Neue Methode
19.09.2019, 11:34 Uhr
Künstliche Intelligenz erforscht dunkle Materie im Universum
Physiker und Informatiker der ETH Zürich haben einen neuen Zugang zum Problem der dunklen Materie und dunklen Energie im Universum entwickelt. Sie programmierten Computer so, dass diese selbstständig relevante Informationen aus Himmelskarten gewinnen können.
Ausschnitt aus einer typischen computergenerierten Massenkarte der dunklen Materie, wie sie von den Forschen zum Trainieren des neuronalen Netzwerks benutzt wird
(Quelle: ETH Zürich)
Herauszufinden, wie unser Universum zu dem wurde, was es heute ist, und welches Schicksal es dereinst erwartet, ist eine der grössten Herausforderungen der Wissenschaft. Das Ehrfurcht einflössende Schauspiel ungezählter Sterne in einer klaren Nacht gibt uns eine Ahnung von der Tragweite des Problems, und doch ist das nur ein Teil der Geschichte. Das grössere Rätsel besteht in dem, was wir nicht sehen können, zumindest nicht direkt: dunkle Materie und dunkle Energie. Da dunkle Materie das Universum zusammenhält und dunkle Energie es sich ausbreiten lässt, müssen Kosmologen genau wissen, wieviel der beiden Arten es da draussen gibt, um ihre Modelle zu verfeinern.
An der ETH Zürich haben sich nun Wissenschaftler des Departements Physik und des Departements Informatik zusammengetan, um mit Hilfe von künstlicher Intelligenz die Standardmethoden zur Schätzung des Gehalts an dunkler Materie im Universum zu verbessern. Sie verwendeten dazu innovative Algorithmen für maschinelles Lernen, welche viel mit denen gemeinsam haben, die von Facebook und anderen sozialen Medien für die Gesichtserkennung benutzt werden. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Physical Review D veröffentlicht.
Gesichtserkennung für die Kosmologie
In Aufnahmen des Nachthimmels gibt es zwar keine Gesichter zu erkennen, doch Kosmologen suchen nach etwas ganz Ähnlichem, wie Thomas Kacprzak erklärt, der als Forscher in der Gruppe von Alexandre Refregier am Institut für Teilchenphysik und Astrophysik arbeitet: «Facebook benutzt seine Algorithmen, um in Bildern Augen, Münder oder Ohren zu finden; wir benutzten unsere, um nach den charakteristischen Anzeichen von dunkler Materie und dunkler Energie zu suchen.»
Da dunkle Materie nicht direkt in Teleskopaufnahmen sichtbar ist, vertrauen Physiker darauf, dass alle Materie – auch die dunkle Sorte – die Bahnen von Lichtstrahlen, die von fernen Galaxien auf der Erde ankommen, leicht verbiegen. Dieser Mechanismus, bekannt als «schwacher Gravitationslinseneffekt», verzerrt die Bilder der Galaxien auf subtile Weise, ganz ähnlich wie weit entfernte Objekte verschwommen aussehen, wenn das Licht an einem heissen Tag Luftschichten mit verschiedenen Temperaturen durchquert.
Kosmologen können diese Verzerrung ausnutzen und rückwärts rechnen, um so Massenkarten zu erstellen, die zeigen, wo sich dunkle Materie befindet. Anschliessend vergleichen sie diese Massenkarten der dunklen Materie mit theoretischen Vorhersagen, um dasjenige kosmologische Modell zu finden, das am besten mit den Daten übereinstimmt. Normalerweise werden dazu von Menschen entwickelte statistische Grössen wie etwa sogenannte Korrelationsfunktionen verwendet, die beschreiben, wie verschiedene Teile der Massenkarten miteinander in Bezug stehen. Solche Grössen sind allerdings nur bedingt nützlich, wenn es darum geht, komplexe Muster in den Massenkarten zu finden.