09.04.2015, 16:39 Uhr
Wie wir im Jahr 2030 arbeiten
Arbeit wird zum selbstbestimmten Konsumerlebnis. Und Digital Natives müssen wieder kommunizieren lernen. So lauten die Prognosen einer Studie von CBRE.
Bei Drees & Sommer hat die Zukunft der Arbeit schon begonnen. Wie unsere Schwesterpublikation CIO vor kurzem berichtete, schaffte die Unternehmensberatung an ihrem Stuttgarter Standort fest zugewiesene Arbeitsplätze ab. Wer reinkommt, nimmt seine Sachen aus einem Spind und setzt sich an irgendeinen freien Schreibtisch. Damit nehmen die Berater einen Trend vorweg, der in den kommenden Jahren auch die meisten anderen Unternehmen erreichen wird. Das jedenfalls ist ein Ergebnis der Studie «Fast Forward 2030», der Immobiliendienstleisters CBRE und Genesis. Wichtigster Grund für die Entwicklung: Der «War for Talents» wird in 15 Jahren so scharf geführt, dass Arbeitgeber in den Büros ein liebliches Wohlfühl-Ambiente kreieren müssen, um gute Leute zu halten oder noch bessere anzulocken. Ähnliches empfehlen auch die Strategy Consultants von Roland Berger, die sich diesem Thema vor kurzem mit dem Schwerpunkt Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf widmeten.
Megatrend Individualisierung
Vereinbarkeit kann man generell als DEN Schlüsselbegriff bezeichnen, wenn es um die Zukunft unserer Arbeit geht. Allerdings muss nicht mehr der Mensch vereinbar sein mit den Wünschen und Zielen seines Arbeitgebers, sondern der Job muss vereinbar sein mit der Sehnsucht nach Selbstbestimmung, maximaler Freiheit, Kreativität und ausreichender Freizeit. Wesentlicher Treiber für diese Wünsche sind die Megatrends Individualisierung und Digitalisierung. Um dahinterzukommen, was das konkret für die Arbeitswelt der Zukunft bedeutet, haben die Autoren der «Fast Forward 2030»-Studie nicht wie sonst üblich möglichst vielen Menschen viele standardisierte Fragen gestellt, sondern sie haben 220 Experten, Führungskräfte und junge Fachkräfte ausführlich individuell interviewt. Die Jungen - potenziellen Führungskräfte des Jahres 2030 - verteilten sich auf sogenannte Focus-Gruppen in elf Städten auf der ganzen Welt. Obwohl es bei den Aussagen über die Zukunft des Arbeitens regionale Unterschiede gibt, so ist doch der Wunsch nach grosser Entscheidungs- und Entfaltungsfreiheit und nach der Sinnhaftigkeit jeder Tätigkeit global. Die Ansprüche sind hoch, gleichzeitig sinkt aus demographischen Gründen die Anzahl der verfügbaren Talente. Folgerichtig also, dass die befragten Experten und Manager den Kampf um diese Talente als ihre wichtigste - und zugleich schwierigste - Zukunftsaufgabe ansehen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Probleme von Digital Natives, effizient zu kommunizieren
Digitale Natives kaum fähig, effizient zu kommunizieren
Aus Sicht der Angestellten, schreiben die Autoren, wird Arbeit mehr und mehr zum Konsumerlebnis, sie soll entsprechend so perfekt und so aufregend wie möglich sein. Doch ein Arbeitgeber und eine Arbeitsumgebung müssen sich nicht nur mit den Wünschen, sondern auch mit den typischen Schwächen von Digital Natives auseinandersetzen. Zitat: «Sie verlieren die Fähigkeit, sich verbal auszudrücken, aber sie können grosse Netzwerke managen, sehr viele Informationen aufnehmen und diese effizient filtern.»
Auf jeden Fall, so schreiben die Autoren weiter, bleibe als Ergebnis der Studie auch die Sorge, «dass junge Angestellte kaum die Fähigkeit zur effizienten zwischenmenschlichen Kommunikation entwickeln.»
Startup-Kultur mit traditioneller Hierarchie verbinden
Die damit verbundene Herausforderung brachte eine der befragten Führungskräfte drastisch auf den Punkt: «Wir müssen diese Generation aus der Isolation herausholen, die durch ihre vielen Devices entsteht. In Zukunft sind jene Organisationen im Vorteil, die jungen Menschen beibringen können, wann es Zeit ist, das Gadget auszuschalten und sich schlicht zu unterhalten.» Allerdings hat alles zwei Seiten, will sagen Organisationen sollten sich auch die Fähigkeit der Jungen zunutze machen. Konkret: «Im Jahr 2030 müssen Führungskräfte in der Lage sein, die Dynamik einer Startup-Kultur mit der Effizienz traditioneller Hierarchien zu verbinden.»
One size fits Nobody
Und sie müssen entscheiden, welche Bereiche und welches Know-how sie in eigenen Händen behalten und was sie auslagern. Auch die internen Arbeitsplätze werden sich deutlich verändern. Am Status Quo lassen die Autoren kein gutes Haar: «Von einigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen, waren die meisten Arbeitsumgebungen der zurückliegenden 30 Jahre stumpfsinnig, demotivierend und völlig ungeeignet dazu, Teamwork und Kreativität zu fördern. Der Versuch, hier One size fits all-Lösungen zu erschaffen, führte am Ende zu One size fits nobody-Arbeitsplätzen.» Die Autoren gehen davon aus, dass traditionelle Umgebungen immer seltener werden, dass sich tendenziell Modelle durchsetzen, wie sie bei der eingangs erwähnten Unternehmensberatung Drees & Sommer eingeführt wurden. Zwar war der Anlass für das Desksharing hier banaler Platzmangel, aber die Macher freuen sich dennoch über weitere Effekte: Mehr Lebensqualität auch im Büro, mehr Austausch untereinander, mehr Selbstbestimmung. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Folgen für Immobilienunternehmen
Die Folgen für Immobilienunternehmen
Natürlich beschäftigt sich die Studie auch mit der Rolle von Immobilienunternehmen im Jahre 2030. Sie prophezeit, dass die reine Vermietung nicht mehr genügt, stattdessen müssen Vermieter ihren Kunden integrierte Dienstleistungen bieten. Und sie müssen ein kreatives, grünes, variables Arbeitsambiente kreieren, in dem sich die Angestellten maximal wohlfühlen. Die Studie «Fast Forward 2030» ist insofern aufschlussreich, als sie ein spannendes Schlaglicht darauf wirft, was sich junge Fachkräfte für eine Arbeitsumgebung wünschen. Daraus abzuleiten, dass es genauso kommen wird, ist allerdings gewagt. Denn unser (Arbeits)-Leben entwickelt sich keineswegs linear in eine klar vorgegebene Richtung beziehungsweise gibt es immer auch Entwicklungen, die Trends konterkarieren.
Von Rückzugsräumen keine Spur
Erstes Beispiel ist die zügige Verbreitung von sogenannten Newsrooms in der Medienindustrie. Sie sind das genaue Gegenteil jener Rückzugsräume, die sich laut «Fast Forward»-Studie junge Menschen so dringend wünschen. Zweitens stellt sich die Frage, ob sich in Zukunft überhaupt alle Menschen maximale Flexibilität bei ihrer Arbeit wünschen. Denn wer ganz selbstbestimmt und flexibel überall und auch zwischendurch arbeitet, braucht eine Menge Disziplin, um seine Aufgaben zu bewältigen. Und wer daheim arbeitet statt im Office, braucht eine Familie, die ihn nicht mehr als erträglich von dieser Arbeit abhält. Oder gar keine. Jedenfalls ist in Deutschland eine Entwicklung im Gange, die der viel beschworenen Vorstellung von der allseits gewünschten Flexibilität widerspricht: Laut dem deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stieg der Anteil der Heimarbeiter zwischen 2000 und 2008 an, seitdem geht er wieder zurück.