Gartner Symposium/ITxpo 07.11.2016, 20:31 Uhr

Expresskurs «ICT 2020» für 7'000 CIOs - die Highlights

7000 CIOs studieren auf dem Gartner Symposium, wie die digitale Transformation funktioniert. Jetzt wirklich. Das Event gilt als wichtigstes der Branche. Auf der Agenda stehen: CyberSecurity, FinTechs, InsurTechs, Trends 2020, digitale Strategien, Bits, Bots und Business.
7000 CIOs bekamen zum Auftakt bei Gartner erst einmal eine Lektion in Benimm-Dich-richtig verpasst. Es ist nämlich so: Unser Millionen Jahre altes Reptiliengehirn, jeder von uns hat davon (leider) noch einen kleinen Teil im Kopf, steckt jeden Fremden in eine von vier Kategorien ein: Freund, Feind, gefährlicher Jäger und Sex-Partner. Ja so ist das: Da können Sie noch so intelligent daher reden  und ein strategisches Superhirn sein. Wer seine Zuhörer nicht auch mit emotionalen Freund-Botschaften überzeugt, fällt durch. Innerhalb von Sekunden, auch als Chef oder CIO. Manchen Menschen ist natürliche Herzlichkeit angeboren, andere sollten sie zumindest erfolgreich fingieren, riet Mark Boden, Experte für Human Behaviour and Body Language bei Truthplane. Wie macht man das? Offene, einladende Gesten mit Armen und Händen zum Beispiel - eine Art Lächeln mit Hintergedanken. Eigentlich eine Platitüde, aber es funktioniert. Derart auf effektive Kommunikation getrimmt stürzten sich 24 000 Teilnehmer - davon 7000 CIOs - in die mehreren hundert Gartner-Sessions.

Gartner prägt die Zukunft

Böse Zungen behaupten, Gartner sei deshalb so erfolgreich, weil zehntausende IT-Führungskräfte sich von ihnen beraten lassen und dann genau das tun, was Gartner sagt. Die Zukunftsprognosen, die Gartner auf seinen Summits präsentiert, werden dadurch zur «Self-fulfilling Prophecy». Gartner schaut nicht in die Zukunft, Gartner prägt die Zukunft. Keine grosse Kunst also, die Sache mit der Hellseherei, oder doch? Peter Sondergaard ist ein glänzender Redner und ein brillianter Rhetoriker. Die digitale Transformation krempelt gerade unsere Gesellschaft, unsere Arbeitswelt, unsere Wirtschaft und die IT um, fängt sagt an. CIOs spielen darin eine Schlüsselrolle und seien wieder als Kreatoren gefragt. Denn sie - wer sonst - müssen eine neue digitale Plattform bauen. Das war Balsam auf die Seelen der IT-Chefs, die in ihren Unternehmen ja häufig noch als blosse Kostenfaktoren verunglimpft werden. Aber das sei grundfalsch: IT sei ein Asset, ein treibender, kreativer Erfolgsfaktor. Nächste Seite: die neue 5-Komponenten-Plattform

Gartners neue 5-Komponenten-Plattform

Sondergaars, seines Zeichens Senior Vice President bei Gartner Research, hat fünf Komponenten der neuen digitalen Plattform identifiziert: IT-Systeme, Kunden, Dinge, analytische Intelligenz und Eco-/Partner-Systeme. Man fragt sich schon, warum die Analystenhäuser immer wieder neue digitale Plattformen erfinden müssen. Aber Sondergaart argumentierte recht überzeugend. Bis 2020, also in vier Jahren, gibt es weltweit 63 Millionen Web-Connects pro Sekunde und Milliarden mobiler Devices, die Unmengen von Daten generieren. 2020 nutzen 30 Prozent der Unternehmen Echtzeit-Analytics, um diesen Daten-Tsunami zu bändigen. 20 Prozent der grossen Firmen werden einen Experten anheuern, der ihre neuronalen Netzwerke, die Netze der künstlicnen Intelligenz, trainiert. Mit dem Ziel, sie in Kundenberatung, Mitarbeiterschulung, Datenanalyse, Verkauf und Marketing einzusetzen.

Partnern mit Mega-Bots, geht das?

Partnernetze, immer wieder Partnernetze (Ecosystems). Das Thema zog sich wie ein roter Faden durch die allermeisten Gartner-Sessions. Ecosysteme sind die Zukunft der Digitalisierung. Der Versicherungsbranche etwa rät Kimberly Harris-Ferrante von Gartner, mit InsurTechs, Kunden, Konkurrenten und auch Mega-Bots zu partnern. Jungen Menschen sei Besitz nicht mehr so viel wert wie der älteren Generation. Sie präferieren die Sharing Economy. Das macht neue On-Demand-Versicherungsangebote nötig. Autonome, selbstfahrende Fahrzeuge werden auf unseren Strassen rollen. Diese Technologietrends lassen ganz neue Versicherungsanbieter entstehen, und für die alteingesessenen Unternehmen kommt es darauf an, die neue Konkurrenz zu verstehen. Die Zürich Versicherung finanziert den autonomen Elektrobus CityMobil2, der in der Baskenmetropole San Sebastian eingesetzt werden soll. Die Anlagespezialistin Liverpool Victoria setzt automatisierte «Wealth Wizards» ein, um ihre Kunden zu beraten. Nächste Seite: 2021 sind 35 Prozent aller Banker arbeitslos

2021: 35 Prozent aller Banker arbeitslos

Gartner-Fellow David Furlonger sieht dunkle Wolken am Himmel der Banken und Finanzhäuser. 2021 würden 35 Prozent der heutigen Banker auf der Strasse stehen, prognostiziert er. Die Banken hätten in den letzten Jahren im goldenen Himmel der Glückseeligen gelebt, aber diese Zeiten sind nun vorbei. «Blockchain ist eine ernste Sache und wird in fünf Jahren Realität», sagt Furlonger. Für die Banken sei jetzt der Kodak-Moment gekommen. Der Hersteller von Filmen und Fotografie-Utensilien Kodak hatte seinerzeit selbst einen Prototypen einer digitalen Kamera entwickelt, ihm aber zu wenig Bedeutung zugemessen. Ein Riesenfehler - heute gibt es - bekanntlich - die Kodak nicht mehr. DigiTech hat ihr den Kopf gekostet. Das darf den Finanzhäusern nicht passieren. «Finite Players play within boundaries, infinite Players play with boundaries» (Engstirnige Firmen halten sich an Regeln, smarte Firmen erfinden eigene Regeln) - wieder so ein cooler Gartner-Spruch, der sich gar nicht richtig übersetzen lässt. Viele Finanzhäuser lebten noch in ihrer Supertanker-Welt und könnten nur sehr langsam umsteuern. Das ist für sie ein Problem, denn agile FinTechs - ein Paradebeispiel der «infinite Players» - machen sich gerade daran, den Markt zu neu aufzurollen. Die Supertanker - Banken und Finanzhäuser - wissen das auch. Aber was genau sie tun müssen, wissen sie nicht: 70 Prozent der Banker auch in der Schweiz ist klar, dass ihnen Gefahr von neuen hochdigitalisierten Startups ausserhalb des Finanzwesens droht. 

Cybersicherheit 2020

Gartners John A. Wheeler referierte über die Zukunft der Cybersicherheit 2020. Der DDoS-Angriff auf den DNS-Provider Dyn habe gezeigt, dass sich niemand mehr sicher fühlen könne. Am 21. Oktober dieses Jahres wurde Dyn mit 1,2 TeraBit pro Sekunde angegriffen, Twitter, Netflix und viele andere Dienste waren für Stunden kaum erreichbar. Web-Kameras, Babyphones und andere IoT-Geräte waren in ein Botnetz eingespannt, das die Angreifer dirigierten. Die Sicherheitsrisiken haben sich von der Kern-IT auf die Peripherie (edge) verlagert, schlussfolgert Wheeler. Darunter leiden besonders stark digitalisierte Firmen, also die Leader der Digitalisierung. Bis 2020 werden 60 Prozent von ihnen versagen, weil sie nicht in der Lage seien, die neuen Digital-Risiken (wie das IoT) abzuwehren. Bis 2020, so mutmasst Wheeler, würden 30 Prozent der Grossunternehmen einen Digital Risk Officer beschäftigen. Nächste Seite: das neue «people-centric»-Sicherheitskonzept Das grösste Sicherheitsrisiko in Sachen Datenklau und Sabotage seien aber die eigenen Mitarbeiter. Um dem vorzubeugen plädiert Wheeler für ein «People-centric»-Sicherheitskontzept. «Vertrauen Sie ihren Mitarbeitern, schaffen Sie Freiräume für autonomes Arbeiten und für autonome Entscheide, machen Sie ihre Mitarbeiter für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen verantwortlich», riet Wheeler den anwesenden CIOs. Das ist das genaue Gegenteil eines streng hierarchisch organisierten und regelbasierten Unternehmens. Sein einleuchtendes Argument: «Wenn Sie ihre Mitarbeiter wie Dummköpfe behandeln, werden sie sich auch wie Dummköpfe benehmen».

Smarte Algorithmen - das Gold der Digitalisierung

Daten galten mal als das Öl der digitalen Wirtschaft. Aber auch das stimmt nicht mehr. Das neue Gold der Digitalisierung sind Algorithmen. Nach der digitalen Ökonomie ist die Herrschaft der Algorithmen der nächste Schritt auf der Reise in die digitale Zukunft, ist Gartners Stephen Prentice überzeugt. Prentice referierte über digitale Disruptoren, wie sie funktionieren, wie sie unsere Welt verändern. Algorithmen sind die neuen Stars, noch stärker als auch schon. 90 Prozent aller Daten sind unstrukturiert, und wurden in den letzten zwei Jahren generiert, auch von uns, auf Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat. Weltweit werden 2,5 Millionen E-Mails pro Sekunde versandt, Tendenz weiter steigend. Pro Stunde gehen 500'000 neue Devices ans Netz. Nur Algorithmen steigen da noch durch. Anwendungen gibt es bereits viele: Anlage-Roboter, Risikoanalysen, Kreditwürdigkeitstests, Big-Data-Analysen im Gesundheitswesen, Fitnessarmbänder, risikokalkulierte Versicherungspolicen und Rabatte. Schön und gut. Die Dateninvasion und ihre Monetarisierung durch smarte Algorithmen wirft aber auch neue rechtliche und ethische Fragen auf. «If you are not paying for the product, you are the product» (Wenn Du für ein Produkt nichts bezahlst, bist Du selbst das Produkt). Wem gehören die Daten? Wer darf was damit tun? Für die Anworten auf diese Fragen ist ein gesellschaftlich tragfähiger Konsens noch nicht gefunden.



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