Kommissionierung im Minutentakt

Kommissionierung im Minutentakt

Danach erfolgt, ebenfalls vollautomatisch, das Aufbringen des Adresslabels. Anschliessend wird der Karton im Warenausgang an die richtige Laderampe geleitet; das System kennt auch die Fahrroute und damit den LKW, auf dem die Lieferung sicher zum Besteller gelangt. Es erfolgt ein letzter Scan-Vorgang, bei dem der Warenausgang an die SAP-Lösung gemeldet wird. Rechnung und Lieferschein können nun gedruckt werden. Ein zu jeder Viertelstunde durchgeführter Datenabgleich gewährleistet, dass die Bestandsdaten in der Lagerwirtschaft stets aktuell sind. Die Durchlaufzeit eines Pakets vom Startplatz bis zum Warenausgang beträgt wenige Minuten, in Ausnahmefällen bis zu einer halben Stunde.

Manuelle Eingriffe

«Wenn ein Artikel fehlen sollte», erklärt Contadis-Logistikleiter Roger Bleuer, «weil zum Beispiel die Stückzahlen im Moment nicht am Lager sind, kann der Mitarbeiter dies dem ERP-System manuell mitteilen; daraufhin werden Rechnung und Lieferpapiere aktualisiert. Derartige Eingriffe in den Prozess sind heute viel einfacher geworden. « Der transparente Belegfluss macht es möglich. Jürg Treichler: «Die Software erlaubt uns ein internes Track and Trace. Wir wissen zu jeder Zeit, wo ein Auftrag steht, ob es schon einen Kommissionierauftrag gibt, ob die Lieferung bereits im Warenausgang bereit liegt oder ob die Rechnung schon gedruckt wurde. Früher musste man sich häufig auf die Suche nach Kartons und Belegen machen.»

Transparenz als Basis

Ein beachtlicher Zuwachs an Transparenz ist der Hauptnutzenaspekt der eingesetzten Software. Für die Logistik bedeutet eine bessere Datentransparenz unter anderem mehr Flexibilität beim Handling. Roger Bleuer: «Früher hatten wir ein Warenwirtschaftssystem, das nur Totalmengen abbilden und diese einem Lagerplatz zuordnen konnte. Es war nicht ersichtlich, ob sich die Ware an mehreren Orten befand.» Das hat sich nun geändert. Bei Bedarf können einem Artikel mehrere Lagerplätze zugeordnet werden, um beispielsweise zwischen Haupt-, Puffer-, Kommissionierlager oder anderen Lagerplätzen zu unterscheiden. Flexibilität beim Handling ist für eine rationelle Kommissionierung wichtig, denn die einzelnen Warengruppen oder Bestellvolumina stellen unterschiedliche Anforderungen an die Abläufe. Um nur einige Varianten zu nennen: Die Kommissionierung von Zigaretten erfolgt weitgehend vollautomatisch. Tabak und Qualitätszigarren befinden sich in einer klimatisierten Umgebung und werden manuell entnommen, ähnlich manche Süsswaren, die einen klimatisierten Raum erfordern. Getränke werden auf Paletten gelagert; aus Gewichtsgründen ist eine wegoptimierte Einlagerungsstrategie bei Getränken besonders wichtig. Braunwarenartikel (Raucherzubehör) werden nach der pick-to-light-Methode entnommen. Das heisst, dem Mitarbeiter werden die für einen Auftrag benötigten Waren per Lichtsignal angezeigt. Bei Qualitätszigarren und Süsswaren wird der Mitarbeiter durch ein RF-gesteuertes (Radiofrequenz) Handterminal mit Fingerscanner unterstützt. Bei Grossaufträgen erfolgt die Entnahme oft direkt aus dem Hauptlager, nicht aus dem Kommissionierlager der beleglosen Anlage. Alles in allem sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Prozesse EDV-technisch abzubilden.

Aktuelle Absatzzahlen

Hinzu kommt, dass die Nachfrage vieler Waren saisonbedingt schwankt. In jedem Jahr gibt es Trendsetter, die während einer gewissen Zeit besonders stark nachgefragt werden. Auch kommen laufend neue Produkte hinzu. Auf diese Entwicklungen muss die Logistik kurzfristig reagieren können. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Optimierung der internen Wege. Das Prinzip ist einfach: häufig nachgefragte Artikel erhalten einen vorderen Lagerplatz, weniger gängige einen hinteren. «Die sich ständig ändernden Absatzzahlen und die neuen Artikel müssen von uns permanent berücksichtigt werden», erläutert Jürg Treichler. «Heute sind die Absatzzahlen schnell greifbar, dadurch ist es wesentlich einfacher geworden, in kürzester Zeit neue Lagerplätze zu vergeben.» Für solche Auswertungen musste früher eine spezielle Software eingesetzt werden, die jedoch nur monatliche Reports erlaubte. Die entsprechenden Funktionen der SAP-Software gewährleisten heute eine tagesaktuelle Einsicht in die Absatzzahlen. Als es diese Transparenz noch nicht gab, waren kontinuierliche Prozessoptimierungen weit schwieriger. Meistens ging es auch nicht ohne einen EDV-Fachmann, der gewisse Parameter neu definierte oder Funktionen programmierte. «Wir waren mit dem Altsystem viel zentraler organisiert», führt Roger Bleuer den Gedanken fort, «inzwischen haben wir die Verantwortlichkeiten mehr in die jeweiligen Abteilungen transferiert, das betraf besonders auch die Logistik.» Weiteres Potenzial für Verbesserungen im Gesamtablauf sehen die Logistikspezialisten der Contadis in der Routenplanung; hier ist mehr Flexibilität denkbar, denn die Planungsgrundlage für die zwölf LKWs des hauseigenen Fuhrparks sind bislang fixe Routen. Der Barcode der beleglosen Kommissionieranlage ist im Moment lediglich ein Hilfsmittel für den internen Warentransport. Es hängt nicht zuletzt von der Logistik der Kunden ab, ob der Barcode eines Tages auch als externer Datenträger eingesetzt wird. Auch das wäre möglich.
Ralf Haassengier



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