16.06.2005, 13:30 Uhr
Keine Trauer nach Apple-Korb
Nachdem Apple dem Power-Prozessor den Rücken gekehrt hat, ist IBM sehr darum bemüht, ihr angekratztes Image aufzupolieren. Big Blue will jetzt der Welt beweisen, dass der Power-PC keineswegs zum alten Eisen gehört. Dabei setzt IBM auf den kommenden Cell-Prozessor.
Nachdem Apple in der letzten Woche den Power-PC-Prozessoren von IBM mit grossem Tamtam einen Korb gegeben hat und zur Branchenprimadonna Intel übergelaufen ist, will Big Blue jetzt der Welt beweisen, dass der Power-PC keineswegs zum alten Eisen gehört. Ganz im Gegenteil: Die Power-Plattform soll sogar zum dominierenden Industriestandard werden, lässt IBM hochtrabend ausrichten. Für dieses Projekt hat sich die Herstellerin bereits Rückendeckung gesichert. So hat sie in der vergangenen Woche elf weitere Mitglieder in ihre bislang 16-köpfige Power.org-Gemeinde gelockt, einem Zusammenschluss von Unternehmen, die die Prozessorarchitektur unterstützen.
Richtig abheben soll die Architektur mit dem kommenden Power-basierten Cell-Prozessor, den IBM gemeinsam mit Sony und Toshiba entwickelt hat. Freilich setzt sie dabei in erster Linie auf den Spielkonsolenmarkt, der laut der Marktforscherin In-Stat von heuer 3,5 Millionen verkaufte Geräte bis 2008 auf gut 33,5 Millionen abgesetzte Konsolen zulegen soll.
Aber auch jenseits des Gamingsegments soll der Cell abheben. Dafür hat Big Blue jetzt an der Power.org-Konferenz dieser Tage in Barcelona die Spezifikationen des Prozessors sowie die entsprechenden Quelltexte für die Nutzung der insgesamt neun Cores veröffentlicht. Damit sollen Programmierer das Rechenherz für andere Einsatzzwecke umkonfigurieren können. Wie IBM zu Protokoll gibt, hätten sich bereits zwei Unternehmen gefunden, die Cell ausserhalb des Spielbereichs einsetzen wollen. Die Namen der beiden Firmen wollte Big Blue nicht bekannt geben. Sie lässt aber verlauten, dass eine im Bereich der medizinischen Bildverarbeitung tätig ist, und die andere den Chip für militärische Anwendungen flott machen will.
Wirtschaftlich gesehen ist die von Apple eingereichte Scheidung für IBM kein allzu grosser Verlust. Am Image gekratzt hat sie aber allemal: «Der Power hat mit Apples Abschied deutlich an Glanz verloren», kommentiert etwa Illuminata-Analyst Gordon Haff. Sein Kollege Charles King, IT-Analyst bei der Marktbeobachterin Pund, meint aber: «Die baldige Verfügbarkeit von Cell wird die Apple-Abkehr ganz schnell vergessen machen.»
Claudia Bardola