28.10.2014, 16:00 Uhr

Die Zukunft der Vernetzung

Vier Zukunftsvisionen zeigen, wie sich die Menschheit der zunehmenden Vernetzung anpassen könnte. Eine Reise von Utopia bis Amish.
Daten werden unsere Zukunft bestimmen. Mehr und mehr verlagert sich unser Leben in Netzwerke. Daten sind Währung, Identifikation, Kontrolle und mehr. Durch die Vernetzung werden Dinge möglich, die man vor einigen Jahren noch für unmöglich hielt. Dinge, die unsere Eltern höchstens aus Märchen kannten. Doch was passiert mit uns Menschen zwischen Daten, Robotern und autonomen Netzwerken? Das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) hat vier Zukunftsszenarien erstellt, welche diese Frage beantworten sollen. Am Anfang der Szenarien des GDI stehen zwei grundlegende Fragen: 1. Wer hat die Kontrolle über unsere Daten? 2. Wie entwickelt sich unser Wohlstand? Beide Fragen sind dicht miteinander verwoben und lassen vier Richtungen erahnen, in die es in unserer Zukunft gehen könnte. Die vier Szenarien heissen «Digital 99 Percent», «Low Horizon», «Holistic Service Community» und «Dynamic Freedom» und decken jeweils eine mögliche Kombination aus Datenkontrolle und Wohlstand ab.

Szenario 1: Digital 99 Percent

Das erste Szenario setzt eine hohe Fremdkontrolle der Daten und einen niedrigen Wohlstand voraus. Eine Technologie-Elite kontrolliert hier Daten und Maschinen und kassiert damit viel Geld. Wer nicht zu der Elite gehört, verliert. Jobs werden mehr und mehr von Maschinen übernommen. Ein grosser Teil der Bevölkerung ist entweder arbeitslos oder arbeitet ohne Perspektiven in einem eigentlich unnötigen Job. 99 Prozent der Bevölkerung ist transparent. Durch starke Vernetzung ist praktisch jedes private und berufliche Geheimnis zentral erfasst. Dank ihrer Machtposition kann sich die technologische Elite von der Transparenz ausnehmen. Die Segmentierung zwischen Arm und Reich steigt. Durch technologische Mittel wie virtuelle Realitäten und billige Gadgets wird das Volk zufriedengestellt.

Szenario 2: Low Horizon

Bei Low Horizon (Niedriger Horizont) entscheidet sich die Gesellschaft gegen die Technologie und für die Privatsphäre. Die Menschheit zieht sich aus der digitalen Welt zurück und organisiert sich regional. Gleichzeitig erhält das analoge Leben mehr Bedeutung. Ein langsames und ruhiges Leben wird geschätzt. Als Folge verlassen viele Junge und Technologiebegeisterte die Gesellschaft und suchen sich technologiefreundlichere Regionen. Technologie und Wirtschaft wachsen langsamer, bilden sich stellenweise sogar zurück. Gemeinschaften organisieren sich in sich selbst, Kontakt zu anderen Gruppierungen ist eher selten. In der extremsten Form sind solche Gemeinschaften mit einer moderneren Form der Amischen vergleichbar.

Szenario 3: Holistic Service Community

Die Holistic Service Community (Ganzheitliche Dienstleistungsgemeinschaft) entsteht durch hohe Fremdkontrolle und hohen Wohlstand. Jeder Mensch gehört einer Gemeinschaft an, die von einem Unternehmen gelenkt wird. In dem jeweiligen Ökosystem wird umfassend für die Person gesorgt. Die meisten Menschen arbeiten, leben und bewegen sich in derselben Gemeinschaft. Diese erhält von den Mitgliedern alle Daten und nutzt diese zur Verbesserung des Lebensstandards, aber auch zur Kontrolle. Durch praktisch erzwungene Big-Data-Teilnahme wächst die Technologie rasant. Der Komfort durch Technologie wächst für die Bürger ins unermessliche. Gleichzeitig herrsch totale Überwachung und Abschottung gegenüber anderen Gemeinschaften. Das führt zu konformem Verhalten und einem gewissen Gruppendruck. Die Gemeinschaft zu wechseln wird beinahe unmöglich und wegen gezielt gefilterten Informationskanälen auch für die Meisten nicht wünschenswert.

Szenario 4: Dynamic Freedom

Das vierte Szenario könnte auch als Utopie bezeichnet werden. Bei Dynamic Freedom (Dynamische Freiheit) treffen hohe Selbstkontrolle der Daten auf hohen Wohlstand. Das Netz wird zum Instrument der Menschen, nicht umgekehrt. Durch die Wichtigkeit des Netzes und gleicher Möglichkeiten für alle Teilnehme entwickelt sich die Technologie rasant. Zudem bewegt sich das Netzwerk weg von zentralen Servern und hin zu dezentralen Systemen, bei denen jeder Teilnehmer gleichgestellt ist. Dadurch steigt die Wichtigkeit des Individuums. Einzelne Personen und kleine Interessensgruppen lösen grosse Unternehmen ab. Marktplätze werden bedeutsamer. Durch bessere Möglichkeiten einzelner Personen sinkt die Schere zwischen Arm und Reich. Der Mensch strebt stärker nach Lebensqualität, statt nach Macht und Reichtum. In der Politik verlieren traditionelle Zentralgewalten an Bedeutung. Ein offenes, basisdemokratisches Netz verwaltet sich selbst. Einzig ein zentrales Notfallsystem ist denkbar. Die vollständige Studie «Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft» kann von der Webseite des GDI kostenlos heruntergeladen werden. Eine ausführliche Erklärung zur Automatisierung der Welt gibt es von YouTuber CGP Grey (Englisch).



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