31.03.2016, 17:36 Uhr

«Das Spannende am Digitalen ist das Disruptive»

Schweizer Unternehmen haben einen höheren digitalen Reifegrad als vor einem Jahr. Das besagt eine Studie der Uni St. Gallen, die im Vorfeld des Swiss IM Forums vorgestellt wurde.
Wie Unternehmen die Digitale Transformation in Angriff nehmen und wo sie im Branchenvergleich stehen, wird zunehmend wichtiger. «Vor allem grosse Unternehmen haben Geld in die Hand genommen und hinsichtlich ihrer digitalen Reife aufgeholt», sagt Prof. Dr. Andrea Back, Direktorin der Universität St. Gallen. An einer Medienkonferenz im Vorfeld des von Uvision durchgeführten Swiss IM Forums (21. April / Swissôtel Zürich / http://www.im-forum.ch/) stellte Back den «Digital Maturity & Transformation Report 2016» vor. 
Zum zweiten Mal haben das Institut für Wirtschaftsinformatik und das Beratungsunternehmen Crosswalk die digitale Reife von Unternehmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich gemäss des eigens dafür entwickelten «Digital Maturity Model“ untersucht. Teilgenommen haben insgesamt 547 Teilnehmer aus 417 Unternehmen (69% davon aus der Schweiz).  
Laut Studie erreichten im vergangenen Jahr Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden die höchsten Reifegrade auf allen Ebenen. Auch, weil sie flexibler agieren können, so Back. Mittlerweile weisen aber grosse Unternehmen die besten Werte auf. Eine weitere positive Nachricht: Die Digitale Transformation findet zunehmend Beachtung im Top-Management und rückt in dessen Fokus. Keine Überraschung: Unternehmen aus dem Bereich IT/Telekommunikation erreichten die höchsten Reifegrade. Wie bereits im letzten Jahr wurden auch heuer die niedrigsten Reifegrade bei Unternehmen aus der Industrie beobachtet. Was ebenfalls auf den ersten Blick erstaunt: Die Banken haben nachgelassen. Was aber durch eine hohe Teilnehmerzahl von mittelständischen Banken zu erklären sein dürfte.

Mehr Kundenerlebnisse!

Generell Aufholbedarf gibt es bei der Customer Experience und Prozessdigitalisierung. In diesen beiden Bereichen wurden branchenübergreifend die niedrigsten Erfüllungsgrade erzielt. Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass Unternehmen mit einem hohen Reifegrad den Erfolg ihrer Digitalen Transformation bedeutend positiver beurteilen als jene mit niedrigem Reifegrad. Und das sowohl in Bezug auf wirtschaftliche Ziele, als auch hinsichtlich Innovationsführerschaft und bei der Erschliessung neuer Geschäftsfelder. Teilnehmer des IM Forums können sich das «Digital Maturity Model» vor Ort genauer ansehen und ihr Unternehmen zu Vorzugskonditionen einem Maturity Check unterziehen. In unserer ersten Computerworld-Ausgabe nach dem Relaunch, die am 20.5. erscheint, werden wir noch ausführlicher auf die Studie der Universität St. Gallen eingehen, inklusive Branchenauswertungen. Nächste Seite: Digitalisierung in der Energiebranche

Agile Wettbewerber

Die Digitale Transformation macht vor keiner Branche halt. «Die Energieversorger werden sich künftig in einem Markt bewegen müssen, in dem viele neue Player mitspielen», weiss auch Kurt Lüscher, CEO vom Energiekonzern energie360°. «Die Digitalisierung wird den Energiemarkt aufmischen», sagt Lüscher. Agile Wettbewerber mit schlanken Strukturen und globaler Präsenz drängen zunehmend ins «klassische» Geschäft. Hinzu kommen gesellschaftliche, technologische und regulatorische Veränderungen im Markt.
Lüscher ist vor allem auf die Disruption fokussiert. Die Frage, die man sich stellen müsse sei, mit welchen Produkten man sich selbst ersetzen oder besser neu erfinden wolle, bevor man durch andere ersetzt werde. Was disruptive Technologien anbelangt, steht die Energiebranche nicht gerade an der Spitze. «Hier müssen wir etwas tun. Das bedarf Mut, man muss auch mal etwas ohne Businessplan tun», sagt Lüscher.

Den Markt suchen

Auch die Bauwirtschaft/Immobilienbranche ist im Vergleich zu anderen Branchen eher träge, konservativ und komplex strukturiert. «Wir sind gezeichnet von vielen – auch digitalen – Schnittstellenbrüchen», erklärte Ivo Lehnherr, Inhaber und Partner von Fugazza Steinmann Partner, an der Medienorientierung. Der zentrale Punkt sei heute sich zu entscheiden, ob man sein Unternehmen «nur» in die digitale Welt führen oder selbst ein digitales Geschäftsmodell, wie es Uber oder airbnb vormachen, haben und sich den Markt dazu suchen wolle. «Im deutschsprachigen Raum gibt es Unternehmen, die mit der Transformation begonnen haben, mehr nicht», so Lehnherr.
Auch für Ralf Glabischnig, Partner beim Beratungsunternehmen inacta, ist das Spannende am Digitalen das Disruptive. Er zweifelt an, ob Unternehmen, nur weil das Thema in die Geschäftsetagen vorgedrungen ist, tatsächlich schon digitaler sind. Seiner Einschätzung nach finde der Einsatz digitaler Instrumente noch nicht oder zu wenig statt. «Wer heute noch nicht begriffen hat, dass die Digitalisierung das Kernthema ist, der ist im falschen Job.» Glabischnig warnt davor, sich nicht links (USA) und rechts (Osteuropa) überholen zu lassen. Wenn wir jetzt nicht Gas geben, werde es in fünf Jahren zu spät sein.
In Kürze wird es auch eine Einschätzung zur Reife der Digitalisierung der Schweizer Banken geben, wie GFT-Managing-Director Daniel Rutishauser ankündigte. Die Ergebnisse der «Digital Banking Umfrage» werden Anfang April veröffentlicht. Die Hauptherausforderungen im Finanzsektor liegen laut Umfrage erwartungsgemäss in den Bereichen Sicherheit und Datenschutz, im konsistenten Kundenerlebnis inklusive Omni-Kanal-Fähigkeiten und der Einhaltung regulatorischer Auflagen. Nächste Seite: Vorschau Swiss IM Forum

Keynotes am IM Forum

Die Themen am bevorstehenden Swiss IM Forum drehen sich um die Frage, ob die Schweizer Unternehmen für die Digitale Transformation agil genug sind und ob sie im Management eine neue Innovationskultur geschaffen haben, die disruptive Technologien fördert und deren Geschäftsmöglichkeiten miteinbezieht. Unter den Titeln «Strategy Briefing Silicon Valley: The Next Level of Successful Companies» sowie «Perspektive 2020: Artificial Intelligence – was wirklich auf uns zukommt mit der Digitalen Revolution» wird Lars Thomsen, einer der weltweit führenden Zukunftsforscher, zwei der Keynotes am Forum halten. Als weitere Speaker sind unter anderem Martin C. Wyss, ABB, Umberto Zanchi, GFT, Remo Schmidli, ZKB, Kurt Lüscher, energie360°, Dr. Evangolos Avramakis, Helsana Versicherungen, Violeta Vogel, PostFinance, sowie wiederum Prof. Dr. Andrea Back zu erwarten. Computerworld wird als Medienpartner vom Forum berichten.



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