Teure Notwendigkeit oder Business Value Creator?

IT: Teure Notwendigkeit oder Business Value Creator?

Selçuk Boydak: Ich beobachte, dass bei Unternehmenszusammenschlüssen der Grundstein für den späteren Erfolg oder Misserfolg der Integration der IT-Systeme schon während der Anbahnung einer solchen Transaktion gelegt wird. Die Erfolgsaussichten steigen substanziell, wenn eine fundierte technologische Due Dilligence durchgeführt und die spätere Integration sorgfältig geplant wird.
Sylvia Steinmann: Während der sechsmonatigen Planungsphase zur Integration von GE Insurance Solutions - in der Zeit bis zu unserer Zeichnung der Verträge - habe ich als IT Projektleiterin von Anfang an grundlegende Planungsrichtlinien definiert, so genannte Stacks in the Ground. Diese sorgten für die richtigen Rahmenbedingungen und haben unnötige Unsicherheiten vermieden. Dadurch konnten wir gezielter Migrations-Szenarien erarbeiten, die zurzeit bereits in der Umsetzung sind, und nicht nochmals nach Vertragsabschluss hinterfragt wurden.
Selçuk Boydak: Mir scheint, dass wir uns einig sind, dass die IT einen mittlerweile sehr wichtigen und auch gewichtigen Produktionsfaktor mit erheblicher Bedeutung für den Geschäftserfolg darstellt. Trotzdem wird der Stellenwert der IT und ihr Wertbeitrag heute häufig sehr kritisch gesehen, und zwar durchaus kritischer als bei anderen Produktionsfaktoren. Woran liegt das?
Dieter Bernauer: Zum einen sind mit IT-Entscheidungen in der Regel hohe Investitionsbeträge verbunden, die einschneidende Folgen auf Organisationsstrukturen und Prozesse haben. Zum anderen unterliegen diese Technologien enormen Disruptionsrisiken und damit immer kürzeren Lifecycles. Das Management steht vor dem Dilemma, langfristige Entscheidungen zur Effizienzsteigerung treffen zu müssen, die ein hohes Obsolenzrisiko noch vor Erreichen der Amortisation haben.
Selçuk Boydak: Was muss der CIO aus Ihrer Sicht tun, um den Business-Nutzen der IT zu steigern?
Dieter Bernauer: Die grosse Herausforderung des CIO besteht darin, die IT so einzusetzen, dass sie End-to-End die Bedürfnisse des externen und internen Kunden abholt. Eine visionäre Gesamtkonzeption wie auch eine pragmatische Implementierung, die die Bedürfnisse der Geschäftseinheiten antizipiert, ist Schlüssel für den Wertbeitrag der IT. Dort, wo dies geschieht, beobachte ich eine hohe Akzeptanz der IT-Funktion.
Persönlich muss der CIO eine gehörige Portion Empathie mitbringen, um sich in die Bedürfnisse, Erwartungen und Sorgen des Kunden einfühlen zu können. Er muss aber auch genügend Rückgrat haben, um zwischen sinnvollen und weniger sinnvollen Wünschen seiner Kunden zu unterscheiden. Um diesen Spannungsbogen erfolgreich managen zu können, muss der CIO mit strategischem wie operativem Geschäftsverständnis als Coach und kompetent-kritischer Berater der Geschäftseinheiten agieren.
Sylvia Steinmann: Es ist eine dauerhafte Herausforderung, den Mehrwert der IT fortwährend unter Beweis zu stellen. Einerseits organisatorisch, wenn es beispielsweise gilt, festzulegen, welche Projekte optimalerweise durchgeführt werden sollten. Andererseits sehe ich auch eine Herausforderung im Bereich der erforderlichen Skills. Aus meiner Sicht gibt es immer noch zu wenige Führungskräfte, die zugleich Interesse und Verständnis für das Business und die IT zeigen. Häufig fehlt entweder das Business-Verständnis oder das IT-Interesse. Beides kann fatale Folgen haben und im Rahmen von Entwicklungs-Projekten zu massivem Overengeneering oder funktional völlig unbrauchbaren Lösungen führen, zum Beispiel die Automatisierung ineffizienter Prozesse ohne Prozessreengineering.
Selçuk Boydak: Genau diese Lücke sollte doch die CIO-Organisation füllen, indem sie eine Brückenfunktion einnimmt, um die Business-Strategie systematisch in eine adäquate IT-Strategie und IT-Architektur zu übersetzen?
Sylvia Steinmann: Gerade diese wichtige Brückenfunktion wird von einem modernen CIO heutzutage erwartet und er kann diese Erwartung auch erfüllen. Allerdings erfordert dies einen seltenen und daher besonders wertvollen Mix an Fähigkeiten und Erfahrungen sowohl aus dem Bereich der Betriebswirtschaft, wie zum Beispiel Business-Case-Design, Renditerechnungen und Prozessoptimierungen, als auch technische Expertise, wie etwa Technologiepotenzialabschätzungen und Integrationsmethodologien. Zum einen gibt es gar nicht so viele, die das können. Zum anderen ist es nicht leicht, diese gefragten Manager dauerhaft in der IT zu halten. Haben sie erstmals unter Beweis gestellt, dass sie Business-Prozesse und IT zugleich verstehen, stehen ihnen viele Türen in der Organisation offen. Bei Swiss Re haben wir eigens ein Ausbildungsprogramm für Nachwuchsmanager in dieser Brückenfunktion aufgebaut, um Talente hausintern zu fördern.
Selçuk Boydak: Das ist natürlich auch eine Chance: die IT als Sprungbrett für eine universelle Managementlaufbahn. Die Beispiele dafür häufen sich. Neben der erörterten Herausforderung im Bereich der Fähigkeiten und Skill-Profile sehe ich auch eine Steuerungsherausforderung in der IT. Die bisherige IT-Steuerung der allermeisten Unternehmen reicht nicht aus, um den Wertbeitrag der IT wirklich durchgängig zu messen und auszuweisen, oder?
Sylvia Steinmann: Im Bereich der Projektsteuerung gibt es eine Reihe unterschiedlicher Ansätze, um die Rendite von IT-Projekten zu messen und um die Nachhaltigkeit zu kontrollieren. Das funktioniert ausreichend im Bereich operativer Projekte. Sehr sophistizierte Ansätze wie Real Options für strategische Projekte sind jedoch im Top Management kaum mehr vermittelbar, weil sie sehr detailliert werden.



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