Experten 07.11.2012, 11:00 Uhr

IT muss Schweizer Banken helfen

Schweizer Privatbanken müssen neue Argumente finden, um sich im internationalen Wettbewerb um lukrative Anleger zu behaupten. IT-Unterstützung spielt eine zentrale Rolle.
Das Bank-Schliessfach bekommt Konkurrenz von der IT (Bild: © Atelier W. – Fotolia.com)
Die Analysten sind sich einig: Um im Wettbewerb mit neuen Finanzdienstleistern zu bestehen, müssen sich die traditionellen Banken wandeln. Forrestersieht die Konzentration auf das Kerngeschäft, das Pflegen der persönlichen Beziehung zum Kunden sowie automatisierte und insbesondere schnellere Geschäftsprozesse als Prioritäten an. Für Analyst Jost Hoppermann bricht das «Zeitalter des Kunden» an, der je länger, je weniger Loyalität kennt und um den Finanzdienstleister im freien Wettbewerb buhlen können. Den Zuschlag gewinnt, wer die besten Konditionen plus den adäquaten Service bietet – allenfalls auch via Facebook. Gartner sieht wie die Kollegen das heutige Bankenwesen als zu wenig agil an. Um Kunden zumindest zu halten, müssen die Finanzkonzerne so schnell wie möglich Altlasten abbauen. Die heutigen Applikations-Portfolios müssten bereinigt und die Kunden mit APIs (Application Programming Interface) sowie Apps gelockt werden. Via API können Banking-Systeme auch Services für externe Anbieter liefern, mit funktionsreduzierten Apps lassen sich Finanzprodukte für die moderne Kundschaft abbilden. «Banken müssen ihre Architektur und ihr Geschäftsmodell ändern, um ihre Profitabilität und ihre Relevanz für die Lieferkette im Finanzwesen zu sichern», rät Kristin Moyer, Research Director bei Gartner.

Lösungen für Schweizer Banken

Während die Analysten insbesondere auch Handlungsbedarf bei Gross- und Retail-Banken verorten, steht das hisige Finanzwesen vor weiteren Herausforderungen. Die ausländischen Steuerfahnder lauern, der Regulierungsdruck steigt und die Anleger wollen ihr Portfolio in intuitiven Tablet-Apps verwalten. Wie Avaloq, Crealogix und Finnova befasst sich auch SunGardmit den Anforderungen seiner aktuell über 50 Schweizer Kunden. Daniel Bardini, COO Ambit Private Banking von SunGard, und Enzo Giannini, SunGards Head of Client Services Ambit Private Banking, skizzieren aktuelle Anfragen und Entwicklungen im hiesigen Private-Banking-Geschäft. Nächste Seite: «Glücksspiel» in Asien In der Schweiz arbeiten 50 Institute mit der Kernbanken-Software von SunGard. Welches sind die aktuellen Herausforderungen?
Daniel Bardini: Das Schweizer Private Banking kommt nicht umhin, sich neu aufzustellen. Vor etwa drei Jahren gab es eine ähnliche Situation in Luxemburg, wo SunGard ebenfalls Kunden hat. Damals schrumpften die Erträge, einige Unternehmen gingen Konkurs. Dortige Privatbanken hatten die Attraktivität für Anleger verloren und mussten neue Leistungsversprechen bieten, um Kunden zurück zu gewinnen. Innerhalb von anderthalb Jahren gelang es den Finanzanbietern, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden und dieses in ein Geschäftsmodell zu verpacken. Heute werben die Luxemburger mit Privatbanking in der Europäischen Union. Mit diesem Argument können Institute hierzulande nicht werben. Und das Bankgeheimnis verliert seine Zugkraft. Droht mit dem schwindenden Bankgeheimnis ein massiver Kapitalabfluss aus der Schweiz? Daniel Bardini: Nein, das denke ich nicht. Aber Schweizer Privatbanken benötigen ein neues Alleinstellungsmerkmal. Eine Option ist die grösstmögliche Diskretion unter Berücksichtigung der Compliance. Kunden trauen es den hiesigen Beratern zu, ihre Assets gewinnbringend zu verwalten. Das können nur Finanzdienstleister in der Schweiz bieten. In Asien bekommen Anleger maximal einen VIP-Retail-Service, aber keine exklusive und individuelle Betreuung wie hierzulande. Sind die Unterschiede zwischen Asien und der Schweiz wirklich so gross? Daniel Bardini: Ja, das würde ich schon sagen. Asien ist ein «Glücksspielbezirk». Das Tagesgeschäft dortiger Privatbankiers beschränkt sich auf Telefonate mit den Kunden. Die Anlageberater führen hauptsächlich Anweisungen aus, eine Initiative ergreifen sie nur selten. Hiesige Vermögensverwalter arbeiten dagegen aktiv, um die Finanzen ihrer Kunden zu mehren. Künftig werden sie eben Steuern mit einkalkulieren müssen. Aber das macht die Gewinne, die Schweizer Berater durch ihr aktives Handeln für die Anleger erzielen können, nicht wett. Aktives Handeln im Finanzwesen erfordert heute Technologie. Die IT wird entsprechend in Zukunft noch wichtiger? Daniel Bardini: Auf jeden Fall. Damit die Schweizer Privatbanken auch in Zukunft zeitgemässe Dienstleistungen anbieten können, benötigen sie neue Technologien. Kunden wollen Selbstbedienung, Kunden wollen mobile Anwendungen und interaktive Ansichten. Das sind gute Nachrichten – auch für SunGard. Nächste Seite: Private Banking am iPad Verwenden Kunden von Privatbanken wirklich das iPad für einen Blick in ihr Portfolio?
Daniel Bardini: SunGard hat eine Lösung für das iPad und das iPhone seit rund zwei Jahren im Programm. Interesse bekunden einerseits die Anleger, andererseits aber auch die Berater. Während zum Beispiel in Asien die Nachfrage schon gross ist, da Berater nur Empfehlen und die Kunden die volle Kontrolle haben, ist hierzulande das Interesse noch gering. Aber der Bedarf wird steigen, denn Schweizer Banken werden das iPad als ein Instrument nutzen, um ihren Kunden bessere Dienstleistungen zu bieten. Wie im Retail-Banking auch erwarten junge, wohlhabende Privatbank-Kunden heute Apps und Online-Dienstleistungen. Sie sind mit dem Internet aufgewachsen und kennen sich mit dem iPad hervorragend aus – also sind die mobilen Kanäle naheliegend für das Portfolio-Management. Die wichtigste Voraussetzung für eine Banking-App ist die Datensicherheit. SunGards App lädt deshalb keine Finanzdaten physisch auf das Mobilgerät, sondern zeigt diese lediglich auf dem Bildschirm an. Also ist es keine App? Daniel Bardini: Doch, es ist eine App. Nach einem Anruf bei dem Bankberater bekommt der Kunde ein Passwort, mit dem er die App herunterladen kann. Dann gewährt das Programm einen Einblick in das Portfolio, listet mögliche Transaktionen und erlaubt Aktionen. Nach dem Schliessen löscht sich die App selbständig. So wird die Vertraulichkeit sichergestellt. Wie viele Ihrer Kunden sind an Mobility interessiert? Daniel Bardini: Wir stehen noch am Anfang. Aktuell sind es zwei Anwenderfirmen und einige, die den Einsatz als Erweiterung des E-Bankings erwägen. Für den internen Gebrauch ist das Interesse der Banken schon grösser. Nächste Seite: Steuer-CDs auf der Spur Weitere Trends im Bankensektor sind BPO und Private Cloud.
Enzo Giannini: Dies sind Rückmeldungen, die wir natürlich auch von unseren Kunden bekommen. Sie spüren den Margendruck bei gleichzeitig vermehrter Nachfrage nach mobilen Anwendungen, steigenden Compliance-Anforderungen und explodierenden IT-Kosten für Altsysteme. Die Industrialisierung ihrer IT-Systeme zum Beispiel durch Outsourcing ist eine veritable Option, um Kosten in den Griff zu bekommen. Der Vergleich mit der Automobilindustrie bietet sich in diesem Zusammenhang an: Henry Ford züchtete am Anfang des 20-sten Jahrhundert noch seine eigenen Kühe, um das Leder für die Sitzpolster des Model Ts selbst produzieren zu können. Heute stammen noch 20 Prozent eines Automobils aus der Fabrik des Herstellers, alle anderen Bauteile werden zugeliefert. Die Auftragsfertiger sind spezialisiert auf einzelne Produkte, die sie viel günstiger fertigen können als der Autobauer selbst. Davon sind Banken aber weit entfernt. Enzo Giannini: Richtig, Banken haben diesen Grad der Industrialisierung noch lange nicht erreicht. Mittlerweile gibt es aber vermehrt Überlegungen, die IT auszulagern, damit sich die Angestellten auf das Kerngeschäft konzentrieren können. SunGard bietet sich sowohl als Hersteller als auch als Betreiber von Banken-Software an. Zusätzlich offerieren Partner auch Desktop-Management und den Betrieb von Exchange-Servern, so dass ein komplettes Auslagern der IT möglich wird. Im Sinne des Cloud Computing bezahlt der Kunde dann nur für Leistungen, die er auch wirklich bezieht. Wie lösen Sie die Datenschutz-Frage?
Daniel Bardini: Banken beziehen nur die Computing-Leistung aus dem Rechenzentrum und den Service vom Outsourcing-Provider. Die Kundendaten bleiben in ihren eigenen vier Wänden. So lassen sich Datendiebstahl oder der Verkauf von Steuer-CDs vermeiden. Vor zehn Jahren wären solche Fälle noch grösstenteils unmöglich gewesen. Der Name des Anlegers und alle persönlichen Informationen standen auf Karteikarten, die in Tresoren verwahrt waren. Datenverlust war kein Thema, da kein Mitarbeiter das Gebäude mit dem Tresor unter dem Arm verlassen konnte. Seitdem wurden im Zuge der Optimierung von Betriebsabläufen, Bestrebungen zum Straight Through Processing und dem elektronischen Archivieren die Karteikarten durch elektronische Akten ersetzt. Heute kann jeder Angestellte vertrauliche Informationen via USB-Stick abziehen und mit dem daumennagelgrossen Chip am Sicherheitspersonal vorbei das Haus verlassen. Schreiben SunGard-Kunden neu wieder Karteikarten? Daniel Bardini: Selbstverständlich nicht. Aber in der SunGard-Lösung ist das Karteikarten-System virtuell abgebildet. Die Software trennt strickt die vertraulichen, persönlichen Informationen von den operationalen Daten. Beide kommen nur zusammen, wenn es im Banking-Prozess zwingend erforderlich ist – etwa wenn beim Senden einer Swift-Anweisung der Empfänger definiert sein muss. Damit sind im Produktivsystem zu einem beliebigen Zeitpunkt niemals mehr als ein Dutzend Namen unterwegs. Diese Information liesse sich mit viel krimineller Energie abgreifen, eine vollständige Liste aller Anleger aber keinesfalls. Die Steuerdaten-CDs wurden also offenbar nicht aus SunGard-Systemen entwendet? Daniel Bardini: (lacht) Nein, selbstverständlich nicht!


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