Wie sich Rechenzentren nachhaltig betreiben lassen
Energieeffizienz und Verfügbarkeit
Computerworld: Was macht nun eigentlich ein nachhaltiges Rechenzentrum aus? Ein möglichst geringer Stromverbrauch reicht ja nicht aus …
Radgen: Das stimmt. Durch die Analyse der Literatur haben wir über 120 Indikatoren für die Bewertung der Nachhaltigkeit eines Rechenzentrums identifiziert. Das reicht von der Auslastung der installierten Festplatten bis zu der Frage, ob die seltenen Erden in der Hardware bewaffnete Konflikte im Kongo finanzieren. Es muss hier also einiges berücksichtigt werden. Weniger ist aber trotzdem manchmal mehr. Für unser Projekt haben wir deshalb die Bewertung auf elf wichtige Kriterien reduziert. Hierzu zählt unter anderem, wie mit der Abwärme umgegangen wird, aus welchen Quellen der Strom kommt und was mit der Hardware passiert, wenn diese ausgetauscht wird.
Computerworld: In welchen Bereichen der Rechenzentren lässt sich generell am meisten Energie einsparen und in welchen sind im Gegensatz dazu kaum Einsparungen zu erzielen?
Radgen: Grundsätzlich gibt es in allen Bereichen Einsparpotenziale. Nicht immer lassen sich die grössten Einsparpotenziale jedoch am wirtschaftlichsten erschliessen. Sowohl in der technischen Infrastruktur als auch bei der IT-Hardware sind Energieeinsparpotenziale vorhanden. Dies gilt sowohl für den Bestand als auch für neue Rechenzentren.
Im Bereich der technischen Infrastruktur nimmt die Kältebereitstellung eine Schlüsselrolle ein. Neben der Frage der Anwendbarkeit der freien Kühlung oder der Abwärmenutzung innerhalb oder ausserhalb des Rechenzentrums sind dabei auch gesetzliche Vorgaben wie zum Beispiel der Phase-out von einigen Kältemitteln zu beachten. Zudem führen auch Standardmassnahmen wie die Umstellung der Beleuchtung auf LED zu wirtschaftlichen Einsparpotenzialen, die sich ohne grossen Aufwand umsetzen lassen.
Im Bereich der IT-Hardware spielt dagegen die optimale Auslastung der Komponenten eine wichtige Rolle. Server ohne oder mit geringer Auslastung treiben den Stromverbrauch. Der Einsatz effizienter Netzteile oder von SSDs leistet ebenfalls einen Beitrag zur Verbesserung der Energieeffizienz.
Computerworld: Was sind die wichtigsten Massnahmen hinsichtlich der Energieeffizienz?
Radgen: In den frühen 2000er-Jahren konnte durch die Einhausung des Warmgangs beziehungsweise Kaltgangs die Effizienz der Kühlung deutlich verbessert werden. In den letzten Jahren grosse Bedeutung gewonnen hat die Virtualisierung, die zu einer deutlichen Steigerung der Auslastung der einzelnen Server geführt hat.
Leider noch zu selten anzutreffen – aber von grosser Bedeutung – ist die eingangs angesprochene Abwärmenutzung. Hier gilt es insbesondere, die Abwärme bei höheren Temperaturen bereitzustellen, was zu einer teilweisen Renaissance der Wasserkühlung geführt hat. Noch immer gibt es aber Bedenken hinsichtlich des Einsatzes der Wasserkühlung direkt auf dem Board.
Auch bei USV-Anlagen wurde der Wirkungsgrad in den letzten Jahren deutlich verbessert. Es kann sich deshalb lohnen, das alte System für die unterbrechungsfreie Stromversorgung unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls zu ersetzen.
Nicht vernachlässigt werden sollte die wohl wichtigste Massnahme, um die Energieeffizienz zu steigern: Rechenzentrumsbetreiber sollten die Verbräuche der wesentlichen Energieverbraucher kennen. Spätestens wenn der Stromverbrauch der einzelnen Anlagen oder Bereiche bekannt ist und mit Hilfe eines kontinuierlichen Monitorings überwacht wird, führt dies zu neuen Ideen und Ansätzen zum Energiesparen.
Computerworld: Das klingt nach vielen Möglichkeiten … Um wie viel Prozent lässt sich im Schnitt Energie in einem optimierten Rechenzentrum einsparen?
Radgen: Grundsätzlich lässt sich das aufgrund der grossen Unterschiede nur schwer sagen. Ein modernes Rechenzentrum kann allein abhängig vom Standort komplett ohne Kompressionskälte auskommen oder aber im Schnitt anderthalb Monate im Jahr darauf angewiesen sein. Es kann also manchmal nur durch die Wahl des Standorts – selbst innerhalb eines Bundeslandes – Energie eingespart werden. Auch die Verfügbarkeitsklasse hat einen Einfluss auf den Energieverbrauch. Ein Rechenzentrum der Verfügbarkeitsklasse 3 kann durch ein georedundantes Rechenzentrumspaar der Klasse 2 ersetzt werden und dadurch weniger Energie verbrauchen. Zudem kommt es auf den Investitionshorizont des Betreibers an. Je länger dieser ist, umso mehr Massnahmen lassen sich wirtschaftlich umsetzen.
Um aber zum Schluss noch eine konkrete Zahl zu nennen, 10 bis 15 Prozent Einsparung sollten eigentlich immer möglich sein.