45 IDC-Analysten prognostizieren
04.11.2016, 14:53 Uhr
Multi-Cloud 2.0, KI-Robotics, Biz-Treiber IoT, smarte Prothesen, soziale VR-Netze
45 IDC-Analysten werfen einen detaillierten Blick in die Zukunft, und geben Handlungsempfehlungen. ICT wird zum makroökonomischen Einflussfaktor, der Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft immer schneller verändert.
Das Analystenhaus IDC hat einen Blick in die Zukunft geworfen und präsentiert 10 Trends, die die ICT-Welt in den nächsten 18 bis 36 Monaten entscheidend prägen werden. 45 IDC-Analysten haben geknobelt, analysiert, prognostiziert und in die Zukunft interpoliert. Es steht viel auf dem Spiel: Nicht nur die Tech-Welt wird umgekrempelt, auch Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft verändern sich in einem rasanten Tempo. IDCs Tenor: Die dritte Plattform - Cloud, Mobile, soziale Netze und Big Data - mutiert zu einer makroökonomischen Einflussgrösse. Hinzu kommen die Beschleunigertechnologien Künstliche Intelligenz/Machine Learning, das Internet der Dinge (IoT), Robotics, 3D-Drucker und Virtual/Augmented Reality, die miteinander kombiniert das Tempo des Wandels weiter verschärfen.
Alles verändert sich schneller, als wir es noch vor zwei, drei Jahren erwartet haben, meinen die Analysten. IBM will seine Intelligenzmaschine Watson für jeden nutzbar aufs iPhone bringen. Google hat vor, seine VR-Brille Daydream Mitte November, also rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft, in die Läden zu bringen. Wer bislang dachte, die dritte Plattform im Griff zu haben, wird weiterdenken müssen. Das erwartet uns in den kommenden Jahren: Prognose 1: Bis 2020 wird jedes erfolgreiche Unternehmen zum «Digital Native» 50 Prozent der 2000 grössten Unternehmen erwirtschaften den Löwenanteil ihres Umsatzes mit digital erweiterten Produkten und Services (bis 2020). Dieser Wandel erfasst sämtliche Branchen, auch die technologiefernen. Operations, Lieferketten, Distributionskanäle und Kundennetzwerke werden vollständig digitalisiert oder sind es bereits. Cloud-, Social-, und Big-Data-Projekte, mit denen viele Firmen bislang (nur) experimentiert haben, gehen in den produktiven Einsatz. Über die nächsten drei Jahre wird die Dritte Plattform zum makroökonomischen Einflussfaktor. IDC rechnet damit, dass im Jahr 2019 2,2 Billionen Dollar weltweit in DX-Initiativen fliesst. Also in Projekte, die mit Cloud, sozialen Netzen, Big Data/Analytics und Mobile zu tun haben. Schweizer Standard-Softwareanbieter investieren bereits heute fast jeden vierten Franken in R&D (Swiss Software Industry Survey 2016). Handlungsempfehlung: Schauen Sie, welche Führungskräfte in ihrem Unternehmen die Technologien der Dritten Plattform bereits "erlernt" haben. Halten Sie sich an die IT-Anbieter, die bei schnell wachsenden, grossen und innovativen DX-Transformationsprojekten mitmachen. Prognose 2: Bis 2019 fliessen 75 Prozent aller IT-Investitionen in Cloud, Mobile, Big Data und Social (Dritte Plattform) Diese Prognose überrascht am wenigsten, gibt IDC selbst zu. Aber neue Technologien, die erst in jüngster Zeit die Marktreife erreicht haben, beschleunigen den Wandel dramatisch. Mobile profitiert vom Internet der Dinge und von performanteren 5G-Hochleistungsnetzen. Big Data Analytics wird besser durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Und schliesslich ziehen VR-/AR-Brillen noch mehr Nutzer sozialer Netze in ihren Bann. Sie interagieren in virtuellen Räumen oder gehen 3D-Shoppen. Nächste Seite: Die Multi-Cloud 2.0 ist sicher und smart Prognose 3: Die Multi-Cloud 2.0 kommt und wird sicherer, intelligenter und vertrauenswürdiger - die Industrie profitiert Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren eine Cloud-First-Strategie eingeschlagen oder haben zumindest einige ihrer Dienste in die Cloud verlagert. In Zukunft wird die Cloud sicherer, vertrauenswürdiger und verteilter - es wird leichter, Best-of-Cloud-Dienste verschiedener Anbieter zu kombinieren.
Bis 2018 werden 85 Prozent der Unternehmen Multi-Cloud-Architekturen im Einsatz haben. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Container-Technologie. Cloud-Angebote werden sicherer und vertrauenswürdiger: durch Verschlüsselung, Threat Analytics, User Behaviour Analytics, Blockchain und Cloud-Compliance-Services. Bis 2019 wird mindestens ein Viertel aller global tätigen Banken die Blockchain-Technologie in ihren Produktivsystemen einsetzen. Ein neues, auf Blockchain basierendes IoT-Sicherheitsprotokoll wird verheerende DDoS-Attacken, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben, erschweren oder ganz verhindern. Konsolidierung in Cloud-Anbietermarkt: Bis 2020 werden 5 der heute grössten IaaS-/PaaS-Cloud-Anbieter 75 bis 80 Prozent des Geschäftes unter sich aufteilen. Welche das sein könnten, sagt IDC nicht. Amazon, Google, Microsoft, IBM, Salesforce? Handlungsempfehlung: Halten Sie sich an die Gewinner im Cloud-Markt, die es auch in einigen Jahren noch gibt und die stark genug sind, das rasante Innovationstempo mitzuhalten. Achten Sie in ihrem Unternehmen stärker als bisher auf cloud-affine Skills. Nächste Seite: Künstliche Intelligenz mischt überall mit Prognose 4: Künstliche Intelligenz/ML mischt überall mit - in der Cloud, in Big Data Analytics, in den sozialen Netzen und im IoT
An Künstlicher Intelligenz wird seit Jahrzehnten geforscht. Jetzt durchdringt sie den Markt: als Chat-Roboter in den sozialen Netzen, als smarte Assistenten auf mobilen Geräten. Im Gesundheitswesen hilft sie den Ärzten bei der Diagnose, in der vorauschauenden Wartung (predictive Maintenance) verbessert sie den Kundenservice und verhindert lästige Ausfälle. Banken und Versicherungen erkennen sicherer betrügerische Muster, der Handel optimiert damit seine Verkäufe. KI aus der Cloud - von IBM, AWS, Microsoft oder Google - gibt Software-Entwicklern, die an den Apps der nächsten Generation basteln, eine enorme Power in die Hand. Bis 2018 werden 75 Prozent aller Entwicklerteams KI-Funktionalität in ihre Applikationen integrieren. Besonders das IoT profitiert stark davon.
Denken Sie an Amazons Echo und Google Home. Bis 2019 werden mindestens 110 Millionen amerikanischer Haushalte mit intelligenten Assistenten zu tun haben. Und das, so IDC, sei noch eine sehr konservative Schätzung. Unter den Anbietern entbrennt in den nächsten vier Jahren von 2017 bis 2020 der Kampf um die KI-Vorherrschaft. Die Nase vorn haben die Mega-Player, die auch im Cloud-Geschäft bereits stark vertreten sind. Handlungsempfehlung: Überlegen Sie, wie KI/Machine Learning ihrem Geschäft nutzen könnte: im Kundenservice, der internen Effizienzsteigerung, in der Entscheidungsfindung. Behalten Sie die Roadmaps der grossen KI-/Cloud-Software-Anbieter im Auge. Ist etwas für Ihr Unternehmen dabei? Nächste Seite: Facebook 360 und Google 360 mit Virtueller Realität Prognose 5: Augmented/Virtual Reality hält Einzug ins Marketing der B2C-Firmen Die neuen VR-/AR-Apps werden die heute coolen Applikationen ganz schön alt aussehen lassen. VR und AR wird die Kundenansprache und den Verkauf revolutionieren. Bis 2018, also schon in knapp zwei Jahren, werden 500 Millionen mobile AR-Anwendungen benutzen. Pokémon Go hat gezeigt, wie schnell eine mobile AR-Killer-App praktisch aus dem Nichts die Herzen der Kunden erobert. Das wird in den nächsten Jahren wieder und wieder passieren. Sprachgesteuerte Assistenten werden den Markt erobern (Voice-Fication). Bis 2019 gibt es die ersten, direkt am/im Ohr getragenen digitalen Assistenten (earworn wearables). Bis 2020 wird Facebook zu Facebook 360, mit 360-Grad-Videos und Fotos. Vielversprechende Anfänge gibt es schon heute. Auch Apple, Google, Microsoft und Samsung steigen in den 360-Grad/VR-Markt ein. Bis 2021, so prognostiziert IDC, werden 1 Milliarde Menschen Inhalte, Apps und Daten über eine AR-/VR-Plattform konsumieren. Handlungsempfehlung: Die sehr junge Industrie sucht noch nach Standards: Googles Smartphone-Brille Daydream könnte die weiteste Verbreitung finden, die beste Nutzererfahrung bieten PC-basierte Systeme etwa von HTC oder Oculus-Facebook. In den nächsten 36 Monaten wird es aber noch viele Holzwege, Irrtümer und Fehleinschätzungen geben. Prognose 6: Kollaborative Plattformen für Wirtschaft und Industrie werden sich bis 2018 verdreifachen
Schweizer Firmen gehen Partnerschaften ein, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Bis 2018 soll es 450 kollaborative Plattformen für Industrie- und Wirtschaftsunternehmen geben. Bis 2020 werden 60 Prozent aller Unternehmen bei Compliance-Clouds mitmachen. Das IoT und KI werden die Teilnahme an Partnerschafts-Clouds weiter fördern. Es wird die Regel sein, mit einem oder mehreren der grossen Mega-Cloud-Anbietern wie Amazon, Google, IBM oder Microsoft zu partnern. Denn Industrie-Clouds selbst aufzubauen ist zu komplex und zu kostenintensiv. Handlungsempfehlung: Suchen Sie sich Partner, die ihren Markt verstehen und die bereits viele industriespezifische Referenzen vorweisen können. Nächste Seite: Innovationen in rasantem Tempo Prognose 7: Bis Ende 2017 haben 70 Prozent der 500 grössten Firmen dedizierte digitale Innovationsteams Software-Entwickler und Fachkräfte anzulocken, die sich mit neuen Technologien auskennen, das war noch nie einfach. Jetzt wird die Aufgabe noch schwerer, denn Teams, die für die dritte Plattform plus der Beschleunigertechnologien KI, VR/AR und IoT entwickeln, werden dringend benötigt. Diese sogenannten DX-Fachkräfte (DX steht für Digitale Transformation/Dritte Plattform) werden bis 2019 gleich viel oder mehr Umsatz generieren als die traditionelle Software-Industrie.
DevOps wird das Innovationstempo beschleunigen. Es wird monatliche, wöchentliche oder sogar tägliche Deployments geben. Open-Source weiter im Aufwind: Bis 2020 beziehen diese DX-Entwicklerteams bis zu 80 Prozent ihrer Software von Open-Source-Communities. Prognose 8: Channel-Partner und Cloud-Broker werden für Cloud-Provider immer wichtiger In einigen Jahren werden fünf der heutigen Top-Cloud-Player mindestens 75 Prozent des Marktes unter sich aufteilen. Wer nicht zu den Top 5 oder den Top 10 gehört, wird Cloud-Partner oder Cloud-Broker. Bis 2020 wird sich der Markt der Broker, die kleine und mittlere Firmen bedienen, stark spezialisieren und vertikalisieren. Prognose 9: Die digitale Transformation (DX) verändert KPIs, Arbeit und Ziele Durch den Einsatz von IoT und KI werden sich 20 Prozent aller operationalen Prozesse im Unternehmen selbst heilen und selbst optimieren. Viele Hierarchie-Ebenen werden dadurch nicht mehr benötigt und verschwinden. Ein Drittel aller CEOs wird auch technologisch führen können und Erfahrung damit haben. Der "Digital Native" ist der neue Standard. Nächste Seite: smarte, bessere Techno-Prothesen Prognose 10: Die Vierte Plattform lugt um die Ecke: Körperimplantate und Techno-Hilfen werden 2020 zum Mainstream
Die Vierte Plattform besteht nicht mehr aus einer geschickten Kombination verschiedener Techno-Komponenten. Die Vierte Plattform sind wir selbst. Sie ist der nächste Meilenstein der IT und integriert digitale Technologien in das menschliche Biosystem. Dazu zählen Erweiterungen der Sinne, des Auges, des Hörvermögens, die es in Anfängen heute schon gibt (Cochlea-Implantat für Hörgeschädigte). Ausserdem kognitive Erweiterungen zum Beispiel des Gedächtnisses und eine ganz neue Generation von künstlichen Prothesen und künstlichen Organen. Zudem wird, so prognostiziert IDC, unser Immunsystem widerstandsfähiger, und gegen bestimmte Krankheiten wahrscheinlich sogar ganz immun werden. Die vierte Plattform mit einer Vielzahl unterschiedliche Technologien wird in den nächsten zehn Jahren Gestalt annehmen, und von leidenschaftlichen Debatten über ethische und rechtliche Fragen begleitet werden. Für eine Technologie, die so massiv die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen beeinflusst, ist das kein Wunder. Erste Anwendungen wird es im Gesundheitswesen und in den sogenannten "Life Sciences" geben. Dann werden, so IDC, das Transportwesen und die Unterhaltungsindustrie nachziehen. Schon heute wird das Smartphone als Fahrkarte auf Flughäfen und bei den SBB akzeptiert. Wer will, der kann: In einigen Jahren reicht ein Chip unter der Haut, um sich (als Fahrgast) auszuweisen.