Digitaler Holzbau
22.08.2018, 06:01 Uhr
Auf der Suche nach dem perfekten Schatten
Am Computer entwickelt und mit Hilfe von Robotern gebaut: ETH-Studierende haben eine Holz-Pergola gebaut, welche die sonnenexponierte Terrasse des Istituto Svizzero in Rom zu einem angenehmen, schattigen Ort macht.
Die Konstruktion der Pergola kommt ohne Leim, Nägel oder Schrauben aus
(Quelle: Martina Cirese / cirese.martina@gmail.com)
Dieser Bericht ist zuerst auf ETH-News erschienen
Wozu digitale Technologien in der Architektur fähig sind, lässt sich seit kurzem am Istituto Svizzero in Rom zeigen. Auf der Terrasse eines Nebengebäudes des Schweizer Kulturinstituts steht seit Juni ein aussergewöhnlicher Holzpavillon. Auffallend an der bis zu vier Meter hohen Konstruktion sind die kurzen Holzelemente, die nur durch Holzdübel verbunden sind.
Das System aus Holzelementen weitet und verdichtet sich und schafft so je nach Sonnenstand immer neue Schattenplätze. «Wer die Struktur der Pergola genauer betrachtet, entdeckt in der Anordnung ein Regelwerk, das auf den digitalen Ursprung der Konstruktion hinweist. Jedes Holzelement ist Teil eines grösseren Systems und so lassen sich die feinen Übergänge erklären, die dem Pavillon seinen Namen gaben: «Gradual Assemblies», sagt Hannes Mayer, Programmleiter des entsprechenden MAS-Programms und Oberassistent an der Professur für Architektur und Digitalen Fabrikation.
Terrasse als Bauplatz
Zum Bau des Pavillons eingeladen hatte das Istituto Svizzero. Als Bauplatz war den Studierenden die L-förmige, 250 Quadratmeter grosse Travertin-Terrasse auf einem Nebengebäude des Istituto Svizzero vorgegeben. Diese ist den ganzen Tag der sengenden Römer Sonne ausgesetzt und trotz schöner Lage kaum zu nutzen.
Für die Studierenden war dieses Projekt eine besondere Herausforderung: «Rom war einst eine Stadt der Innovationen in der Architektur, die Kunst und Technik zusammenbrachte. Heute nehmen wir sie vorwiegend als einen historischen Ort war», sagt Mayer. «Wir hatten also die Möglichkeit, ein Stück Innovationskraft nach Rom zurückzubringen.»
Dies gelang den 17 Studierenden in äusserst kurzer Zeit. Sie entwarfen, entwickelten und bauten den Pavillon innerhalb von nur zehn Wochen. Davon entfielen knapp drei Wochen auf die Herstellung der Elemente in Zürich; eine Woche brauchten sie, um den Bau auf der Terrasse zu errichten. Anfang Juni stand die Konstruktion und wurde feierlich eröffnet.
Rein digitale Prozesskette
Die Entwicklung und Fabrikation der Pergola folgten einer rein digitalen Prozesskette. Dabei führten die Studierenden den Entwurf, die Ergebnisse einer Sonnenstandssimulation zur Positionierung der Holzelemente, die konstruktiven Rahmenbedingungen sowie die Fabrikationsdaten in einem digitalen Modell zusammen.
«Mit herkömmlichen Methoden wäre es unmöglich, die 700 Holzelemente und 2700 Buchenholzdübel in ihrer Position zu definieren, so dass sich ein so dynamisches wie harmonisches Gesamtbild ergibt. Hier braucht es Regeln, die in Algorithmen übersetzt die vielen Einzelelemente zu einem leistungsfähigen schönen Werk vereinen», hebt Mayer die Vorzüge der digitalen Entwicklung hervor.
Die Wechselwirkung von Dübeln und Holzlamellen bei dieser Konstruktion hat den Vorteil, dass sich eine offene Struktur bauen lässt. Dies ermöglicht es zudem, dass der Pavillon einer kurvigen Linie folgt und sich die trägerartigen Bauteile verjüngen oder auffächern. Die Studierenden montierten in Rom elf Träger aus 22 Einzelelementen und fügten sie zu einer scheinbar nahtlosen Gesamtstruktur zusammen.
Kein Leim, keine Nägel, keine Schrauben
Hergestellt wurden sämtliche Elemente der Pergola im Robotic Fabrication Laboratory an der ETH Zürich. Über das digitale Modell wurden zwei Roboterarme angesteuert, die an einer beweglichen Brücke von der Decke des Instituts für Technologie in der Architektur auf dem ETH-Campus Hönggerberg installiert sind. Der eine Arm platzierte die Holzlatten millimetergenau, der andere bohrte Löcher für die Holzdübel in unterschiedlichen, gegenläufigen Winkeln, was die festigende Wirkung der Dübel verbesserte. «Für diese Arbeit ist der Roboter ein perfektes Werkzeug, denn er kann die einzelnen Elemente sehr präzise im Raum positionieren. Dank ihm lassen sich komplexe und differenzierte digitale Entwürfe in die physische Welt übertragen», betont Mayer.
Ganz ohne Mensch ging es jedoch nicht. Die Studierenden mussten alle Holzdübel in Handarbeit einschlagen. Diese wurden zuvor in einem Ofen getrocknet. Dadurch schrumpfte das Holz, sodass sich die Dübel in kleinere Bohrlöcher einschlagen liessen. Einmal platziert, wurden sie wieder befeuchtet, sodass sie aufquollen und sich mit den entsprechenden Holzelementen fest verbanden. Abgesehen von der Verbindung der metallenen Bodenplatten mit den Trägern kommt der Pavillon somit gänzlich ohne Leim, Schrauben oder Nägel aus.
«Holz und Feuchtigkeit spielen hier mit den digitalen Entwurfs- und Fabrikationswerkzeugen zusammen, um die Technik der Holz-Holzverbindungen weiterzuentwickeln», sagt Mayer. «Die Technik der Holz-Holzverbindungen erlebte bereits im Mittelalter eine erste Blüte und wurde später vom industriellen Bauen verdrängt. «An der ETH Zürich tritt sie nun wieder aus dem Schatten, um in Rom einen wunderbaren neuen Schatten zu werfen.»
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