Die Schweiz lässt sich Zeit mit dem Datenschutz

Kontroverses Vorgehen 

An dem Entscheid der Kommission scheiden sich die Geister. Der Rechtsanwalt Simon Schlauri bezeichnet diesen als «einen Fehler». «Ich halte das Vorgehen insofern für problematisch, als die EU-Kommission nach Inkrafttreten des neuen, strengeren EU-Datenschutzrechts Ende Mai feststellen könnte, dass die Äquivalenz des Schweizer mit dem EU-Datenschutzrecht nicht mehr gewährt ist.» Dabei handelt es sich gemäss Schlauri bis zu einem gewissen Grad um eine politische Entscheidung. «Allerdings sehe ich nicht ein, warum man auf solche ‹künstliche› Verzögerungsmanöver des Schweizer Gesetzgebers eingehen sollte, zumal das neue EU-Recht sehr viel strikter ist als das noch geltende alte Schweizer Recht.» 
Die Verzögerung beim Schweizer Datenschutzgesetz bringt laut Schlauri gleich drei Probleme mit sich. Erstens müssten die meisten Schweizer Unternehmen, die Daten im Auftrag von EU-Unternehmen bearbeiten, ihre Verträge mit EU-Anbietern nachverhandeln. Zweitens wäre es für EU-Unternehmen umgekehrt künftig einfacher, Verträge mit EU-Unternehmen abzuschliessen als mit solchen aus der Schweiz. Die Konsequenz davon seien mögliche Umsatzverluste. Drittens trüge die Schweiz künftig das Label eines Landes mit schwachem Datenschutz. «Viele Unternehmen der Schweizer ICT-Branche profitieren aber heute gerade vom Vertrauen in die Zuverlässigkeit unserer Wirtschaft, in unseren Datenschutz und unsere Datensicherheit. Ein Verlust der Äquivalenz könnte sehr schädlich für dieses Vertrauen sein.» Auch bezweifle er, dass sich ein solcher Vertrauensverlust später mit einem neuen Gesetz einfach wieder beheben liesse. 

«Keine Hexerei» 

Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Vize-Präsident von ICTswitzerland, sieht das nicht ganz so eng: «Aus Sicht der ICT-Branche, aber auch der ganzen Wirtschaft, wäre eine zügige Beratung des Datenschutzgesetzes in einem Stück wünschenswert gewesen.» Weil die meisten Schweizer Unternehmen von der DSGVO betroffen seien, müssten sich diese – solange die Revision des DSG nicht abgeschlossen ist – eben an zwei Regelwerken orientieren. «Das ist etwas mühsam, aber keine Hexerei», sagt Grüter. Das Wichtigste für die Schweizer Wirtschaft sei im Grunde die Rechtssicherheit. «Diese kann nur geschaffen werden, wenn Schweizer Unternehmen baldmöglichst eine aktuelle nationale Datenschutzgesetzgebung erhalten, die unter optimaler Nutzung unserer nationalen Stärken die wichtigsten Eckwerte der DSGVO übernimmt.» 
Die Vorlage, wie sie nun in der Kommission beraten wird, erachtet Grüter als «sinnvoll». Denn sie richte sich nach dem Grundsatz «so viel wie nötig». Trotz der grossen Bedeutung der Vorlage fordert er «etwas mehr Augenmass und weniger Bürokratie als die EU». Froh sei er darüber, dass dem Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung noch «Zähne gezogen werden konnten» – etwa im Bereich der Bussgelder. Im Vergleich zu den Strafen der EU-DSGVO sieht der Schweizer Entwurf bei den Bussgeldern eine Obergrenze von 250'000 Franken vor. «Unser Ziel muss sein, den Marktzugang zum EU-Raum zu sichern und gleichzeitig die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu erhalten und somit keinen unnötigen Administrationsaufwand zu schaffen.» Weiter sagt Grüter: «So wie die aktuelle Vorlage aussieht, sind wir meines Erachtens auf einem guten Weg, auch wenn es gilt, dies noch weiter zu optimieren.» 



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