Studie von McKinsey
29.04.2019, 13:29 Uhr
29.04.2019, 13:29 Uhr
Schweiz verliert bei internationalen Konzernen an Attraktivität
Die Schweiz hat im Standortwettbewerb laut einer Studie von McKinsey an Attraktivität eingebüsst. Besonders Tech-Firmen und chinesische Unternehmen wählen oft andere Länder aus.
Google stellt eine Ausnahme dar, der Konzern verfügt in der Schweiz mittlerweile über mehrere Standorte
(Quelle: Google)
Bei internationalen Unternehmen ist der Standort Schweiz weniger beliebt als noch vor einigen Jahren: Zwischen 2009 und 2013 entschieden sich insgesamt 27 Prozent der Firmen, die ihren Hauptsitz verlagerten, für die Schweiz. Gemäss einer Studie von McKinsey waren es von 2014 bis 2018 nur noch 19 Prozent – und das, obwohl die Anzahl von An- und Umsiedlungen in Europa in dieser Zeit gestiegen ist. Als Standort für Hauptsitze ist die Schweiz deshalb von Platz 1 auf Platz 3 abgerutscht.
Zu diesen Ergebnissen kam das Beratungshaus im Rahmen der Studie «Switzerland – Wake Up. Reinforcing Switzerland’s attractiveness to multinationals». Die Untersuchung führte McKinsey in Zusammenarbeit mit der Swiss-American Chamber of Commerce, Economiesuisse und SwissHoldings durch. Dabei wurden mehr als 100 CEOs internationaler Unternehmen interviewt.
Amazon und Alibaba machen einen Bogen um die Schweiz
Laut den Experten von McKinsey verpasste es die Schweiz insbesondere, internationale Unternehmen in wachstumsstarken Sektoren anzuziehen. Gemeint sind damit global expandierende Tech-Firmen und chinesische Unternehmen wie beispielsweise Apple, Amazon, Alibaba, Alipay, Facebook, Netflix, LinkedIn, Airbnb, Tesla oder Uber. Als Alternative zur Schweiz kamen für die Firmen die Niederlande, Luxemburg oder auch Irland zum Zug.
Auch hätten international tätige Unternehmen vermehrt Aktivitäten ins Ausland verlagert. Während man in der Vergangenheit vor allem Backoffice-Tätigkeiten in ausländische Shared Services Centers outgesourct habe, würden in jüngster Zeit auch ganze Kompetenzzentren im Ausland aufgebaut – etwa im Bereich Digital und Advanced Analytics.
Gemäss der McKinsey-Studie konnte die Schweiz jedoch bei Forschungsstandorten und operativen Zentren zulegen. Google, Oracle Labs und Facebook bauten sich hierzulande Forschungszentren auf, Google richtete sich 2016 in Zürich gar den zweiten Entwicklungsstandort ein. Bei chinesischen Top-250-Unternehmen sieht es allerdings düster aus: Nur 5 Prozent von ihnen zogen die Schweiz anderen europäischen Standorten vor.
Fachkräftemangel als Defizit
Laut den Ergebnissen weist die Schweiz Defizite bei wichtigen Standortfaktoren wie der Verfügbarkeit und Mobilität von hochqualifizierten Arbeitskräften auf. Die CEOs aus unterschiedlichen Sektoren hätten angemerkt, dass besonders im Technologiebereich nicht genügend hochqualifizierte Arbeitskräfte verfügbar seien, heisst es in einem Bericht zur Studie. Gestützt werde diese Erkenntnis durch Studien von Eurostat, denen zufolge die Zahl der Absolventen in MINT-Fächern in der Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ niedrig sei.
Als weiteres Defizit nennen die McKinsey-Berater die «relativ hohen Hürden für die Beschäftigung Hochqualifizierter aus aussereuropäischen Ländern in der Schweiz, sowie in der Wahrnehmung, dass die Schweiz nur über begrenzten Zugang zum europäischen Binnenmarkt verfügt». Traditionelle Stärken der Schweiz, wie die steuerliche und regulatorische Stabilität, würden ebenfalls beginnen zu verblassen, zudem werde zu wenig in das Standortmarketing investiert, lautet ihr Fazit.
Handlungsansätze für die Schweiz
Die Autoren der Studie sind überzeugt, dass hierzulande eine offene Debatte über den Wert international tätiger Unternehmen geführt werden müsse. Sie nennen letztlich drei Massnahmen, die dabei helfen könnten, die Schweiz wieder attraktiver zu machen:
- Bei der Einwanderungspolitik für hochqualifizierte, gefragte Arbeitskräfte über die Bücher gehen und den Ausbau der Kapazitäten für Studienrichtungen mit hoher Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt überprüfen.
- Klare Positionierung im internationalen regulatorischen, wirtschaftlichen und steuerlichen Kontext.
- Intensivierung des Standortmarketings, um mit Promotionsagenturen in den Niederlanden, Irland oder Singapur mithalten zu können.
«Die Schweiz verfügt über alle Voraussetzungen, um zum führenden Standort für international tätige Unternehmen zu werden», schreiben die Autoren im Bericht. Sie sind sich sicher, dass ihre Handlungsansätze dazu beitragen können, dass die Schweiz in Zukunft zum Wahlstandort von Technologie- und chinesischen Unternehmen wird, die nun in der zweiten Welle die globale Expansion vorantreiben.