08.01.2010, 10:00 Uhr

Swisscom streicht 600 Stellen

Zu teuer und deshalb zum alten Eisen geworfen: ältere und langjährige Angestellte sind bei Swisscom nicht mehr gern gesehen. In den nächsten Monaten will der Telekom-Gigant deshalb über 600 Stellen streichen. 370 erhalten den blauen Brief.
Swisscom plant im ersten Halbjahr 2010 über 600 Stellen zu streichen. 370 Mitarbeitende erhalten die Kündigung, der Rest soll durch natürliche Fluktuation abgebaut werden, sagen gut unterrichtete Quellen. Betroffen von den aktuellen Reorganisationsmassnahmen seien immer häufiger ältere und langjährige Mitarbeitende, sagt Isabella Lauper, Berner Regionalsekretärin bei der Gewerkschaft Kommunikation, auf Anfrage von Computeworld. ,,Bei Swisscom findet eine schleichende Veränderung und ein Generationenwechsel statt", sagt Lauper. Es würden sich in letzter Zeit Fälle häufen, bei denen älteren und zum Teil sehr langjährigen Mitarbeitenden gekündigt wird. Als Beispiel nennt Lauper eine Gruppe von 15 Personen in der Produktentwicklung in Bern. ,,Deren Wissen reicht offenbar nicht mehr aus und sie werden entlassen. Früher hätte man solche Leute umgeschult und nicht auf die Strasse gestellt", sagt Lauper und sieht den Grund für die härtere Gangart in den hohen Lohnkosten: Langjährige Swisscom-Mitarbeitende, die zum Teil noch bei den PTT ausgebildet wurden, erhalten viel höhere Löhne als junge, neue Leute. Lauper sagt, dass sich vermehrt Swisscom-Mitarbeitende bei der Gewerkschaft melden, die aus fraglichen Gründen entlassen werden. ,,Doch viele trauen sich auch nicht, zu uns zu kommen, weil sie Repressalien befürchten oder sich von Swisscom noch irgendeinen Vorteil versprechen."
Konkret weist Lauper auf ein früher eingesetztes Beschäftigungsprogramm hin, bei dem man über 50-Jährige weiter zu beschäftigen veruschte: ,,Das Programm existiert zum Teil nur noch auf dem Papier", sagt sie. Beispiele seien etwa Teamleader, die vermehrt durch junge Mitarbeitende ersetzt werden. Es fänden zwar sogenannte Performance-Dialoge statt, die für Betroffene positiv zu verlaufen scheinen, dann aber doch ,,in Einzelfällen schäbige Entlassungen zur Folge haben". Dass Swisscom die Lohnkosten, notabene in allen Regionen der Schweiz, optimiere, werde nämlich nicht gerne kommuniziert. ,,Es handelt sich eigentlich um eine wirtschaftliche Optimierung, aber dazu steht man natürlich ungern."
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Schreckgespenst ,,Skill Change"
Die zur Zeit in der Umsetzung befindlichen Massnahmen haben sich bereits nach den letzten Sommerferien angekündigt. ,,Seit Anfang September geht die Angst vor allem bei älteren Mitarbeitenden um", sagt einer der Betroffeneen, der nicht namentlich genannt werden möchte, zu Computerworld. Kader müssten eine Liste aller Mitarbeiter erstellen und diejenigen benennen, die nicht genügend Leistung bringen oder die den Anforderungen nicht mehr gerecht werden. In gewissen Abteilungen werde von Managern gefordert, bis zu 30 Prozent der Angestellten auf eine schwarze Liste zu setzen. Ein weiterer Betroffener, selbst bald 60 Jahre alt, erhielt die Kündigung, während sein Teamkollege, der 30 Jahre jünger und erst seit Kurzem im Unternehmen ist, bleiben konnte. Früher, so sagt er, hätte man den jüngeren entlassen, weil dieser einfacher eine neue Stelle findet. ,,Diese Zeiten sind vorbei. Heute gehöre ich bei Swisscom zum alten Eisen."
Beim Personalverband Transfair beobachtet man diese Entwicklung mit Besorgnis: ,,Langjährige Mitarbeiter bilden ein grosses Potenzial für ein Unternehmen und können auch in fortgeschrittenem Alter noch weitergebildet und umgeschult werden", sagt Robert Métrailler, bei Transfair für den Bereich Telekommunikation verantwortlich. Allerdings kann Transfair lediglich Vorschläge unterbreiten und sich dafür einsetzen, dass möglichst viele Angestellte umgeschult, weitergebildet und intern versetzt werden, um Entlassungen zu verhindern. Auch stelle sich die Frage, ob mit dem Abbau von Überstunden Stellen gerettet werden können. ,,Unsere Mittel sind allerdings beschränkt. Die definitiven Entscheidungen werden von Swisscom getroffen", bedauert er die Situation. Die nächsten Gespräche zu den laufenden Restrutkurierungsmassnahmen fänden im Februar und März statt, sagt Métrailler.
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Durchschnittsalter höher als bei Konkurrenz
Zu den Aussagen der Gewerkschaft Kommunikation meint Métrailler, dass das Durchschnittsalter bei Swisscom bedeutend höher sei als in der Branche. In gewissen Bereichen liege es gar bei 45 bis 50 Jahren. Ein Blick auf den Bericht des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) zu den Arbeitsbedingungen bei Fernmeldeanbietern (vom 20. März 2006) bestätigt die Vermutung: Das Durchschnittsalter bei allen Unternehmen beträgt 37, schwankt aber zwischen 28,8 und 39,7 Jahren. Es ist anzunehmen, dass die Altersstruktur bei Swisscom am oberen Ende anzusiedeln ist, analog den Werten zur Beschäftigungsdauer: Je nach Anbieter sind die Angestellten durschnittlich zwischen 1 und über 10 Jahre im Betrieb. ,,Die Streuung zwischen den Anbietern ist aufgrund der unterschiedlichen Dauer der Marktpräsenz gross", heisst es im Bakom-Bericht. Und weiter: Je höher das Alter, desto länger die Beschäftigungsdauer. Es werde vermutet, dass ,,die Bereitschaft beziehungsweise die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln, mit zunehmendem Alter abnimmt".
Der Bakom-Bericht beleuchtet zu diesem Thema zwei weitere wichtige Aspekte: Erstens steigt der Durchschnittslohn mit der Beschäftigungsdauer und zweitens schwanken die Jahreslöhne zwischen den einzelnen Anbietern enorm. Bei der Firma mit den tiefsten Löhnen beträgt der Jahreslohn (Median) 62'385 Franken, bei der mit dem höchsten Wert ist er mit 152'962 Franken mehr als doppelt so hoch. Dass Swisscom wegen der langen Marktpräsenz und der daraus resultierenden überdurchschnittlichen Beschäftigungsdauer auch im Bezug auf das Durschnittsgehalt oben aus schwingt, ist also anzunehmen. Drängt Swisscom deshalb zunehmend seine älteren Arbeitnehmer aus der Firma, um Lohnkosten zu sparen und so die ,,Performance" zu steigern?
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Anpassungen nötig, Abgänge feudal, Nachgeschmack bitter
Swisscom-Sprecher Sepp Huber weist den Vorwurf zurück: ,,Dies würde nicht unserer Personalpolitik entsprechen." Auch den scheinbar geplanten Abbau von 600 Stellen innerhalb des nächsten halben Jahres bestätigt Huber nicht. Die Bedenken der Sozialpartner zu den jüngsten Entwicklungen könnte man allerdings zwischen den Zeilen bestätigt finden, meint doch Huber, das Angebot an Arbeitsplätzen sei stark von der Nachfrage und der technologischen Entwicklung von Swisscom abhängig. Während in gewissen Bereichen Stellen aufgebaut würden, verkleinere sich in anderen das Angebot und strukturelle Anpassungen seien notwendig, damit Swisscom ,,für die Zukunft gerüstet" sei.
Huber sagt, dass dort, wo Stellen abgebaut werden müssen, ein gut ausgebauter Sozialplan bestehe. In der Tat sind -- bei aller Härte für die einzelnen Betroffenen -- die Bedingungen überdurchschnittlich. So wird die persönliche Situation wie Alter und Beschäftigungdauer berücksichtigt und Swisscom verfügt mit Worklink über eine Tochterfirma, die für Outplacement zuständig ist, die berufliche Wiedereingliederung von Entlassenen unterstützt und individuelle Einsätze bis zur Pensionierung koordiniert. So kann zum Beispiel ein der Computerworld bekannter älterer Mitarbeiter zwischen Frühpensionierung oder einer fortgesetzten Bezahlung von 16 Monaten wählen. Zusammen mit der Kündigungsfrist bedeutet dies immerhin, dass ihm noch fast zwei Jahre der Lohn weiterbezahlt wird und er gleichzeitig Anstellungen ausserhalb von Swisscom annehmen kann. Dennoch ist eine Kündigung für ältere Angestellte bitter, arbeiten doch viele in Monopolberufen und haben es deshalb zusätzlich schwer, in ihrem fortgeschrittenen Alter nochmals eine Stelle zu finden. So wird der einzelne Betroffene das Gefühl, bei Swisscom zum alten Eisen zu gehören, auch bei bester finanzieller Unterstützung nicht einfach los.
Markus Häfliger



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