Die Digitalisierung ist im Klassenzimmer angekommen

Augmented Reality im Handwerk

Auch im Bereich der beruflichen Ausbildung greift der Einsatz von Software um sich und zwar über die kaufmännischen Berufe hinaus, wie Professor Pierre Dillenbourg von der ETH Lausanne (EPFL) aufzeigte.
Professor Pierre Dillenbourg von der ETH Lausanne (EPFL) sprach an der Konferenz Transform von der Berner Fachhochschule über Möglichkeiten von Augmented Reality Software in der Berufsausbildung.
Quelle:

NMGZ/Computerworld

Ein Beispiel ist Simpliquity. Eine AR-Software, mit deren Hilfe die Logistikausbildung unterstützt wird. Die Applikation kann etwa auf ein Pult über einen speziellen Projekter mit Scanner-Einheit ein Lagerhaus projizieren. Auf der projizierten Fläche können die Lernenden Regale hin und her schieben. Die Anwendung berechnet dann, wie effizient die Regale bestückt werden können, oder wie der Warenfluss optimiert werden muss.
Auch Zimmermänner profitieren in der Lehre von AR-Software. Die Lernenden müssen zweidimensionale Bauzeichnungen verstehen und daraus Elemente eines dreidimensionalen Hauses bauen, wie etwa einen Dachstock. In einem ähnlichen Setting wie bei der Logistikausbildung können dreidimensionale Holzblöcke auf einer Oberfläche platziert und daneben zusätzliche Informationen projiziert werden. Das können beispielsweise zweidimensionale Bauzeichnungen sein.
Als drittes Beispiel zeigte Dillenbourg eine VR-Software die Landschaftsgärtner bei der Planung von Pflanzungen unterstützt. Hierfür macht der Gärtner eine Aufnahme mit einer Drohne. Die Daten werden auf eine VR-Brille gespielt. Anschliessend kann der Gärtner in der virtuellen Welt Bäume, Blumen und Büsche platzieren und sich zwischen ihnen bewegen.

Juristen und Robolawer

Bis zu vier Gigabyte an juristischen Texten beherrscht ein Jurist. Das ist nichts im Vergleich zu Datenmengen, wie sie etwa bei komplexen Wirtschaftsdelikten anfallen.
Hinzu kommen unzählige Publikationen über juristische Fälle. Ein weiterer Trend sind neue Player wie juristische Anbieter, die etwa Fluggästen helfen, bei Verspätungen zu ihrem Recht zu kommen.
Juristen werden sich also mit neuen digitalen Technologien auseinandersetzen müssen. Schweighofer verwies auf Automatisierungslösungen in Berichen wie Forderungen von Kleinstbeträgen, Vollstreckungsanordnungen, Dokumentenautomation. Sogenannte Robolawyer setzen bereits heute automatisch Briefe auf, etwa bei der Wahrnehmung von Fluggastrechten. Über dies könnten digitale Gerichtshöfe entstehen, etwa im Bereich der Mediation.
Juristen müssen künftig juristische Tools für etwa für die Recherche kennen und einsetzen können, schlussfolgert Schweighofer. Das heisst, dass die Hochschulen hier ansetzen müssen. In den juristischen Fakultäten komme diese Erkenntnis allerdings erst allmählich an.

Weiterbildung als Self Empowerment

Eines ist klar: Wer morgen noch einen Job haben möchte, muss heute eine Weiterbildung beginnen und sich digitale Fähigkeiten aneignen. Es muss kein komplettes Informatikstudium sein. Meist genügt es, wenn man bei Projekten mitreden und Grundlagen mitbringt.
Professor Marcel Salathé, Direktor der EPFL Extension School, sieht grosses Potenzial in der individuellen Weiterbildung.
Quelle:
NMGZ/Computerworld
Ein entsprechendes Angebot hat die EPFL mit ihrer Extension School geschaffen. In Online-Lehrgängen können sich Weiterbildende Anwenderwissen in Bereichen wie IT-Security oder Data Science aneignen.
Es gibt Kurse, die einen zeitlichen Aufwand von 150 Stunden erfordern und Programme mit einem Aufwand von 400 bis 600 Stunden. Für die Programme erhalten die Teilnehmer nach Abschluss von der EPFL ein Certificate of Open Study, das durch den Bund anerkannt ist. Professor Marcel Salathé, Direktor der EPFL Extension School, sieht darin eine Möglichkeit des Self Empowerments.
Aus der Industrie unterstützen Partner wie Swisscom das Projekt, wie Salathé erklärte. Wenn sich seine Vision erfüllt könnte in fünf Jahren die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung Grundlagen in den Bereichen technische Kompetenz und Programming Skills erarbeitet haben.
Alles wäre vorhanden.

Auf dem Weg zum Weltmeistertitel im Fussball?

Auch im Sport greift die Digitalisierung um sich. Der Softwarekonzern SAP unterstützte etwa die deutsche Fussballnationalmannschaft auf dem Weg zu ihrem letzten Weltmeistertitel.
An der  Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen (EHSM) forscht man an der Entwicklung von Algorithmen, um Trainern digitale Instrumente an die Hand zu geben. Das ist gar nicht einfach. Oder in den Worten von  Martin Rumo von der EHSM: «Fussball ist das komplexeste Ding, dass es auf dem Planeten gibt. Man kann das nicht alles in Zahlen packen.»
Martin Rumo, EHSM: «Fussball ist das komplexeste Ding, dass es auf dem Planeten gibt. Man kann das nicht alles in Zahlen packen.»
Quelle:
NMGZ/Computerworld
Am Ende schaffte es Rumo mit seinem Team dann doch. Im Vorfeld hatten sie sechs umfassende Interviews mit je drei UEFA-Pro-Lizenz-Trainern und drei Auswahltrainern geführt. Aus den zahlreichen Statements extrahierten die Forscher verschiedene Konzepte, wie etwa das Pressing. Doch wie entsteht ein digitales Modell aus dem Spielzug?
Rumo fragte einen U-18-Trainer, wie er Pressing misst. Dieser achtet darauf, wie viele Spieler, wie lange und mit welcher Geschwindigkeit zum Ball laufen. Ein Aha-Moment für Rumo. Daraus konnte er die Grössen Position, Laufrichtung und Geschwindigkeit ableiten und mittels mathematischer Methoden einen Pressingindex entwickeln, mit dem Trainer nun Pressing-Situationen digital analysieren können.
Vielleicht ein weiterer Schritt auf dem Weg zum ersten Weltmeistertitel der Schweizer Fussballnationalmannschaft.



Das könnte Sie auch interessieren