10.06.2014, 11:41 Uhr

Chatterbot besteht Turing-Test

Eine Pressemitteilung über einen «Meilenstein» in der Computerentwicklung verzückte US-Medien. Doch ein Durchbruch in künstlicher Intelligenz sieht anders aus.
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Alan Turing
Alan Turing, Computerwissenschaftler, Mathematiker und Philosoph beschäftige sich in den 50er-Jahren mit der Frage, ob Maschinen je einmal denken können und wie das festgestellt werden könnte. Er ersann den bekannten Turing-Test. Dieser soll es einem Menschen ermöglichen, herauszufinden, ob er mit einer Maschine oder einem Menschen spricht. Sein Testszenario sah folgendermassen aus: Ein Mensch (Juror) stellt schriftliche Fragen und bekommt auf jede Frage zwei Antworten. Eine von einem Menschen  und eine andere von einer Maschine. Nach Erhalt der Antworten hat der Juror 5 Minuten Zeit, die Antworten zu bewerten und zu sagen, welche von einer Maschine stammen. Turing vermutete, dass es im Jahr 2000 möglich sein sollte, Computer so zu bauen, dass der durchschnittliche Anwender eine höchstens 70-prozentige Chance habe, Mensch und Maschine erfolgreich zu identifizieren. Soweit die - für einen in Stochastik durchschnittlich gebildeten Menschen relativ komplexe - Ausgangslage. Inzwischen liegen sechs Jahrzehnte zwischen der Skizzierung des Tests und den momentan technischen Entwicklungen. IBMs Supercomputer Deep Blue oder Watson gewannen in Schach oder Jeopardy gegen absolute Koryphäen auf diesem Gebiet. Doch auch diese Computer wurden noch nie mit dem Turing-Test in Verbindung gebracht. Ebensowenig die digitale Sprachassistentin Siri von Apple. Daher erstaunte umso mehr, dass die Universität von Reading (UK) in einer Pressemitteilung verkndete, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit eine Maschine den Turing-Test bestanden hätte. Amerikanische News-Portale wie die Huffington-Post oder The Verge nahmen die Meldung sogleich als Sensation auf, berichteten von Durchbruch bei der künstlichen Intelligenz, wohl nicht genau wissend, was ein Chatterbot überhaupt können muss. Auch bei den Begriffen von Chartbeat Rising hielt sich der Turing-Test relativ lange an erster Stelle.

Chatterbot macht auf 13-jährigen, ukrainischen Jungen

Dazu gibt es zu sagen: Die Meldung sollte nicht so heiss gegessen werden, wie sie gekocht wurde. Das Programm, ein Chatterbot namens Eugene Goostman (also keine künstliche Intelligenz bestehend aus Supercomputern), wurde als 13 jähriger ukrainischer Junge mit Englischkenntnissen als Fremdsprache entworfen. Anscheinend machte das Programm seine Aufgabe so gut, dass rund 33% der 30 Juroren nicht merkten, dass sie während 5 Minuten mit einem Computer Konversation betrieben. Zu erwähnen ist, dass das Eugene-Programm im Jahr 2012 die 30%-Marke nur knapp verfehlte. Hier gibt es einen Eindruck, wie eine solche Konversation aussehen könnte. Die Protokolle mit Eugene sind jedoch unter Verschluss. Die Universtität weigerte sich, diese der englischen Zeitung The Telegraph herauszugeben. Auch ist die Anzal der Probanden (30) nicht über alle Zweifel erhaben. So haben über 1200 Personen den Chatterbot namens Cleverbot im Jahr 2011 bei einem formalen Turing-Test in 59% der Fälle für menschlich gehalten. Der Verantwortliche Programmieren von Eugene, Vladimir Veselov, sagt zu den Leistungen seines Eugene, dass er ein Programm schreiben wollte, dass auch fähig ist, zu sagen, dass es etwas nicht weiss. Von einem 13-jährigen Jungen kann man übrigens durchaus erwarten, dass er nicht alles weiss - und was er weiss, auch noch in nicht gerade mustergültigen Englisch von sich wiedergibt. Auf jeden Fall scheinen wir immer noch weit weg von Szenarien wie HAL 9000 aus «A Space Odyssey», dem «Computer» auf Raumschiff Enterprise oder Skynet aus dem Terminator-Filmen. Wir nehmen die Meldung auf jeden Fall wohlwollend zur Kenntnis, ebenfalls der Umstand, dass ausgerechnet jetzt der 60-jährige Geburtstag des Turing-Tests gefeiert wird. Und hoffen, dass wir irgendwann mit Siri auch im Offline-Modus vernünftige Gespräche führen können.



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