01.06.2006, 14:34 Uhr
Der IT-Leiter als Bergführer
IT-Leiter befinden sich häufig in der Defensive und betreiben daher Schadensbegrenzung statt Nutzenmaximierung. Dabei sollten sie wie am Berg die Seilschaft vom schärferen Ende des Seils her kontrollieren.
Bernhard Rösli ist Senior Consultant und Matthias Hall Leiter des Geschäftsbereichs IT Service Management bei der AWK Group.
Die Erfahrungen zeigen, dass eine interne IT-Abteilung nur dann nachhaltig Wettbewerbsvorteile erringen kann, wenn die drei Dimensionen Service Management/Prozesse (Routenplanung und Klettertechnik), IT-Produkt/Service-Produkt (Abstimmung der Fähigkeiten der Bergsteiger auf Wetter und anvisierten Gipfel) und Organisation/Kostenstruktur (Teamfähigkeiten der Bergsteiger und zur Verfügung stehende Ausrüstung) vollumfänglich in der Planung erfasst werden: Neben Itil (Information Technology Infrastructure Library) sind somit die Servicearchitektur und auch die Organisation wichtige Faktoren für eine erfolgreiche ITSM-Einführung. Die Prozesse können nicht vom Rest getrennt werden. Das Potenzial für Qualitätsverbesserungen und Kostenreduktionen liegt im Zusammenspiel und stellt damit hohe Anforderungen sowohl an die konzeptionellen und analytischen Fähigkeiten eines IT-Leiters als auch an seine Umsetzungsstärke - und sind damit mit denen eines Bergführers durchaus vergleichbar.
Berg und Wetter
Stellen wir uns folgende drei Wettersituationen vor: 1: Ein IT-Leiter ist beim CFO (Chief Financial Officer) und will über die strategischen IT-Projekte des nächsten Jahres diskutieren. Stattdessen wird er wegen der explodierenden Speicherkosten zur Rede gestellt. Nach mehr als einer Stunde verlässt der IT-Leiter das Büro mit dem Auftrag, eine bestimmte Anzahl an Stellen abzubauen und ein strategisches Projekt zu streichen. 2: Externe Berater haben den Auftrag, das Kosten-Nutzen-Verhältnis der IT zu bestimmen. Einer der Kritikpunkte ist die mangelnde Innovationsfähigkeit. Als konkretes Beispiel wird nicht etwa die Time-to-Market bei der Einführung neuer Produkte für das Business genannt, sondern das Fehlen der Blackberry-Unterstützung. 3: Der IT-Leiter erhält vom CIO (Chief Information Officer) in der internen Post einen Prospekt eines Elektrodiscounters. In diesem ist neben dem markierten Preis eines Desktops die Frage notiert, warum angesichts dieses Preises intern so viel mehr für einen PC verrechnet wird. Ein unter Kostendruck stehender IT-Leiter befindet sich in einem komplexen, instabilen Umfeld, da die Gesamtunternehmung in einem Veränderungsprozess steht. Die Stakeholder nehmen unterschiedliche Positionen ein und haben verschiedene, zum Teil sehr spezifische Erwartungen an die IT-Organisation, die schwierig unter einen Hut zu bringen sind. In Kostensenkungsprojekten zeigt sich oft, dass die Ausgangslage nicht klar analysiert und verstanden wurde und deshalb auch die Zielsetzungen diffus sind. Zu guter Letzt moniert das Management, dass die Kundenzufriedenheit nicht gestiegen sei. In all diesen Situationen gilt es, aus einer Position der Stärke zu agieren. Diese Position hat der IT-Leiter nur, wenn er wie ein Bergführer am schärferen Ende des Seils geht und den Vorstieg beim Klettern hat. Er hat damit die Hauptverantwortung für die Seilschaft und muss jederzeit über die Wetterentwicklung, die Verfassung der einzelnen Teammitglieder und über den Materialzustand im Bild sein.
Voraussetzung für die Kletterpartie
IT-Dienstleistungen als Management-Instrument, die nachgewiesen vergleichbar sind, helfen dem IT-Leiter, eine integrale Service-Diskussion im Kontext des Marktes, der Konkurrenz und der Kundenbedürfnisse im Rahmen einer versachlichten Ausgangslage anzustossen. Die Kosten der Serviceerstellung werden so hinsichtlich eines marktfähigen Preises diskutiert. Ein preiswertes Produkt ist nicht billig, sondern eben seinen Preis wert. Damit regt der IT-Leiter auch eine Diskussion zwischen Kostenstellen- und Kostenträger-verantwortlichen an. Diese verlangt und gibt auch Transparenz. Es werden Mauern abgebrochen und eine gemeinsame Kundensicht entwickelt. Schliesslich hat der IT-Leiter seine Organisation als Asset mit Kompetenzen im Unternehmen positioniert, die Potenzial zugunsten der Businessentwicklung in sich trägt.
Itil, das Führungsinstrument
Der IT-Leiter muss dabei über geeignete Instrumente verfügen, um seine Organisation und die von ihr gelieferten Leistungen weiterzuentwickeln. Hierzu bietet sich Itil an: Die IT Infrastructure Library wurde in erster Linie für Leute geschrieben, die für die Planung, Überwachung und Steuerung von qualitativ hochstehenden IT-Services verantwortlich sind. Der IT-Service ist der eigentliche Output und Schlüsselfaktor zur Erfüllung der Kundenerwartungen. Ein Management System, das die Vorgaben von Itil erfüllt, liefert dem IT-Leiter die folgenden Mittel, um seine Leistungen und damit die dazu notwendige Organisation erfolgreich zu vermarkten: o Messbarkeit von Dienstleistungen und Service Management Prozessen o dadurch: Vergleichbarkeit mit anderen Organisationen und externen Providern o Qualitätsnachweis durch zertifiziertes Management System o Fortlaufende Überwachung und Weiterentwicklung der Services in kontinuierlicher Abstimmung mit den Stakeholdern (Kundenvertretern, GL, CFO usw.)
Zusammenspiel üben
Bei der Implementierung von Itil werden diese Mittel in konkrete Massnahmen umgesetzt. Die Dienstleistungen und Service Management Prozesse müssen messbar sein. Dies wird sichergestellt durch: o Messbarkeit der Basiszahlen o Fokus der Messungen auf kritische Prozess- und Serviceeigenschaften o Abstimmung der Messpunkte mit der sogenannten Service Management Strategie Die Vergleichbarkeit mit anderen Organisationen und externen Providern wird nur erreicht, wenn sich die IT-Organisation nach aussen hin orientiert. Verschiedene Indikatoren sind zu überwachen: Welches sind die Trends? Welche Service Packages werden von Outsourcing Providern aktuell angeboten? Sind die aktuellen Kostenstrukturen kompatibel mit diesen Angeboten? Die Vergleichbarkeit und Transparenz wird in der Regel kritisch hinterfragt, wenn eine interne IT-Organisation nachweist, dass sie kostenmässig im Wettbewerb bestehen kann. Eine Zertifizierung nach ISO 20000 erlaubt die unabhängige Bestätigung dieser Aussage.
Team muss fit bleiben
Eine fortlaufende Überwachung und Weiterentwicklung der Services ist unumgänglich, um fit am Markt zu bleiben. Die kontinuierliche Abstimmung mit den Stakeholdern ist deshalb eine Koordinationsaufgabe, die integral über verschiedene Prozesse, Managementstufen und Gremien erfolgen muss. Dem Service Level Management (SLM) nach Itil fällt dabei die Aufgabe zu, aus Service-Sicht die verschiedenen Aktivitäten zu koordinieren. Kommunikation und das Steuern der Erwartungshaltung sind dabei wesentliche Aspekte. Schlüsselelemente einer erfolgreichen Kommunikation sind definierte Service Levels, die durch SLAs mit Kunden vereinbart und durch OLAs mit der Leistungserbringungsorganisation der IT abgesichert sind.
Gipfelsturm
Eine geübte Seilschaft kann nicht jedem Wetter trotzen. Sie kennt aber den Berg, weiss verschiedene Wege, wie der Gipfel zu erreichen ist und kann dank Planung, Ausrüstung und einem eingespielten Team jederzeit richtig reagieren. Ist der Bergführer nun mit dem notwendigen Überwachungs-Know-how und den entsprechenden Daten ausgerüstet, kann er vorausschauend agieren und proaktiv alternative Routen oder sogar andere Gipfel vorschlagen. Dank seiner Kommunikation werden die Kletterer wie auch der beauftragende Adventure-Veranstalter mit dem Erreichten zufrieden sein.
Bernhard Rösli, Matthias Hall