Digitalradio
11.06.2018, 15:15 Uhr
Ade UKW!
Das analoge UKW-Radio verschwindet in den nächsten Jahren vollständig. Sie brauchen neue Geräte. Computerworld verrät alles Wichtige zum Digitalradio «DAB+».
Besonders die älteren Semester unter unserer Leserschaft haben seit den 1940er-Jahren viele Technologien boomen, in praktisch jeden Haushalt einziehen und sich verändern sehen: Radio, Fernsehen, Telefonie (inklusive Handys) und Internet. Zweifellos hat Letzteres (zusammen mit der «Compact Disc») einem grossflächigen und nicht mehr aufzuhaltenden Digitalisierungsprozess den Boden bereitet. Gesprochene Sprache, Musik, geschriebene Texte, Filme – all dies sind Dinge, die sich heutzutage verlustfrei digitalisieren (in Bits codieren) lassen und darum in der Praxis seit Jahren auch digitalisiert werden.
Die Digitalisierung in allen Bereichen eröffnet den Konsumenten viele interessante Nutzungsmöglichkeiten. Oder wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass man mittels Internettelefonie gratis stundenlange Gespräche mit Menschen in Übersee führen könnte – sogar mit hochauflösendem Livevideobild? Wer hätte damals gedacht, dass man eine ganze Plattensammlung auf eine Harddisk bringt, die in der Hosentasche Platz hat? Und wer hätte geahnt, dass man dereinst aus Dutzenden Radiosendern wählen kann, von denen jeder einzelne so kristallklar klingen kann, als stünden die Sprechenden direkt vor einem?
Die Abkürzung «DAB» steht für «Digital Audio Broadcasting» und bezeichnet die Ausstrahlung von Radioprogrammen mittels digitaler statt analoger Technologie. Das «+» in «DAB+» ist eine Weiterentwicklung des DAB-Standards, die eine noch bessere Tonqualität und mehr Sender pro Gebiet erlaubt.
Der Himmel ist voll
Nach dem Ende der analogen Telefonie ist ab 2019 die analoge Radioübertragung an der Reihe, durch eine digitale Lösung ersetzt zu werden. Dies hat die Arbeitsgruppe Digitale Migration (DigiMig), bestehend aus Vertretungen von öffentlich-rechtlichen und vielen privaten Radioanbietern, im Jahr 2014 in einem Ablaufplan beschlossen. Keine Bange: Ihre Lieblingsradiosender bestehen weiterhin, werden aber ab etwa 2020 sukzessive auf die neue Technologie DAB+ umsteigen; den ersten UKW-Sendern wird der Stecker gezogen. Die Radiokonzessionen verpflichten die Sender nur noch bis ins Jahr 2020, eine UKW-Ausstrahlung anzubieten. Darum ist davon auszugehen, dass ab dann ein Sender nach dem anderen nur noch auf DAB+ setzt.
Die allermeisten Schweizer Privatradios und alle Sender der SRG strahlen ihr Programm schon jetzt parallel auch via DAB+ aus. Spätestens 2024 – dort hat die Schweizer Radiobranche den Pflock eingeschlagen – möchte man in der Schweiz keine analogen Radiosender mehr betreiben. Und das ist keine so schlechte Nachricht.
Die Gründe liegen laut DigiMig nicht nur darin, dass man gerne nützliche Zusatzdienstleistungen anbieten würde wie Verkehrs- oder sonstige Text oder gar Bildinformationen. Die verfügbaren Frequenzen sind quasi «voll». Neue (auch lokale) Radioanbieter könnten dadurch nur schwer gegen andere anfunken, weil je nach Gebiet gar keine Frequenzen mehr frei sind. Die Branche hält DAB+ unterm Strich für kostengünstiger, energieeffizienter und für vielseitiger.
Ende 2019 laufen ausserdem die jeweils für zehn Jahre vergebenen und geografisch begrenzten UKW-Konzessionen aus. Neue werden dann keine mehr vergeben, bestehende werden nur noch einmal verlängert – und dies auch nur um fünf Jahre. Der Simulcast-Betrieb (der Parallelbetrieb von UKW und DAB+) ist relativ teuer. Der Bund wird die Branche während dieser Phase finanziell unterstützen, auch mit Marketingmassnahmen sowie mit technischem Ausbau der Infrastruktur, etwa für DAB+-Empfang in Strassentunneln.
Wo Licht ist ...
Die Industrie wiederum ist darüber auch nicht ganz unglücklich, kann sie doch endlich wieder neue Geräte verkaufen. Das führt leider dazu, dass aufgrund des Technologiewechsels wieder haufenweise Geräte bei den E-Schrott-Sammelstellen landen. Jene Radiofans, die bisher UKW die Treue gehalten haben, kommen hierbei übrigens noch relativ gut weg. Für die meisten ist der Umstieg auf DAB+ radiotechnisch der erste.
Nur die sogenannten «Early Adopters», die sich vor rund 15 Jahren bereits mit DAB-Geräten ausgerüstet haben, dürften sich ein wenig ärgern. DAB+ stammt zwar von DAB ab, aber die DAB+-Programme können Sie mit einem älteren DABGerät (ohne das Plus) nicht hören, Bild 1.
Kritische Stimmen monieren zudem, dass die Schweiz bei der Umstellung auf DAB+ vorprescht, während andere Länder (beispielsweise Österreich) erst Testbetriebe aufgenommen haben. Das könnte für Automobilreisende nach Abschaltung der alten Sendeanlagen im Jahr 2024 durchaus zu ungemütlichen Situationen führen, Bild 2.
Die Schweiz wäre für sie eine analoge Radiowüste, bei deren Durchquerung sie zumindest via analoges Autoradio keinerlei Verkehrsinformationen oder Ähnliches erhielten.
Die Empfangsqualität ist in der Regel sehr gut. 99 Prozent der Schweizer Wohngegenden sind damit abgedeckt, Bild 3. Es gibt allerdings Faktoren, die den Empfang beeinträchtigen können, ähnlich wie auch schon bei UKW. So kann der Empfang in stark isolierten Gebäuden oder in der Nähe von Störquellen (manche Haushaltgeräte oder LED-Lampen) abbrechen. Anders als bei UKW führt ein «schlechter» Empfang meistens nicht bloss dazu, dass das gerade angehörte Programm etwas mehr rauscht, sondern sogar ganz abbricht. Sie hören es also unter Umständen entweder komplett (und gut) oder gar nicht.
Ungeklärt ist bislang ebenfalls die Notfallbenachrichtigung der Bevölkerung. Beim Ertönen einer Sirene – so heisst es seit Jahrzehnten – sei man gebeten, das Radio einzuschalten, um sich auf dem Laufenden zu halten. Bloss eignet sich DAB+ (anders als UKW) nicht für den Empfang in Schutzräumen unter dicken Betonwänden. Die Geräte verstehen sich zwar auch mit UKW, aber es ist nach wie vor nicht entschieden, auf welchem Weg man im Katastrophenfall die Bevölkerung flächendeckend und zeitnah informieren könnte. Der Ball für die Klärung dieser Frage liegt momentan beim Bundesrat.
Die häufigsten Fragen
DAB+ ist einfach zu bedienen und bietet nützliche Zusatzfunktionen, Bild 4. Einsteiger dürften dennoch ein paar Fragen beschäftigen. Analoges Radio funkt durch unsere Atmosphäre (terrestrisch) über elektromagnetische Wellen bzw. über analoge Kabelanschlüsse mittels elektrischer Signale, für die ein bestimmter Frequenzbereich zur Verfügung steht. Bei terrestrischem UKW bewegt sich dieser zwischen 87,5 und 108 MHz. Bei der Vergabe einer Sendekonzession muss in den verschiedenen Gebieten darauf geachtet werden, dass zwischen einzelnen empfangbaren Sendern ein ausreichender Frequenzabstand vorliegt, damit sich die Sender nicht gegenseitig stören. Das erklärt auch, wieso im gleichen Gebiet nicht unzählig viele Radiosender gleichzeitig via UKW funken können. Digitalradio im Stil eines DAB+ macht grundsätzlich dasselbe, allerdings mit in Nullen und Einsen codierten Inhalten.
DAB+ ist kein Internetradio!
Ein via Webbrowser oder Smartphone-App empfangbares Radio wird zwar auch «digital» übertragen. Dennoch handelt es sich bei DAB+ nicht um «Internetradio». Dies schlicht darum, weil es kein Internet hierfür braucht. Jenes funktioniert anders: Für Internetradio brauchen Sie ein Gerät mit Internetanschluss und somit auch einen Zugang über einen Provider. Beim Zugriff auf ein Internetradio verbindet sich das Gerät etwa über eine Internetradio-App mit dem Webserver des Anbieters und holt sich dort quasi eine Kopie des von diesem bereitgestellten Programms. Jeder zusätzliche Zuhörer via Internetradio belastet somit die Bandbreite des Servers. Zudem geht bei der Internetverbindung des Zuhörers ebenfalls ein Teil der Bandbreite für die aktuell laufende Radioübertragung drauf. Das ist alles bei DAB+ nicht der Fall. Es ist immer noch Radio.
Wie funktioniert Digitalradio?
Mit Digitalradio (DAB/DAB+) sendet die Radiostation weiterhin ein terrestrisches Signal (via Luft wie bei UKW). Das können alle DAB+-fähigen Geräte gleichzeitig empfangen. Es hat keinen Einfluss auf den Sender, wenn anstelle von zum Beispiel 1000 Geräten 100'000 oder 1 Million zuhören. Die DAB+-Sender werden in einem gemeinsamen Frequenzblock (bis zu 18 Sender pro Block) übertragen. Es kann in jedem Gebiet mehrere Blöcke geben, weshalb auch mehr Sender empfangen werden können. Im für den Artikel zu Testzwecken gekauften kleinen Sony-Digitalradio reichte ein sehr kurzer Suchlauf, um eine Auswahl aus 68 Stationen aufs Display zu zaubern.
Inbetriebnahme und Nutzung
DAB+-Radios lassen sich eigentlich noch einfacher einrichten als ein analoges Gerät. Versorgen Sie es mit Strom. Falls es eine Antenne hat, ziehen Sie diese ganz raus oder legen Sie die Wurfantenne in Richtung eines Fensters. Schalten Sie es ein, startet es meistens schon mit einem Suchlauf. Wenige Sekunden später lässt sich durch die Liste der Sender blättern. Die kommen auch alle gleich mit korrektem Namen daher, damit Sie Ihre Lieblinge nicht lange suchen müssen.
Einige Sender zeigen während des Radiohörens Zusatzinformationen an. Das sind bei Musikstücken fast immer Interpret und Songtitel, es können Links zu weiteren Informationen erscheinen wie etwa zu den Social-Media-Profilen des abgespielten Senders oder Vorabinfos zu den nächsten Programmpunkten. Mit Frequenzen müssen Sie sich nicht mehr herumschlagen.
Wo empfange ich welche Sender?
Die Sendernetze in der Schweiz werden hauptsächlich von drei Organisationen betrieben. Die Abdeckung der SRG-eigenen Sender finden Sie unter dem Link broadcast.ch, jene der kommerziellen Privatradios unter der Adresse swissmediacast.ch und die nicht kommerziellen unter der Internetadresse digris.ch. In Zürich sind es etwa 68 Sender.
Riesige Geräteauswahl
ZoomEs gibt Geräte in jeder erdenklichen Bauform, mit denen Sie Ihre Sender auf DAB+ hören können. Für zu Hause gibt es klassische kleine Küchenradios im Kofferdesign, verschiedenartigste Radiowecker fürs Schlafzimmer, futuristisch gestaltete Geräte fürs moderne Wohnzimmer, Bild 5, oder ein wenig klassischer oder heimeliger gehaltene Geräte für die etwas rustikalere Stube, Bild 6.
Viele Wohnzimmeranlagen unterstützen nicht nur DAB+ (und weiterhin auch UKW), sondern spielen auch MP3 ab dem heimischen Netzwerkspeicher oder ab USB-Stick sowie Internetradio und CDs. Es gibt sogar Geräte, die nebst Schallplatten auch noch – halten Sie sich fest – Musikkassetten abspielen.
Die möglichen Kaufkriterien
Stellen Sie beim Kauf eines Digitalradios folgende Überlegungen an und prüfen Sie die Punkte schon im Laden und – um die Empfangsqualität zu testen – direkt nach dem Kauf zu Hause:
- Soll es ein batterie- bzw. akkubetriebenes Gerät sein oder eines mit festem Stromanschluss?
- Brauchen Sie darin eine Uhr, einen Wecker? Welche Weckfunktionen sind für Sie wichtig?
- Mit wie vielen Sendespeicherplätzen für Ihre Lieblingssender kommen Sie aus?
- Ist eine richtige Teleskopantenne eingebaut oder nur eine Wurfantenne?
- Klingt das Gerät gut genug?
- Können Sie das Display gut lesen?
- Wie wichtig ist Ihnen ein Farbdisplay für Anzeige der via Radiosignal mitgesendeten Zusatzinformationen?
- Sind die Knöpfe oder Regler logisch angeordnet für eine intuitive Bedienung?
- Sind alle benötigten Kabel, Batterien etc. dabei oder müssen Sie noch etwas dazukaufen?
DAB+ auch per Kabel
DAB+ ist grundsätzlich für terrestrische Übertragung gedacht. Es gibt aber auch einen Standard «DAB+ Cable» für die Übertragung übers TV-Kabelnetz, Bild 7. Für die Einspeisung der entsprechenden Signale ist Ihr Kabelnetzbetreiber zuständig. Etwa UPC Cablecom bietet in der Schweiz laut eigener Aussage überall dasselbe Angebot von rund 70 Sendern. Auch hierfür gilt jedoch: Sie brauchen ein Gerät, das den Standard «DAB+ Cable» unterstützt. Kompatible Geräte sind mit einem entsprechenden Logo ausgestattet.
Unterwegs
Natürlich könnten Sie sich unterwegs auch abseits von DAB+ musikalisch berieseln lassen, beispielsweise via Internet. Hierfür wäre aber ein unbegrenztes Datenguthaben (für Spotify, Google Music etc.) nötig oder viel Platz auf dem Handy für MP3-Downloads. Oder man schnappt sich in einem der Onlineshops ein kleines, tragbares DAB+-Gerät wie das DigitRadio von TechniSat, Bild 8.
DAB+ im Auto
Sehr viele – auch preisgünstige – neuere Autoradios unterstützen in der Regel von Haus aus beides: UKW und DAB+. In der Schweiz dürfte es inzwischen sogar schwierig werden, Neugeräte zu finden, die das nicht können. Bis hierzulande die letzten UKW-Sender im Jahr 2024 abgeschaltet werden, dürfte der grösste Teil der Autos mit einem kompatiblen Empfänger ausgestattet sein. Laut Stichproben in deutschen Onlineshops ist auch das Gros der bei unserem nördlichen Nachbarn angebotenen Autoradios bereits DAB+-tauglich.
Wer sich nicht von seinem analogen Autoradio trennen will oder keine Zeit hat, ein neues einzubauen, für den gibts auch relativ preisgünstige DAB+-Adapter. Die Geräte versorgt man meist per Zigarettenanzünder mit Strom und drapiert irgendwo die Wurfantenne hin.
Anschliessend startet man einen Sendersuchlauf, um die digitalen Sender zu finden. Für die Verbindung zwischen dem DAB+-Adapter und dem Autoradio gibt es drei Möglichkeiten: Die beste ist, wenn Sie den Adapter mittels Kabel an einen Aux-Eingang Ihres Autoradios anschliessen können. Die zweitbeste Variante wäre die Funktechnologie Bluetooth, sofern Ihr Autoradio diese unterstützt. Sollten Ihrem Autoradio diese Verbindungsmöglichkeiten fehlen, gibt es noch die «billigste», wenn auch störanfälligste Option: Preisgünstige Adapter senden selbst ein Signal auf einer eigenen, auf dem Display angezeigten UKW-Frequenz, Bild 9. Man braucht das alte Autoradio nur noch auf genau diese Frequenz «einzutunen» – schon tönt DAB+ aus den Autolautsprechern.
DAB+ in den Ferien
Im Moment ist DAB+ hauptsächlich eine europäische Angelegenheit, wobei auch Australien vorne mit dabei ist. Laut Karte auf der Internetseite worlddab.org liegen Nord- und Südamerika punkto DAB+ noch brach. Falls Sie Ihr Radiogerät dorthin mitnehmen, sollte es auch FM/AM bzw. UKW unterstützen, was bei den allermeisten der Fall ist. In wenigen afrikanischen Ländern sowie in Osteuropa und im Fernen Osten gibt es mindestens schon laufende Testbetriebe.