirigent will drei Beethoven-Symphonien einspielen - mit einem Computerorchester, statt mit einem traditionellen Klangkörper.
Paul Henry Smith hat den Dirigentenstab durch die Wii-Fernsteuerung ersetzt und das Symphonieorchester durch den Computer. Spätestens im Herbst 2008 will er so drei von Beethovens Symphonien vor Publikum aufführen.
Spielen hier die Wiener Philharmoniker oder wird die siebte Symphonie von Ludwig van Beethoven durch einen Computer live erzeugt? Selbst Musikwissenschaftler wie der US-Kompositionsprofessor David Liptak tippen hier gelegentlich falsch - allerdings nur, wenn das Hörbeispiel kurz ist.
Dass selbst geübte Musikerohren nicht mehr zwischen einem natürlichen Orchester und einem Computer-Klangkörper unterscheiden können, zeigt, wie weit die Technik diesbezüglich schon gediehen ist und lässt bei Musikern Existenzängste reifen. Öl ins Feuer giesst dabei Paul Henry Smith. Er will spätestens im Herbst 2008 drei Symphonien Beethovens live und vor Publikum aufführen. Im Orchestergraben steht dann nur ein Computer. Statt mit einem Dirgentenstab wird Smith, der bei Berühmtheiten wie Leonard Bernstein sein Metier gelernt hat, mit der Fernsteuerung der Spielkonsole Wii von Nintendo herumfuchteln, um dem digitalen Klangkörper, dem Fauxharmonic Orchestra, ein Sforzato zu entlocken. Nicht zur Freude einiger Musiker: «Dieser Mann ist böse. Dieses Projekt ist böse. Schmore in der Hölle», lautet ein anonymer Kommentar auf Smiths Webseite.
Komponisten sehen das anders: Durch das digitale Orchester können sie ihre Werke aufführen lassen, und zwar zu einem Bruchteil der Kosten, was die Einspielung mit einem Orchester verschlingt. So hat Matthew Fields, der Komposition an der Universität von Michigan unterrichtet, für die Aufführung eines seiner Werke mit 18 Musikern 50000 Dollar hinblättern müssen. Für die Einspielung einer seiner Partituren mit dem Fauxharmonic Orchestra entrichte Fields dagegen nur 800 Dollar. «Zudem musste ich nicht erst Dirigent und Musiker von der Aufführbarkeit des Werks überzeugen», kommentiert er. «Das digitale Orchester sorgt daher für eine Bereicherung der klassischen Musikszene und sichert deren Zukunft», ist Smith überzeugt.
Der Grundstock für die Digitalisierung der Symphonik wird bereits seit einiger Zeit gelegt. Die Ironie des Schicksals will es, dass ausgerechnet ein Ex-Musiker der renommierten Wiener Philharmoniker Initiator der grössten Datenbank von instrumentalen Klangschnipseln ist, der Chellist Herbert Tucmandl. Unter seiner Ägide ist die Vienna Symphonic Library zu einer Bibliothek von 1,7 Millionen Musikbeispielen angewachsen, eingespielt von 150 Orchestermusikern.£