Telekom-Markt Schweiz 02.09.2016, 15:45 Uhr

«Die Boomphase ist vorbei»

Im Schweizer Telekom-Markt hat ein knallharter Verdrängungswettkampf begonnen. Sowohl die klassischen Mobilfunkanbieter als auch die Kabler glauben, daraus als Sieger hervorzugehen.
Sommerzeit ist Bilanzzeit. Halbjahresergebnisse werden präsentiert und die Aktionäre, Mitarbeiter und Konkurrenten über den Geschäftsgang informiert. Anschliessend versucht natürlich die Geschäftsleitung mit Hilfe von PR-Teams die Ergebnisse schönzureden, aber die Zahlen sprechen für sich. In den letzten Tagen haben auch die Schweizer Telekommunikationsunternehmen ihre Zahlen vorgelegt, mit Ausnahme von Salt, die wir in diesem Artikel deshalb ignorieren. Bei der Analyse der Ergebnisse der zwei grössten Mobilfunknetzbetreiber und der grössten beiden Kabelunternehmen springen zwei Dinge ins Auge:
  • Sunrise und Swisscom stagnieren oder verlieren Umsatz, die Kabelunternehmen gewinnen
  • Die Kabler verlieren TV-Kunden, gewinnen dafür bei der Telefonie. Und umgekehrt.
! TABELLE !
*Keine Angabe
** Quickline weist Festnetz- und Mobil-Kunden nur gemeinsam aus.
***Nur Q2-Ergebnis bei upc, nicht Halbjahr
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Harter Verdrängungswettkampf

Der Schweizer Telekommunikationsmarkt hat seine Blütezeit gesehen. Zwanzig Jahre nach der Liberalisierung geht es darum, in einem Verdrängungskampf bestehen zu können. Vorbei die Zeiten, als Kunden willig hunderte Franken Roaminggebühren zahlten, aus Dankbarkeit, im Ausland telefonieren zu können. Vorbei die Zeit, als sich Kunden von gewieften Verkäufern Produkte aufschwatzen liessen, die sie nicht brauchten. Der Konsument von heute will alles aus einer Hand.
Das haben Quickline, Sunrise, Swisscom und upc schon länger erkannt und sind mittlerweile alle zu Triple-Play- oder sogar Quadruple-Anbietern mutiert: Sie bieten Festnetz- und Mobiltelefonie, Internet und TV an. Früher zahlte der Kunde zweimal, vielleicht dreimal eine Grundgebühr. Heute schaut er sich auf dem Markt um und entscheidet, ob er mit seinem Internet-Anschluss zum Festnetzanbieter oder mit seinem Mobileabo zum TV-Anbieter wechseln möchte. Entsprechend verlieren die Betreiber von Mobilfunknetzwerken, Sunrise und Swisscom, Kunden in diesem Bereich. Umgekehrt müssen die Kabelunternehmen, die früher 100 Prozent der TV-Anschlüsse kontrollierten, Marktanteile an die Konkurrenz abgeben. Derzeit, mindestens im ersten Halbjahr, sieht es so aus, als machen die Kabelunternehmen dabei den besseren Schnitt. Ihre Umsätze gehen rauf, während diejenigen von Sunrise und Swisscom sinken oder bestenfalls stagnieren. Bei den Zahlen von Swisscom ist noch zu sagen, dass sie vor allem dank ihrer (mittlerweile) erfolgreichen Auslandinvestition nicht ins Minus rutschten. Denn Swisscom Schweiz, die das Kerngeschäft unter sich vereint, verzeichnet im Halbjahresvergleich ein geringes Minus (0.3 Prozent). Ist das ein Zufallsergebnis oder ein langfristiger Trend? Gelingt es den Kablern erfolgreicher, den Kunden die lukrativen Bundle-Pakete zu verkaufen? Oder bleiben Sunrise und Swisscom die umsatzstärksten Unternehmen? Nächste Seite: Haben Kabler einen Infrastrukturvorteil?

«Kabler haben Infrastrukturvorteil»

Wenn der Verdrängungswettbewerb vorbei ist, glaubt Nicolas Perrenoud, CEO der Quickline Group, dass die Kabler den besseren Schnitt gemacht haben werden. «Es ist Fakt, dass die Swisscom nicht mehr so stark zulegt wie in früheren Jahren. Einerseits liegt dies daran, dass sie die 25.35 Franken Grundgebühr, die sie pro Fixnetkunde verlieren, nicht mit übrigen Diensten kompensieren können. Andererseits haben sie mit Umsatzeinbussen durch ARPU-Reduktion (Average Revenue per User; Anm. d. Red.) beim Mobile zu kämpfen. Da Bestandskunden hin- und herwechseln, fokussiert sich das Interesse auf Neukunden», führt Perrenoud aus.
Da sieht Perrenoud die Kabler besser aufgestellt: «Alle Mitglieder von Suissedigital haben nach wie vor den Infrastrukturvorteil. In Sachen Preis/Leistung sind wir, zumindest gegenüber Swisscom, deutlich attraktiver. Und durch unsere Serviceorganisation unterscheidet sich Quickline von den grösseren Konkurrenten. Wir bieten Produkte lokal an, Installationen sind bei uns schneller und unkomplizierter ausgeführt. Entsprechend leben wir auch extrem von Kundenempfehlungen, zwei Drittel der Neukunden akquirieren wir auf diesem Weg.» Swisscom sieht das naturgemäss anders. Josef Huber, Leiter Mediendienst, sagt: «Dass die Kabelnetzbetreiber Umsatzgewinne machen, während wir stagnieren, liegt teils auch an deren Preiserhöhungen. Swisscom dagegen hat beispielsweise schon 2015 beim Roaming die Preise umd rund 100 Millionen Franken gesenkt; die gleiche Grössenordnung ist auch im laufenden Jahr vorgesehen.» Im Gegensatz zu den Kabelnetzanbietern biete Swisscom alle Dienste wie Festnetztelefonie, Internet, TV und Mobilfunk auf eigenen Netzen an. Nur zehn Jahre nach dem Einstieg ins Fernsehen sei Swisscom klarer Marktführer. Lesen Sie auf der nächsten Seite: «TV das emotionalste Produkt»

«TV das emotionalste Produkt»

Das TV-Geschäft ist derzeit wohl der interessanteste Bereich. Während Mobil-Telefonie von den Kabelunternehmern vor allem als Commodity betrieben wird, um Bundle-Pakete anbieten zu können, wollen sich im TV-Geschäft alle Unternehmen klar positionieren. Was interessant werden dürfte, da es derzeit bei 3,5 Millionen Schweizer Haushalten über vier Millionen TV-Abonnemente gibt.
Im Gegensatz zu Mobile braucht aber kein Haushalt zwei TV-Anbieter, weswegen Nicolas Perrenoud eine grössere Konsolidierungswelle in den nächsten Jahren prophezeit. «TV ist das emotionalste Produkt. Während man sich im Mobile- und Internetgeschäft fast nur über Preis-Leistung differenzieren kann, gibt es im TV mehr Möglichkeiten auf Produktseite. Eine der Wichtigsten ist die Übertragung von Live-Sport, weil alles andere je länger je öfters zeitversetzt geschaut wird, was zudem auch alle anbieten.» Dies sei der Grund, warum er sich seit Jahren für gleichlange Spiesse im TV-Bereich einsetze. Bloss: Sunrise hat dasselbe Sportangebot wie Quickline, gewinnt aber mächtig Kunden dazu. Perrenoud erklärt sich dies mit einer aggressiven Marketingkampagne, deren Zugpferd Roger Federer ist. «Zudem macht Sunrise preislich sehr attraktive Angebote und investiert viel in Neukundenwachstum. Was dann trotz Kundenwachstum einen Umsatzrückgang zur Folge hat.» Sunrise sagt dazu, dass man im TV-Bereich aufgrund des Funktionsumfangs und der Benutzerfreundlichkeit schneller wachse als die anderen Anbieter. Der Umsatzrückgang wird unter anderem mit Preissenkungen beim Roaming und zeitlich befristeten Promotionen sowie strukturellen Negativeffekten bei Mobile Prepaid und der Festnetztelefonie erklärt. Nächste Seite: Festnetz spielt das Zünglein an der Waage

Festnetz als Zünglein an der Waage?

Die Festnetztelefonie war für die Mobilfunknetzbetreiber jahrelang das, was für die Kabler das TV-Geschäft war: Die Cash-Cow. Da aber immer weniger Leute via Festnetz telefonieren oder überhaupt einen Anschluss wollen und die Preise sanken, verlor das Festnetz intern vermehrt an Wichtigkeit beziehungsweise der Mobile- und Internetbereich gewann. Nun aber könnte genau der Festnetzbereich mit darüber entscheiden, welche Unternehmen am Ende des Verdrängungswettkampfs besser dastehen. Swisscom hat die Möglichkeit, beim Wechsel den Kunden auch gleich neue Dienste zu verkaufen, was sie auch intensiv tun, wenn man Josef Huber zuhört: «Der Wechsel auf All-IP ist auch eine Chance, von neuen nützlichen Diensten zu profitieren: Bessere HD-Sprachqualität, automatische Namensanzeige von nicht gespeicherten Nummern, Sperrung unerwünschter Anrufe und das Umleiten der Festnetznummer auf eine andere Nummer. Noch vor Ende 2016 wird Swisscom exklusiv für All IP Kunden optional einen automatischen Spam-Filter zur Sperrung unerwünschter Werbeanrufe anbieten.»
Doch es besteht auch ein Risiko, weil sich die Swisscom-Kunden, von denen viele seit PTT-Zeiten dabei sind, auf dem Markt umschauen können. Da werden sie feststellen, dass die Konkurrenz mehr oder weniger die gleichen Angebote hat, zu oft günstigeren Preisen. Welches der vier Unternehmen den Verdrängungswettkampf am erfolgreichsten absolviert, ist schwierig vorherzusagen. Vermutlich wird es keine allzu grossen Veränderungen am Markt geben, auch wenn die Kabler eher Umsatz dazugewinnen werden. Zwar sind die Bundle-Angebote wesentlich umsatztreibender als Single-Play-Produkte, dafür muss dem Kunden auch mehr Leistung geboten werden. Und das wiederum erfordert immer mehr Investitionen, sprich: Geld. Nicht zuletzt deswegen haben alle vier Firmen in irgendeiner Form Sparprogramme angekündigt. Sie wissen: Die Boomphase ist vorbei.



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