IT
14.11.2006, 09:31 Uhr
Teure Notwendigkeit oder Business Value Creator?
Welchen Stellenwert hat die IT im Unternehmen und was sind die Erwartungen des Top Managements an die IT? Selçuk Boydak, Gründungspartner der Boydak Management Consulting, moderiert eine Diskussion zwischen Dieter Bernauer, CFO Swisscom Mobile, und Sylvia Steinmann, CIO der Swiss Re Financial Services.
Selçuk Boydak: Kaum etwas wird derzeit kontroverser diskutiert, als die Frage, ob die IT eine reine Infrastrukturleistung mit Commodity-Charakter ist oder ein echter Business Value Creator. Herr Bernauer, wie beantworten Sie diese Frage als Finanzchef des grössten schweizerischen Mobilfunkunternehmens?
Dieter Bernauer: Ich sehe die IT als unverzichtbaren Enabler, Value Creator und zugleich auch Veränderer sozialer Strukturen und individuellen Kundenverhaltens. Als Enabler von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung, bei Produkten und Serviceleistungen oder in administrativen Prozessen ist die IT in unserer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wenn die IT selbst ein direktes Kundenbedürfnis deckt, erzeugt sie eine unmittelbare Zahlungsbereitschaft und ist folglich auch unmittelbarer Value Creator. Dabei denke ich nicht nur an den PC als -Produkt, sondern in der B2C-Welt zum Beispiel an computeranimierte Filme oder im B2B-Bereich an die Konvergenz zwischen Netz- und IT-Technik, wo Server die klassische Vermittlungstechnik ersetzen. Darüber hinaus spielt die IT eine wichtige Rolle als Veränderer. Sie kann individuelle Verhaltensweisen oder soziale Strukturen nachhaltig verändern und dadurch Bedarf für ganz neue Geschäftsfelder und Umsatzpotenziale schaffen.
Selçuk Boydak: Können Sie ein Beispiel skizzieren, bei dem die IT nachhaltigen Mehrwert für Sie als Finanzchef generiert?
Dieter Bernauer: Als ich vor gut fünf Jahren in die Schweiz kam, wurde unsere Organisation geradezu mit IT-generierten Daten überschwemmt statt kunden- beziehungsweise bedarfsgerechte Informationen zu erhalten. Für jeden Sachverhalt gab es mehrere Definitionen und Zahlenvarianten. Dadurch kamen Zweifel an den Zahlen auf und misstrauensmotivierte Mehrfachanfragen des Managements standen auf der Tagesordnung. Um die Kredibilität wieder herzustellen, hatten wir zwei Möglichkeiten: Entweder noch mehr Manpower einsetzen, um die Konsistenz der Daten wieder herzustellen oder die Sache bei der Wurzel zu packen und in eine State-of-the-art IT-Architektur, neue Prozesse und Strukturen zu investieren. Wir haben uns für den letzteren Weg entschieden. Das Durchhaltevermögen wurde belohnt. Heute haben wir hohe Datenkonsistenz und Informationstransparenz. Die Effizienz in der Produktion relevanter Steuerungsinformation konnte messbar um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden. Das Vertrauen des Managements wurde zurück gewonnen, in der Folge konnten sich die dezentralen Controllingstellen auf die eigentlichen Analyse- und Steuerungsaufgaben konzentrieren und das mit reduzierten Kapazitäten.
Selçuk Boydak: Effektives Informationsmanagement ist sicher auch für die Swiss Re als eine der weltweit grössten Rückversicherungs- und Finanzdienstleistungsgesellschaften von essentieller Bedeutung.
Sylvia Steinmann:Absolut. Die Swiss Re stellt keine physischen Produkte her, wir haben auch keine Maschinenparks und Produktionsbänder. Unser Geschäft ist es vielmehr, Risiken und Kapital zu managen. Dies erfordert eine effektive Verarbeitung und Auswertung einer immensen Menge an Informationen, mit dem Ziel, jeweils die richtigen Risiko- und Renditeeinschätzungen daraus abzuleiten - und dies mit höchster Schnelligkeit und Präzision. Dass die IT hierbei eine elementare Rolle spielt und sogar ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein kann, ist völlig unstrittig. Andererseits gibt es auch Bereiche, in denen die IT weniger wettbewerbsrelevant ist und eher Commodity-Charakter hat, beispielsweise bei Themengebieten wie Netzwerkmanagement, Desktop Management und Rechenzentrums-Betrieb. Insbesondere in diesen Bereichen achtet die Swiss Re stark auf Kostenoptimierung durch Skaleneffekte. Daher denke ich, die IT ist beides: in einigen Bereichen Business Value Creator, in anderen eher eine infrastrukturelle Notwendigkeit.
Selçuk Boydak: In der globalisierten, vernetzten Wirtschaft sind wir mit einer viel grösseren Veränderungsdynamik konfrontiert, als dies früher der Fall war. Dies führt zu regelmässigen organisatorischen Anpassungen, Umstrukturierungen und auch zu häufigeren Unternehmenskäufen und -fusionen. Auch hier kommt der IT eine wichtige Rolle zu.
Dieter Bernauer: Richtig. Die IT kann über Erfolg und Misserfolg bestimmen. Die grosse Herausforderung ist, den Spagat zwischen Business-Kontinuität und Flexibilität zu meistern. Zu starre IT-Strukturen machen das Unternehmen im Wettbewerb langsam und unbeweglich. Ich habe in der Vergangenheit miterleben müssen, wie die Einführung eines integrierten Produktionsplanungs- und -steuerungssystems zur monatelangen Lähmung eines ganzen Unternehmens führte. Andererseits kann die fehlende Integration von IT-Strukturen zu grossen Ineffizienzen und erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen, die ein Unternehmen nachhaltig gefährden.
Sylvia Steinmann: Gerade im Rahmen der Integration zweier Unternehmen kann die IT entweder Bremsklotz sein oder einen entscheidenden Beitrag dafür leisten, die Stärken zweier Unternehmen erfolgreich zu kombinieren.