SAP-Chef Sieber 27.08.2012, 15:48 Uhr

«SAP muss effizienter werden!»

SAP hat ein Rekordquartal hingelegt. Aber an der Spitze von SAP Schweiz geben sich die Chefs die Klinke in die Hand. Was läuft da schief? Der neue Schweiz-Chef Stephan Sieber stellt sich den Fragen von CW.
SAP Schweiz hat als erste Landesniederlassung ein HANA-Lab eingeführt.
Es läuft rund für die SAP. Das letzte Geschäftsquartal schloss der ERP-Konzern mit einem Rekordergebnis ab. Dem besten in der Geschichte der SAP, so Firmensprecher. Und in der Schweiz gibt man Gas: Als erste Landesniederlassung überhaupt führte SAP Schweiz vor einigen Wochen ein HANA Lab ein. Das Warenhaus Globus arbeitet demnächst mit der Vollversion von HANA. Kann da noch was besser werden? Ja, es kann, sagt der neue SAP-Chef Stephan Sieber, der nach nur eineinhalb Jahren Stefan Höchbauer auf dem Chefsessel von SAP Schweiz ablöst. Ein so schneller Wechsel gibt Raum für Spekulationen: Läuft da was schief an der Spitze der Schweizer Landesniederlassung? Und welche Pläne hat der Neue? SAP-Chef Stephan Sieber stellt sich den Fragen von Computerworld. CW: Herr Sieber, herzlichen Glückwunsch, Sie sind seit einigen Wochen Chef von SAP Schweiz, und lösen ihren Vorgänger Stefan Höchbauer ab, der nur für kurze Zeit, etwa eineinhalb Jahre, amtiert hat. Da fragt man sich schon: Warum ein erneuter Wechsel in so kurzer Zeit? Stephan Sieber: Diese Frage müssten Sie eigentlich Stefan Höchbauer, Michael Kleinemeier und Frank Cohen stellen. Meine Interpretation ist relativ einfach: Offensichtlich hat das Management oberhalb von Stefan Höchbauer und mir gefunden, dass wir hier zwei fähige Leute haben, mit denen die SAP wichtige Management-Positionen besetzen kann. Dass Stefan Höchbauer ins EMEA-Leadership-Team zu Frank Cohen gewechselt ist, stärkt die Zusammenarbeit zwischen den Regionen, besonders die osteuropäischen Märkte wachsen stark. Ich finde es toll, dass SAP imstande ist, solche Positionen aus den eigenen Reihen zu besetzen. Ob das jetzt nach eineinhalb oder nach zwei Jahren passiert, solche Optionen stehen hier und jetzt an... Als wir diesen Wechsel in der Redaktion diskutiert haben, kam die Meinung auf: Also wurde SAP Schweiz als Warteschleife missbraucht. Eineinhalb Jahre sind sicher nicht typisch, ob es sich nun um die Position des Geschäftsführers oder um eine andere Position handelt. Sieber: Eineinhalb Jahre sind sicher sehr kurz. Stefan Höchbauer und ich hatten jedoch in den letzten eineinhalb Jahren die Möglichkeit, sehr intensiv und eng zusammenzuarbeiten. Ich denke nicht, dass da viel verloren geht. Ob beim Wechsel Persönliches eine Rolle gespielt hat, kann ich nicht beurteilen. Die Fähigkeiten von Stefan Höchbauer sind so hoch, dass wir uns glücklich schätzen können, dass er für uns arbeitet, und nicht für ein anderes IT-Unternehmen. Sie sind seit einigen Wochen Chef von SAP Schweiz. Wollen Sie andere Schwerpunkte setzen als ihr Vorgänger? Es gab in letzter Zeit einige interessante Entwicklungen: SAP Schweiz hat als erste Landesniederlassung ein HANA-Lab eingeführt, das Warenhaus Globus nutzt die Vollversion von HANA...  Sieber: Wir haben mit Globus ein erfolgreiches Projekt gemacht. Die Erfahrungen der frühen Projekte sowie die Erkenntnisse der "Proof of Concepts" mit allen unseren frühen HANA-Kunden sind in unser HANA-Lab eingeflossen. Wir haben deshalb jetzt die Möglichkeit, kurzfristig und flexibel unser HANA-Lab an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen und versuchen, über die Use Cases der Kunden zu kommen. Nchste Seite: So funktioniert ein HANA-Testlauf Wie viel Zeit muss man für einen HANA-Testlauf einplanen? Sieber: Das ist sehr unterschiedlich, und mehrere Faktoren kommen bei einem solchen Testlauf ins Spiel. Faktor 1: Arbeitet der Kunden mit einer HANA-Applikation bzw. einem HANA-Use-Case, der von SAP standardmässig ausgeliefert wird? Wir haben mittlerweile eine Reihe von HANA-Apps: COPA war eine der ersten, es gibt Collections Insight und weitere Apps, die wir standardmässig ausliefern. Diese Use Cases sind besser definiert als ein kundenspezifischer Use Case, den wir erst aufsetzen müssen. Faktor 2: Welche Daten hat der Kunden und wo kommen die Daten her? Sind es Daten aus einem transaktionalen SAP-System, Vertriebsanalysen aus einem CRM oder klassisches operatives Reporting aus einem ERP, dann kennen wir die Datenstrukturen, was die Sache beschleunigt. Wir fahren jetzt einen Use Case mit einer grossen Schweizer Bank, wo die Daten aus einem - aus unserer Optik - Fremdsystem kommen. Daher müssen wir die Datenstrukturen zuerst analysieren und uns überlegen, wie wir die relationalen Daten auf die Hauptspeicher-Datenbank HANA mappen bzw. abbilden. Ein solcher "Proof of Concept" benötigt eine längere Vorbereitungszeit. In allen Fällen kommen wir aber über den Use Case des Kunden, die unterstützten Geschäftsszenarien, und definieren Soll-Zustände: Wie präzise muss ein erster Datenlauf sein, bevor man über Iterationen nachschärft? Wie lange darf ein vollständiger Report dauern? Wir legen konkrete KPIs fest, so dass am Ende der Kunde zusammen mit SAP sagen kann: Dieser "Proof of Concept" war erfolgreich. CW: Der Haupt-Benefit ist doch letzten Endes der Performance-Gewinn, besonders bei der Analyse riesiger Datenbestände... Sieber: Ja, aber es gibt unterschiedliche Aspekte von Performance. Es gibt den Performance-Gewinn bei der Ausführung von Reports. Das sind die klassischen, analytischen Beispiele: Früher musste ich drei Tage warten, jetzt mit HANA nur noch fünf Sekunden. Performance-Gewinn mit HANA heisst aber auch, dass der Kunden nicht mehrmals am Tag oder nachts über ein Staging-Verfahren aktuelle Daten in sein Data Warehouse laden muss, und erst dann darauf zugreifen kann. HANA-Kunden greifen auf Rohdaten in Echtzeit zu und können auch kleinere Analysen fahren. Der dritte Benefit besteht in der Flexibilität in der Anpassung von Auswertungen. Auch neue Reports lassen sich viel schneller definieren und aufsetzen. Jetzt sind wir schon ziemlich tief ins Detail eingestiegen. Ich möchte noch einmal auf meine Anfangsfrage zurückkommen: Wollen Sie andere Schwerpunkte setzen, personalmässig etwas verändern? HANA und die Business-ByDesign-Produktpalette liefen in den letzten ein, zwei Jahren relativ gemütlich an. Hat SAP punkto HANA und Cloud vor, jetzt stärker in die Offensive zu gehen? Sieber: Andere Schwerpunkte möchte ich nicht setzen. Der Wechsel von Stefan Höchbauer zu Stephan Sieber wird nicht zu einer signifikanten Änderung der Strategie führen. Die Dinge, die ich in Zukunft tun werde, hätte Stephan Höchbauer, wäre er denn noch hier, auch getan. In den letzten eineinhalb Jahren durfte ich ja auch in der Geschäftsleitung von SAP Schweiz sitzen und dort aktiv meinen Beitrag leisten. Insofern ist schon sehr viel Kontinuität da. Es gibt aber Dinge, die ich stärker vorantreiben möchte. Nicht weil ich die Dinge anders beurteile als Stephan Höchbauer, sondern weil wir heute weiter sind als noch vor eineinhalb Jahren. Die Cloud ist sicher ein solches Thema. Der kontrollierte, wie Sie sagen gemütliche, Marktgang von SAP Business ByDesign hat mit einer realistischen Einschätzung der SAP zu tun, was es bedeutet, ein komplettes ERP aus der Cloud anzubieten. Das hat ausser uns noch keiner gemacht, jedenfalls nicht in dieser Breite. Ich finde es weise von einem Unternehmen, mit einer solchen Lösung nicht mit Pauken und Trompeten in den Markt zu gehen. Nchste Seite: SAPs gefhrliche Cloud-Strategie Das kann man auch kritischer sehen: SAP hat sich mit seinem Cloud-ERP einen Vorsprung herausgearbeitet, aber die Konkurrenz schläft nicht. Gehen Sie zu gemächlich an den Markt, ist der Vorsprung möglicherweise bald verspielt. Sieber: Absolut fair. Eine solche Entscheidung birgt, wie jede Entscheidung im Geschäftsleben, ein gewisses Risiko. Für uns war die Zuverlässigkeit, die wir durch ein kontrolliertes Vorgehen in den Marktgang von SAP Business ByDesign gebracht haben, sehr wichtig. Anstatt auf Schnelligkeit zu setzen. Wir sind der Überzeugung, dass unser Produkt so gut ist, dass wir uns gegen den Wettbewerb durchsetzen können. Die installierte Basis und die globale Präsenz der SAP geben uns einen Vorteil, den man nicht in einigen Monaten wegkopieren kann. Deshalb haben wir uns damals für einen Markteintritt mit Augenmass entschieden. Aber es gibt noch einen dritten Grund: Unsere Cloud-Strategie ist mit SAP Business ByDesign nicht abgeschlossen. Die Akquisition von SuccessFactors hat das ja auch gezeigt. Wir wollen unseren Kunden ein homogenes Portfolio von Cloud-Applikationen anbieten. Schweizer Unternehmen gehen vorsichtig in die Cloud, wollen die Sicherheit ihrer Daten und die Zuverlässigkeit des Cloud-Dienstes vollständig abgeklärt wissen. Das hat bisher das Geschäft mit Cloud-Applikationen in der Schweiz etwas gedämpft. Mit welchen Cloud-Apps verdient SAP hier und heute schon gutes Geld? Was sind die Cloud-Blockbuster? Sieber: Es gibt aus unserem Cloud-Angebgot drei Lösungen, die sehr gut laufen: SAP Business ByDesign als komplette Suite, mit der wir anfangs eher kleinere Unternehmen bedient haben. Aber jetzt beobachten wir eine steigende Nachfrage auch von Grosskunden, die SAP Business ByDesign in ihren Landesgesellschaften oder kleineren Gruppengesellschaften einsetzen möchten. Wir sprechen mit grösseren Schweizer SAP-Kunden, teilweise laufen Projekte. Business ByDesign ist ein modulares Produkt, das heisst Kunden können sich die Komponenten aussuchen, die sie gerade benötigen, müssen also nicht unbedingt die komplette Suite kaufen... Sieber: Klar, aber Finanzbuchhaltung/Controlling ist fast immer dabei. Die Intention des Headquarter ist ja, mehr Transparenz in den kleineren Gruppengesellschaften herzustellen punkto finanzieller Performance. Dann geht es in der Regel in die Prozesse und die Materialbeschaffung, die Logistik hinein, auch mit dem Ziel, innerbetriebliche Prozesse zu verschlanken. Was dann häufig nachgefragt wird ist die Vertriebsfunktionalität von SAP Business ByDesign, auch auf mobilen Geräten. Viele Landesgesellschaften der Grossunternehmen sind häufig "Sales Offices". Nchste Seite: SAP und die Konkurrenzanbieter Akquirieren Sie mehrheitlich Neukunden, oder verdrängen Sie auch Konkurrenten? Sieber: Gottlob, mit grosser Freude. Wir verdrängen aktuell verschiedene Microsoft-Produkte, wir verdrängen Eigenentwicklungen und auch lokale Lösungen. Besonders in osteuropäischen Ländern gibt es ERP-ähnliche Produkte, die bei uns in der globalen Wettbewerbsanalyse fast nicht auftauchen. Wir verdrängen nach wie vor auch Oracle und die Produkte der Akquisen von Oracle, wir verdrängen die wenigen Baans, die es noch gibt. Aber zurück zu den Cloud-Blockbustern. Was gut läuft, ist zweitens SAP Sales on demand, was nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum CRM eingesetzt wird. Wir haben Projekte, wo wir SAP Sales on demand direkt an unser CRM und an fremde CRMs schalten. Denn SAP Sales on demand optimiert nicht das Management, sondern macht den einzelnen Vertriebsmitarbeiter produktiver. Als drittes Lösungsportfolio läuft SuccessFactors sehr gut, im Bereich Rekrutierung und Talent Management. Insgesamt beobachten wir, dass die SuccessFactors-Produkte hier in der Schweiz bei vielen Kunden einen guten Anklang finden. Das ist ja auch ein gestandenes Lösungsportfolio, und der SuccessFactors-Chef Lars Daalgard ist mit grosser Begeisterung bei der Sache, trägt manchmal schon etwas zu dick auf, wenn man das mal so sagen darf. Wie gut verträgt sich SAP punkto Cloud mit Salesforce? HP ist jetzt dabei, von Oracle/Siebel auf Salesforce umzurüsten, ist uns zu Ohren gekommen... Sieber: Salesforce ist für uns durchaus ein ernst zu nehmender Marktbegleiter. Wir haben immer mal wieder Berührungspunkte, Kontakte zu Salesforce, und das Produkt ist sicher gut. Aber neben der Tatsache, dass das Salesforce-Rechenzentrum nicht in der Schweiz liegt, gibt es aus meiner Sicht gute Argumente, weshalb Kunden nicht auf Salesforce, sondern auf SAP setzen sollten. Es gibt auch Kunden, die hat SAP-Co-CEO Jim Hagemann Snabe auf der Sapphire in Orlando auch genannt, wo wir Salesforce ablösen. Wie wichtig nimmt SAP neue Trends wie Social-Media-Analytics, also die Identifikation von Zielgruppen in sozialen Netzen, und Brand-Monitoring? HANA würde sich für die Analyse der "Big Data" aus sozialen Netze doch anbieten. Sieber: Wir nutzen natürlich HANA und In-Memory-Technologie, um solche Szenarien zu unterstützen... Nchste Seite: SAPs Plne fr die Zukunft Konkret - gibt es eine HANA-App für Social-Media-Analytics? Sieber: Noch nicht, aber wir bauen an solchen Szenarien, und wir haben in der Schweiz ein Projekt laufen, über das ich im Detail zu einem späteren Zeitpunkt werde sprechen können, wenn wir das Projekt abgeschlossen haben. Wir gehen über unser CRM in soziale Netze hinein, machen Sentiment-Analysen, analysieren die Produktbewertungen der User, schärfen Zielgruppen und wollen die Kunden enger in die Produktgestaltung einbinden. Wir spüren ein Bedürfnis bei unseren Kunden, bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Die Konsumgüterbranche ist sicher ganz weit vorne mit dabei, den Handel merkt man im Moment noch weniger. Wir spüren ein Bedürfnis nach Social Media Analytics auch im B2B-Bereich. Aber dort stechen vor allem bei Unternehmen hervor, die sehr nahe am Kunden sind, wo also eine gewisse "Brand Awareness" für das Geschäft eine Rolle spielt. Das auch von SAP-Co-Gründer Hasso Plattner geforderte "Design Thinking", also IT vom Kunden her denken - fragen, was der Kunden will - setzt sich immer stärker durch, und dadurch entstehen neue, interessante Einsatzgebiete von IT. In zwei bis drei Jahren, so meine Schätzung, werden Unternehmen an Social Media Analytics und Brand Monitoring nicht mehr vorbei kommen. Meine Abschlussfrage: Das letzte Quartal hat SAP mit einem Rekordergebnis abgeschlossen. Was kann denn jetzt noch besser werden? Sieber: Wir können unsere Gewinnmarge noch weiter steigern und haben unsere Gewinnziele für das laufende Geschäftsjahr erhöht. Ich bin der Überzeugung: Wenn die SAP effizienter wird, dann profitieren auch unsere Kunden davon. Unsere Kunden wünschen sich einen globalen, zuverlässigen und zukunftssicheren IT-Anbieter, aber sie wünschen sich auch ein sehr agiles, lokales Unternehmen, wenn es um die Geschäfte zwischen Kunde und Anbieter geht. Dieses "ease of doing business" ist ein Punkt, auf den ich stärkeres Gewicht legen werde. Kunden sollen sagen: Es macht Spass, mit SAP zu arbeiten, nicht nur mit unseren Lösungen, sondern auch mit uns als Unternehmen. Ich möchte die Stärken, die wir heute schon haben, noch weiter ausbauen. Wir verkaufen nicht Produkte, die man implementiert und dann einfach wegläuft. Wir unterhalten Beziehungen zu unseren Kunden, die über Jahrzehnte dauern, und diese Beziehungen müssen gepflegt werden, und sie müssen effizient funktionieren. Ich denke, da haben wir noch Optimierungspotenzial, und das sollten wir ausschöpfen.


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