KI treibt neue Geschäftsmodelle

Technologische Basis

Die aktuell reifsten KI-Technologien, die sich für die ökonomische Verwertung eignen, sind maschinelles Lernen, Natural Language Processing und Bilderkennung. Machine Learning lernt aus Beispielen und kann eigenständig Lösungen für neue und unbekannte Probleme finden. Natural Language Processing versucht, menschliche Sprache zu erkennen und zu verstehen. Und Bilderkennung befasst sich mit der automatischen Erfassung von Fotos, Bildern und Gesichtern.
Diese Technologien lassen sich in unterschiedlichsten Branchen und für verschiedenste Produkte und Services nutzen. Mit Methoden des maschinellen Lernens können etwa Muster in Daten identifiziert und Vorhersagen getroffen werden, beispielsweise für die vorausschauende Wartung eines Maschinenparks. Technologien zum Natural Language Processing ermöglichen es, dass Chatbots mit Kunden interagieren oder fremdsprachliche Texte automatisch übersetzt werden. Mit Verfahren der Bilderkennung wiederum können defekte Teile in der Fertigung automatisch aussortiert oder Menschen identifiziert werden.
Die Umsetzung von KI-Projekten erfolgt heute in der Regel über KI-Tools und KI-Dienste, die sehr oft cloudbasiert sind. Mit Cloud-Machine-Learning-Plattformen wie Azure Machine Learning oder AWS Machine Learning können Unternehmen Machine-Learning-Anwendungen aufbauen. KI-Cloud-Services wie Microsoft Cognitive Services, Google Cloud Vision oder Natural Language APIs erlauben es Unternehmen, komplexe KI- oder Cognitive-Computing-Fähigkeiten anhand einer einfachen API zu nutzen.
Kurzinterview
«KI wird jedes Business betreffen»
Wolfgang Faisst, Gründer & CEO von ValueWorks.ai
ValueWorks
Interview mit Wolfgang Faisst, Gründer & CEO von Value­Works.ai und Leiter der Arbeitsgruppe Geschäftsmodell­innovationen der deutschen KI-Initiative Plattform Lernende Systeme sowie Lehrbeauftragter an den Universitäten Bamberg und Bayreuth.
Herr Faisst, wie sehen Sie die Rolle von KI im Business-Umfeld – speziell beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle?
Wolfgang Faisst: Künstliche Intelligenz ist sicherlich eine der zentralen Technologien beim Thema Digitalisierung und Automatisierung. Sensoren, Maschinen oder Social Media machen immer grössere Mengen an Daten verfügbar. Mithilfe von KI können diese Daten ausgewertet werden.
In welchen Branchen und mit welchen Technologien wird KI für neue Geschäftsfelder sorgen?
Faisst: Im Prinzip wird KI in naher Zukunft jede Industrie beziehungsweise Funktion betreffen. Aktuell ist die KI aber besonders stark im Gesundheitswesen zu finden, der Fertigungsindustrie mit Industrie 4.0, in Handel und Marketing, dem Automobilsektor und der Landwirtschaft. Was die KI-Technologien betrifft, ist Bilderkennung heute Standard – wichtig etwa beim autonomen Fahren, aber auch bei ganz profanen Tätigkeiten wie der Passkontrolle. Fortlaufend verbessert wird die Robotik, die in der autonomen Fabrik eine grosse Rolle spielt. Weiter haben Spracherkennung im Customer Service und Edge AI im IoT grosses ökonomisches Potenzial.
Wie schätzen Sie aktuell das Umfeld für KI-Geschäftsmodelle und Start-ups in Deutschland ein?
Faisst: Die Lage in Deutschland ist nicht optimal. Von den Top-Unternehmensgründungen im Bereich Künstliche Intelligenz, die von internationalen Marktforschern gelistet wurden, kommen nur wenige aus Deutschland. Das sagt schon einiges aus.
Zwar gibt es durchaus Gründungen in Deutschland, aber im Verhältnis zu anderen Ländern sind das viel zu wenige. Das hat verschiedene Ursachen. So ist das Unternehmertum hierzulande nicht so stark ausgeprägt wie in anderen Ländern, Start-ups und KMUs werden nicht so gut gefördert, es gibt zu viel Bürokratie, und nicht zuletzt ist auch das notwendige Wagniskapital in Deutschland nicht oder nur sehr begrenzt vorhanden.
Wie ist die Akzeptanz bei den grossen, etablierten Unternehmen? Fällt KI hier auf fruchtbareren Boden?
Faisst: Besonders in den Sektoren Automobile und Industrie 4.0, in denen Deutschland traditionell stark ist, bewegt sich einiges. Bosch ist als führender Automobilzulieferer sehr aktiv und engagiert sich besonders im Bereich des autonomen Fahrens. Siemens hat eine eigene IoT-Plattform entwickelt, die eine tragende Infrastrukturrolle bei der Industrie 4.0 einnimmt. Dort werden viele der eben genannten Technologien verbaut – aber natürlich branchenspezifisch für die verschiedenen Anwendungsfälle aufbereitet.
SAP wiederum setzt bei Künstlicher Intelligenz auf „Embedded AI“. Das bedeutet, dass SAP KI in seine betriebswirtschaftlichen Anwendungen einbettet, um diese intelligenter und leichter bedienbar zu machen. Im Cash-Management übernimmt zum Beispiel intelligente Software das Matching von Rechnungen und Zahlungen.
Es gibt zahlreiche Bedenken gegen die KI – besonders bei deren wirtschaftlicher Verwertung. Dabei stiften viele neue Geschäftsmodelle doch erheblichen sozialen und ökonomischen Nutzen.
Faisst: Ja. Dazu nur zwei Beispiele: In der Landwirtschaft ist KI eine grosse Hilfe. Über Drohnen mit Kameras und Bilderkennung kann man minimalinvasiven Schädlingsbefall identifizieren und die Schädlinge gezielt bekämpfen – statt die grosse Pestizidkeule zu schwingen. Bald könnte man auch Roboter einsetzen, die dann die Schädlinge entfernen.
Aber auch im Gesundheitswesen sieht man ganz deutlich, wie Künstliche Intelligenz vieles verbessert. Mit Bilderkennung lassen sich Krankheiten systematisch erkennen. An den Ausscheidungen können automatisierte Tests durchgeführt werden. In nächster Zukunft können sogar Nanosensoren in der Blutbahn eingesetzt werden, die Krankheitsindikatoren identifizieren, sodass man dann die Krankheiten schneller bekämpfen kann.
Im Übrigen ist die KI zuverlässiger als der Mensch. Jeder normale Radiologe hat mal einen schlechten Tag und kann etwas übersehen, was die Maschine durchaus erkennt.
Aussenstehende sind oft überrascht, in welche Segmente KI-Technologie vordringt und wo sich neue Geschäftsfelder auftun. Wer hätte etwa gedacht, dass KI in der Juristerei eine Rolle spielt?
Faisst: Ja, im juristischen Bereich wird Legaltech immer wichtiger. Legaltech ist eine Sparte, für die KI-Start-ups Lösungen bauen, um die Arbeitswelt von Anwältinnen und Anwälten zu digitalisieren und die heute noch sehr ineffizienten Prozesse zu verbessern. Juristische Arbeit verläuft ja immer noch relativ wenig digital. Mit Natural Language Processing kann man ganze Aktenberge und auch die juristische Literatur durchsuchen. KI ermöglicht es, Texte automatisiert zu lesen, zu scannen und zusammenzufassen. Das ist ein Intelligenzverstärker für die Anwältin und den Anwalt sowie letztendlich für alle beteiligten Parteien – sowohl auf staatlicher Seite wie auch aufseiten der Unternehmen und Individuen.
Welche Rolle spielen KI-Plattformen wie AWS oder Google beim Aufbau eines KI-basierten Business?
Faisst: AWS, Azure und Google Cloud sind international die führenden IaaS-Plattformen. Aber um KI im Unternehmen produktiv einzusetzen, muss man auch Schnittstellen und Daten verwalten, Data Governance betreiben, Testdaten und Modelle verwalten sowie das entsprechende Management organisieren. Man braucht in jedem Fall ein KI-Betriebssystem, das quasi auf der Cloud-Infrastruktur läuft. Solche KI-Betriebssysteme – neudeutsch heißt das AIOps oder MLOps – werden beispielsweise von One Logic, einem Spin-off der Uni Passau, oder Rapidminer, einem Spin-off der Uni Dortmund, angeboten.
Wo sehen Sie die grössten Stolpersteine beim Aufbau eines KI-Business?
Faisst: Unsere Erfahrungen zeigen, dass vor allem die vier folgenden Punkte den Erfolg verhindern: die mangelnde KI-Kompetenz und die nicht vorhandenen Fachkräfte, das Fehlen qualifizierter Partner, das Fehlen von Daten und Datenplattformen und ein gutes, belastbares Geschäftsmodell.



Das könnte Sie auch interessieren