Alan Hippe über IT-Innovation, die Pandemic Squad und die Life-Sciences-Zukunft

Roche auf dem Weg zur Tech-Company

CW: Wie kann man sich das vorstellen? Wenn jemand in Basel in der Proteomics-Forschung eine Idee hat, vereinbart er dann einen Termin mit jemanden aus der IT in Kaiseraugst, dann trifft man sich, diskutiert und man macht ein Projekt, oder wie muss man sich das vorstellen? 
Hippe: Jeder Forschungsbereich hat einen IT-Head, mit der oder dem man die Idee besprechen kann. Anschliessend werden die entsprechenden Fachspezialisten aus dem Tech-Bereich hinzugezogen. Ein Beispiel einer solchen Entwicklung ist Navify, unsere Cloud-Plattform für onkologische Fallbesprechungen unter medizinischen Fachleuten. Die Idee entstand in der Basler Forschung und wurde dann gemeinsam mit unseren polnischen Programmierern umgehend realisiert und am Markt lanciert.
CW: Was bietet Navify Medizinern und Patientinnen?
Hippe: Wenn Sie heute Krebs haben und State of the Art behandelt werden, dann wird Ihre behandelnde Ärztin oder der Arzt Ihre Daten auswerten und dann mit weiteren Fachspezialisten einen Behandlungsweg entwickeln. Navify hilft, solche Sitzungen vorzubereiten, indem es die medizinischen Bilder, Ergebnisse von Blut- und Gewebeuntersuchungen sowie weitere Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführt. So haben Mediziner die neusten Forschungsergebnisse und Daten des Patienten vor sich. In den grossen Spitälern haben Mediziner für so eine eigentlich umfangreiche Diskussion im Durchschnitt rund sechs Minuten Zeit. Entsprechend hilft es, wenn alle relevanten Daten digital aufbereitet sind und man direkt in die Diskussion einsteigen kann. Und das ist natürlich eine erhebliche Verbesserung für den gesamten Prozess.
“Der Erfolg von Roche basiert auf der Arbeit hochtalentierter Menschen in der IT wie in der Healthcare„
Alan Hippe, Roche
CW: Woher nehmen Sie die Fachkräfte dafür?
Hippe: Der Erfolg von Roche basiert auf der Arbeit hochtalentierter Menschen in der IT wie im Bereich Healthcare. Wir wollen die Besten haben, weil wir für die Gesellschaft etwas erzielen wollen. Wir sind eine Purpose-driven Company: «Doing now what patients need next», das ist unser ultimatives Ziel. Insbesondere die jüngere Generation der Talente sucht nach Purpose in ihrem Job. Die möchten etwas tun, um die Welt zu verändern, sodass sie später sagen können: «Ich habe bei dieser Lösung mitgewirkt und das Leben von Patienten dramatisch verbessert.» Genau das kann man bei Roche.
CW: Welche weitere Entwicklung beobachten Sie am Fachkräftemarkt?
Hippe: Die biomedizinische Forschung erfordert zunehmend ein IT-getriebenes Denken. Für unseren Forschungsstandort in South San Francisco konnten wir als Leiterin Aviv Regev gewinnen. Sie ist Expertin für Computational Biology. In Zukunft geht es in der biomedizinischen Forschung immer mehr darum, wie man Zellen modellieren kann, wie man mit Daten, die man findet, Wirkungszusammenhänge in der Biologie erklären kann. Das heisst aber auch, dass wir natürlich einen viel grösseren Bedarf haben an Leuten, die sowohl Tech- als auch Biologie-Know-how verknüpfen.
“Wir werden einen viel grösseren Bedarf haben an Leuten, die technisches und biologisches Know-how verknüpfen können„
Alan Hippe, Roche
CW: Von diesen Fachkräften werden viele noch in der Ausbildung sein. Woher nehmen Sie die Fachkräfte heute?
Hippe: Den Fachkräftemangel mag es in einzelnen Bereichen geben. Als Unternehmen mit über 100’000 Mitarbeitern gibt es immer offene Stellen. Aber wir verzeichnen ebenfalls einen Zufluss an Talenten. Wenn es um Themen wie Biologie, Pharmazie und Diagnostika geht, zählt Roche zu den Top-Unternehmen der Welt. Auch haben wir das Glück, dass wir Top-Talente in der gesamten Welt anwerben können.
CW: Das heisst aber auch, Roche wird eigentlich immer mehr zu einer Art Tech Company?
Hippe: Grundsätzlich ist das so. Aber ich denke, dass sich auch durch Covid-19-bedingt einiges verändern wird im Gesundheitswesen.
Zur Firma
Roche
mit Hauptsitz in Basel ist in über 100 Ländern tätig. 2019 beschäftigte das Life-Sciences-Unternehmen weltweit rund 98’000 Mitarbeitende. Zur Roche-Gruppe zählt die kalifornische Genentech, an der japanischen Chugai Pharmaceutical hält die Gruppe die Mehrheit. Vergangenes Jahr setzte Roche 61,5 Milliarden Franken um und zählt damit zu den Top-Playern der Branche. Unter dem Motto «Doing now what patients need next» entwickelt Roche Medikamente und Diagnostika in den Bereichen Onkologie, Immunologie, Augenheilkunde sowie Erkrankungen des Zentralnervensystems. 2019 investierte der Konzern 11,7 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung.



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