15.09.2006, 09:37 Uhr

Die digitalen Helfer

Der ICT-Einsatz im Gesundheitswesen führt zu mehr Transparenz und einem durchgängigen Workflow und hat das Ziel, die Qualität zu erhöhen und zugleich Kosten zu senken.
Thomas Zurkinden ist Head of Health Solutions Hospital bei Siemens Schweiz.
Eine hochqualitative Versorgung für alle Patienten scheint für die meisten staatlichen Gesundheitssysteme kaum noch bezahlbar zu sein. Die Gründe für die sich immer weiter zuspitzende Situation sehen Experten vor allem in ineffizienten Prozessen im Gesundheitswesen: Mangelnde Vernetzung führt zu unnötigen Doppeluntersuchungen, fehlender Überblick zu einer schlechten Abstimmung der einzelnen Therapien. Gerade der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) führt zu mehr Transparenz und einem durchgängigen Workflow mit dem Ziel, die Qualität im Gesundheitswesen zu erhöhen und zugleich Kosten zu senken.

Effizientere Verwaltung

Rezepte, Gesundheitskarten, Patientenakten, Wissensdatenbanken - das alles ist heute schon in elektronischer Form möglich. So können wichtige und hochsensible Informationen vielerorts sofort verfügbar sein - ohne in falsche Hände zu geraten. Die elektronische Patientenakte speichert Informationen über Diagnose, Therapie, Medikation und Labordaten sowie Abrechnungs- und Versicherungsunterlagen. Auf die -zentrale Datenbank kann von jedem Ort innerhalb des Spitals zugegriffen werden. Pilotprojekte wie beispielsweise in der Lombardei zeigen Rationalisierungspotenziale in Millionenhöhe durch den flächendeckenden Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte. Der Einsatz von Digitaltechnik im Gesundheitswesen ist jedoch weitaus vielseitiger.

Klinik der Herzen

Einige Notizen auf einer Papierserviette, hingekritzelt bei einem gemeinsamen Abendessen von Klinik- und Verwaltungsexperten; dann war der erste Entwurf einer hochmodernen Herzklinik fertig. «Wir wollten etwas anderes als das herkömmliche Spitalmodell», erinnert sich John Stewart, der vor vier Jahren mit am Tisch sass. 18 Monate später öffnete im Dezember 2002 ein Herzzentrum im amerikanischen Indianapolis seine Tore - ausgestattet mit fünf Operationssälen, fünf Herzkatheterlabors und einer Kapazität von 60 Betten. Das vierstöckige Gebäude war die erste komplett digital betriebene Einrichtung zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Region. Die Vision von John Stewart, heute CEO des Zentrums, wurde in nur sieben Monaten Wirklichkeit. Zentrale Bestandteile des durchgängigen IT-Konzepts sind das Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem (Pacs, Picture Archiving and Communication System) und das speziell für die Gesundheitsversorgung entwickelte Informationssystem Soarian von Siemens, das finanzielle, diagnostische und administrative Arbeitsabläufe im Spital integriert.

Drahtlos am Spitalbett

Dass erhöhte Wirtschaftlichkeit nicht zu Lasten der Patienten gehen muss, beweist auch das im Sommer 2004 eröffnete Alegent Health Lakeside Hospital in Omaha, Nebraska. Es zählt zu den Spitälern mit dem höchsten Grad an IT-Integration weltweit. Ärzte und Pflegepersonal haben alle für Therapie und Betreuung relevanten Daten jederzeit und überall zur Hand. «Es kommt uns nicht so sehr auf die schiere Menge der Geräte und Einrichtungen der Informationstechnologie an - die gibt es in vielen Kliniken», erläutert Wayne Sensor, CEO Alegent Health. «Entscheidend für uns und unsere Patienten ist, dass wir eine durchgängige und integrierte IT-Infrastruktur haben, die unsere klinischen und administrativen Prozesse aktiv unterstützt. Unsere Systeme kommunizieren heute naht- und drahtlos. Das ist entscheidend für eine bessere Patientenbetreuung.» Im Lakeside Hospital hat mit der Einführung dieser Systeme eine kleine Revolution bei der Arbeitseffizienz stattgefunden. Statt Patientendaten oder klinische Werte zuerst auf Papier zu notieren und sie dann in einen PC einzugeben, kann das Personal dies jetzt sofort über einen tragbaren Computer direkt am Spitalbett erledigen. Diese Zeitersparnis kommt nun der Pflege der Patienten zu Gute und bringt Kosteneinsparungen. Die Ärzte haben bei der Visite einen Tablet-PC oder PDA dabei. Sie können Röntgenbilder und Laborwerte mittels webbasierenden Thin-Clients drahtlos abrufen und mit den Patienten direkt besprechen.
Auch in der Radiologie ist die Effizienz hoch. Alle Informationen sind patientenkonzentrisch verfügbar, wo und wann die Radiologen es brauchen. Sie können die Bilder ansehen, den Bericht erstellen, sofort abzeichnen und elektronisch verteilen lassen. Ein weiteres Beispiel: Wenn ein Patient morgens einen Röntgentermin wahrnimmt, verständigt das System automatisch die Küche, dass kein Essen benötigt wird. Im Lakeside ist die Privatsphäre der Patienten ein wichtiges Thema. Der Zugang zur Klinik wie auch zu den medizinischen Berichten wird über ID-Karten, Passwörter und biometrische Systeme geschützt. Das Klinikinformationssystem stellt sicher, dass der Datenzugriff die strengen Auflagen des Health Insurance Portability and Accountability Act (Hipaa) der US-Regierung erfüllt.
Da der Datenzugriff genau und rollenbezogen reglementiert werden kann, gibt es auch Pläne, den Patienten und - ihre Zustimmung vorausgesetzt - auch deren behandelnden externen Ärzten Zugriff auf das Patientendossier zu gewähren. «Damit unterstützen wir einen Trend, bei dem der Patient nicht nur passiver Leistungsempfänger sondern aktiver Teil seiner Gesundheitsfürsorge ist», so Sensor.



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