Das Herz der Digitalisierung

Im Gespräch mit Jens-Peter Feidner von Equinix Deutschland

Jens-Peter Feidner: Geschäftsführer bei Equinix Deutschland.
Quelle: Equinix
Das Thema Rechenzentren nimmt in Zeiten der Digitalisierung  immer grösseren Raum ein. Was heisst das für die Data-Center und wie sehen sie in ein paar Jahren aus? Vor allem eine sogenannte grüne Digitalisierung werde zum zentralen Designkriterium neuer Rechenzentren, prognostiziert Jens-Peter Feidner im Interview mit com! professional. Er ist Geschäftsführer Deutschland beim Rechenzentrumsbetreiber Equinix.
Computerworld: Herr Feidner, das weltweite Datenvolumen nimmt exponentiell zu. Wo sollen all diese Daten künftig gespeichert und verarbeitet werden? Kommen die Rechenzentrums­betreiber überhaupt hinterher, ihre Kapazitäten entsprechend anzupassen?
Jens-Peter Feidner: Das physische Bauen wird wohl erst einmal nicht aufhören, sich aber verändern, indem unter anderem auch die Nachhaltigkeit einbezogen wird. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass die Auslastung neuer Geräte viel effizienter geworden ist. Wo früher die Server nur zu 20 Prozent ausgelastet waren, sind es heute oft zwischen 60 und 80 Prozent. Zudem führt eine stärkere Virtualisierung auch dazu, dass Hardware immer standardisierter und somit effizienter wird.
Computerworld: Das DE-CIX meldet einen Traffic-Rekord nach dem anderen. Was ist entscheidend dafür, dass die Netze und Rechenzentren den aktuellen Anforderungen standhalten?
Feidner: Die digitale Transformation hat sich durch die Covid-19-Pandemie in vielen Branchen beschleunigt. Das öffentliche Internet allein könnte diesen Datenverkehr schon heute nicht mehr ohne Weiteres abdecken.
Viel mehr spielt die private Interconnection eine entscheidende Rolle beim Datenaustausch zwischen Unternehmen. Hierbei vernetzen sich Unternehmen im Rechenzentrum mittels privater und direkter Anbindungen latenzarm miteinander und mit Clouds und anderen Services. Wir gehen davon aus, dass Anbieter digitaler Services ihre Bandbreite für private Konnektivität bis 2023 um das Fünffache erhöhen werden.
Computerworld: Sie haben das Thema Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Data-Center gelten als enorme Stromfresser. Mit welchen Technologien lassen sich Rechenzentren klimafreundlicher machen?
Feidner: Bessere und standardisierte Konzepte im Design der Rechenzentren helfen dabei, diese effizienter zu gestalten. Dazu gehören zum Beispiel begrünte Fassaden oder die Möglichkeit, die Abwärme von Rechenzentren für städtische Nah- oder Fernwärmenetze nutzbar zu machen.
Computerworld: Haben sich in den vergangenen Jahren eigentlich die Ansprüche der Kunden an ein Data-Center verändert?
Feidner: Moderne Rechenzentren sind weit mehr als blosse Server-Hotels - vielmehr sind sie ein Marktplatz für Infrastruktur­lösungen, Konnektivität und Services geworden. So ermöglichen Rechenzentren ihren Kunden den schnellen Aufbau einer skalierbaren Infrastruktur und vernetzen sie mit Partnern, Clouds und mit Managed Services, die alle Teil des Interconnection-Ökosystems sind.
Eine zunehmend wichtige Rolle spielt hier auch der Channel, über den Rechenzentrumskunden nicht nur von den Data-Center-eigenen Services profitieren, sondern auch von denen der Partnerlandschaft. Unternehmen können so ihre Effizienz und Innovationskraft steigern und müssen gleichzeitig weniger in den Aufbau und Betrieb der eigenen Hardware investieren. Rechenzentren fördern damit den sicheren Austausch zwischen Unternehmen und agieren über die bereitgestellten digitalen Ökosysteme als Digitalisierungsbeschleuniger.
Computerworld: Welchen Einfluss hat Ihrer Erfahrung nach der Trend zum Edge-Computing?
Feidner: Laut einer von uns durchgeführten weltweiten Umfrage unter IT-Entscheidungsträgern führt die Hälfte die Verlagerung ihrer Infrastruktur an die Digital Edge als einen der wichtigsten Eckpfeiler ihrer Technologiestrategie auf. Rechenzentrumsanbieter können Unternehmen entscheidend beim Aufbau einer Edge-Infrastruktur unterstützen, indem sie Zugänge zu relevanten Cloud-Services, Netzwerk-Providern und Partnern möglichst nah am Kunden und Netzwerkrand bereitstellen.
Computerworld: Eine Rolle dürfte hier sicher auch der 5G-Standard spielen …
Feidner: 5G-Anwendungen spielen für grosse Rechenzentren eine wichtige Rolle, da sie Anbietern von Netzwerk-Services direkte und sichere Verbindungs- und Aggregationspunkte zwischen 5G-Netzwerkknoten bereitstellen. Für 5G-Betreiber bedeutet dies, dass sie den Einsatz kleinerer Edge-Standorte reduzieren und auf diese Weise ihre Investitionskosten minimieren können.
Computerworld: Das klingt alles so, als hätte das Rechenzen­trum im Keller von Unternehmen allmählich ausgedient. Ist das
der Fall?
Feidner: Mit der Nachfrage nach Cloud-Connectivity ist auch der Bedarf an Co-Location- und Interconnection-Rechenzentren gewachsen. Die zentralen und auf Silos basierenden Rechenzentren vieler Unternehmen erfüllen damit immer weniger die Anforderungen moderner Cloud-Architekturen. Besonders für hybride oder Multi-Clouds benötigen Unternehmen direkten und schnellen Zugang zu relevanten Cloud-Partnern und einem umfassenden Ökosystem.
Computerworld: Blicken wir noch kurz in die Glaskugel: Wie sehen Rechenzentren im Jahr 2025 aus?
Feidner: Unternehmen werden Rechenzentren künftig nicht mehr nur als IT-«Backbone» für die Herstellung von Produkten sehen. Umgekehrt gehen wir davon aus, dass die physische Produktion den digitalen Services, Webshops und Produktentwicklungen nachgelagert sein wird, die sich aus den Interconnection-Ökosystemen innerhalb der Rechenzentren ergeben.
Ein grosses Thema ist zudem auch die sogenannte grüne Digitalisierung: Energieeffizienz und Nachhaltigkeit werden zu einem zentralen Designkriterium beim Bau neuer Rechenzentren. Der Bezug von Ökostrom, die Bereitstellung von Abwärme und der Einsatz neuer Kühltechnologien sind hier nur als einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus werden sich spezialisierte Rechen­zentrums­typen etablieren, die jeweils individuelle Kundenbedürfnisse bedienen. Dazu zählen beispielsweise auf der einen Seite grosse Hyperscaler für Cloud-Provider und Big-Data-Anwendungen. Auf der anderen Seite ist eine Zunahme von flexiblen und regional verteilten Rechenzentren etwa für das Edge-Computing zu erwarten.



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