23.06.2011, 10:01 Uhr
Datenroaming bleibt ein teurer Spass
Swisscom hat neue Angebote fürs mobile Surfen im Ausland lanciert. Die Datenroaming-Tarife des Schweizer Telekom-Riesen und der anderen helvetischen Anbieter sind aber noch immer wesentlich teurer als im benachbarten EU-Ausland. Computerworld hat nachgefragt, warum das so ist.
Pünktlich zum Ferienbeginn bringt Swisscom per Anfang Juli 2011 neue Datenroaming-Pakete auf den Markt. Für eine Tagespauschale von 24 Franken erhalten Nutzer dabei 50 MB Datenvolumen. 200 MB gibts für 74 Franken pro Monat. Den meisten Kunden bringen diese Optionen aber keinerlei Vorteile, meint Comparis.ch. Von diesen Tarifen würden lediglich Vielnutzer profitieren. «Der durchschnittliche Konsument bleibt auf der Strecke», so der helvetische Onlinevergleichsdienst.Es dürfte tatsächlich schwierig werden, an einem einzigen Ferientag 50 MB an Daten aufzubrauchen. Schliesslich ruft der Otto-Normal-Verbraucher auf Reisen höchstens gelegentlich seine E-Mails ab, lädt vielleicht ein Ferienfoto auf Facebook hoch oder ermittelt via Smartphone, wo sich das nächste Restaurant befindet. Mit solch einem User-Verhalten die 50 MB an einem Tag auszuschöpfen, mutet also unrealistisch an.
Optionen für Notebook-Nutzer
Swisscom hat mit dem neuen Angebot aber auch gar nicht die Smartphone-Anwender im Visier. Wie Mediensprecher Olaf Schulze gegenüber Computerworld erklärt, adressiert der Schweizer Marktführer mit den neuen Optionen Notebook- und keine Smartphone-Anwender. Für Letztere hätte man erst Ende Dezember 2010 die Roaming-Tarife gesenkt. In der Tat zahlen Swisscom-Kunden im europäischen Ausland seit Ende 2010 sieben Franken für ein Paket von 5 MB, das 24 Stunden gültig ist.
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50 MB für 6 Franken
Fakt ist, dass die Roaming-Tarife im internationalen Vergleich nach wie vor sehr hoch sind. Der deutsche Telko E-Plus hat beispielsweise per Juni 2011 ein Wochenpaket fürs Datenroaming im EU-Ausland eingeführt. Dieses Angebot belastet die Geldbörse gerade einmal mit 4.99 Euro (bei ebenfalls 50 MB Datenvolumen). Orange sterreich hat ein vergleichbares Angebot, das fünf Euro kostet und 50 MB Daten in allen EU-Netzen beinhaltet. Um das Datenkontingent auszuschöpfen, haben die österreichischen Nutzer sogar einen vollen Monat Zeit. Jedes zusätzliche MB belastet das Portemonnaie mit einem Euro. Bei den 250-MB- und 1-GB-Datenroaming-Paketen kostet jedes weitere MB sogar nur 30 Eurocent.Die Datenroaming-Angebote im benachbarten EU-Ausland sind also massiv günstiger als beispielsweise jene der Swisscom. Beim derzeitigen Umrechnungskurs schlagen die Internetpakete von E-Plus und Orange Österreich mit gerade einmal sechs Franken zu Buche. Damit sind sie sage und schreibe viermal günstiger als das vergleichbare 50-MB-Angebot von Swisscom. Aber wo liegt der Grund für diesen immensen Unterschied?
Schwache Verhandlungsposition?
Wie Swisscom-Sprecher Schulze erläutert, können die EU-Telkos innerhalb der Europäischen Union auf regulierte Einkaufstarife zurückgreifen. Als Schweizer Provider profitiere man von diesen festgelegten Tarifen nicht automatisch, sondern müsse mit jedem einzelnen Anbieter verhandeln, so Schulze.
Diese Argumentation zur Preisgestaltung hält Ralf Beyeler, Telekom-Experte bei Comparis.ch, jedoch für wenig glaubwürdig. «Man kann davon ausgehen, dass die europäischen Provider beim Datenroaming Einkaufstarife bezahlen, die unter der EU-Obergrenze liegen», erklärt Beyeler im Gespräch mit Computerworld. Die Obergrenze in der Europäischen Union betrgt derzeit 80 Eurocent pro Megabyte. Die EU-Provider verhandeln also auch.
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Schiefe Optik
Tatsächlich entsteht eine äusserst schiefe Optik, wenn man sich die festgelegten Kostenobergrenzen im EU-Raum ansieht. So dürfen sich die Provider innerhalb der Europäischen Union seit Anfang Juli vergangenen Jahres maximal 80 Eurocent pro MB Daten verrechnen. Real werden von den EU-Telkos aber etwa 50 MB für rund fünf Euro angeboten. Das sind zehn Cent je Megabyte. Es ist schwer vorstellbar, dass Provider wie E-Plus oder Orange Österreich ihre Datenroaming-Tarife weit unter dem Einkaufspreis anbieten. Timo Tesch, Mediensprecher bei Orange Österreich, meint dazu: «Das Angebot ist knapp kalkuliert, wir gehen an die Grenze». Bestimmte Pakte würden mitunter auch quersubventioniert, solange man mit dem jeweiligen Kunden am Ende des Monats Geld verdiene. «Gleichzeitig basieren die Tarife auf harten Verhandlungen», so Tesch. Klar ist: Selbst bei einer etwaigen Quersubventionierung liegen die EU-Obergrenzen vermutlich über den realen Einkaufstarifen von Anbietern wie Orange Österreich oder auch E-Plus. Andernfalls müssten ja die Datenroaming-Angebote in einem exorbitant hohen Mass subventioniert werden, was mit den wirtschaftlichen Realitäten wohl kaum übereinstimmen dürfte.Swisscom muss sich am Verhandlungstisch also mehr als ungeschickt anstellen, wenn die Datenroaming-Tarife des Schweizer Telekom-Platzhirschen so viel höher ausfallen als jene der EU-Anbieter. Denn die regulierten Obergrenzen sind für die teuren Preise offensichtlich nicht verantwortlich.
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Welche Erfahrungen haben Sie mit Datenroaming gemacht? Ist das Websurfen im Ausland zu teuer oder halten Sie die Preise der Schweizer Telekom-Anbieter für gerechtfertigt? Teilen Sie uns Ihre Meinung via Kommentarfunktion am Ende dieses Artikels mit.Harald Schodl