Interview T-Systems Schweiz 08.04.2020, 06:58 Uhr

«Cloud spielt in der Krise ihre Stärken aus»

Schweizer Unternehmen haben IT-Ressourcen in die Cloud verlagert. In der aktuellen Krise profitieren sie nun von höherer Flexibilität, sagt Steven Henzen von T-Systems Schweiz.
Steven Henzen von T-Systems Schweiz hat noch keine «Hamsterkäufe» bei Cloud-Kunden beobachtet
(Quelle: T-Systems Schweiz)
Während des letzten Jahres haben sich viele Schweizer Anwenderunternehmen für eine Auslagerung ihrer IT entschieden. Mehrere Dutzend wählten einen der globalen Cloud Provider, hat Steven Henzen beobachtet. Der Lead Innovation & Technology bei T-Systems Schweiz war bei manchem Entscheid auch als Berater beteiligt. Oder er war als Dienstleister aktiv. Die Kunden profitieren in der aktuellen Krisensituation von den zusätzlich verfügbaren Ressourcen in der Cloud, sagt Henzen im Interview.
Computerworld: Gibt es in der aktuellen Viren-Krisensituation eine verstärkte Nachfrage nach Cloud?
Steven Henzen: In jeder ausserordentlichen Situation gibt es ausserordentliche Ideen und Wege. Was ich nicht feststellen konnte waren «Hamsterkäufe» für Cloud. Im Grundsatz kann ich sagen, dass Dienste, welche bereits vorher in der Cloud waren, sich viel optimaler in der Krise verhalten. Ein hoch- oder runterskalieren der Ressourcen liegt im Ermessen des Unternehmens und ist direkt umsetzbar.
Spontan fällt mir ein Neukunden-Projekt in Deutschland ein, bei dem wir innert weniger Arbeitsstage ein Online-System für Hilfeanträge für Gewerbetreibende auf unserer Open Telekom Cloud zur Verfügung stellen konnten.
CW: Welches sind die grössten Bedenken zur Cloud, mit denen Sie in Kundengesprächen regelmässig konfrontiert werden? Wie reagieren Sie?
Henzen: Ich würde es eher «Mythen zu Cloud» nennen. Spannend ist, dass ein Grossteil der IT-Verantwortlichen, das Thema «Cloud» als Technologie respektive Infrastruktur-Thema wahrnehmen und damit einen Vergleich zur bestehenden klassischen IT vornehmen. An diesem Punkt erkläre ich den Kunden das Cloud ein Betriebsmodell mit vielen Vorteilen sein kann, bei welchem wir die Grundsätze für die IT-Dienstleistungen (zwingend) neu definieren. Zudem gehe ich auf die klassischen Fragen wie Datenschutz, Sicherheit und Standorte ein.
CW: Welche Bedeutung hat die Präsenz der Hyperscaler für den Schweizer Markt?
Henzen: Es ist für den Standort Schweiz wichtig, am Puls der globalen Technologien direkt angeschossen zu sein. Durch die lokale Präsenz der Hyperscaler werden die Kunden dabei unterstützt ihre Cloud-Strategien, unter den lokalen Anforderungen wie beispielweise die Datenhaltung in der Schweiz, umzusetzen. Für uns ergeben sich weitere Geschäftsoptionen, bei denen wir den Kunden Managed Services auf den Hyperscalern anbieten können.
Zur Person
Steven Henzen
leitet seit über fünf Jahren den Bereich Innovation & Technology bei T-Systems Schweiz. Zuvor war er während gut drei Jahre als Senior Enterprise Architekt bei dem Unternehmen beschäftigt. Henzen lancierte seine Karriere beim Finanzdienstleister SIX, wo er 2002 als Application Development Engineer einstieg und ab Ende 2009 als ICT Architect beschäftigt war. Parallel schloss der Diplominformatiker einen Master of Advanced Studies in IT-Reliability an der Fachhochschule für Technik in Zürich ab.

«Kunden wählen zuerst die Public Cloud»

CW: Welche technischen Entwicklungen im Cloud-Umfeld sollten IT-Verantwortliche verfolgen?
Henzen: IT-Verantwortliche sollten sich mit der «IT Operation for Digital Age» (IO4DA) vertraut machen. Ziel ist es, anhand des digitalen Geschäftsprozesses die benötigten IT-Dienstleistungen zur Laufzeit in der richtigen Grösse am richtigen Ort in Notime zur Verfügung zu stellen. Dafür sind Vertiefungen rund um die Cloud von grösserem Nutzen. Beispielsweise: Was ist GitOps? Was ist eine Immutable Infrastruktur? Oder was ist ZeroTrust? Können diese Fragen beantwortet werden, kann es gut sein, dass das Ziel-Bild in einer Multi-Cloud-Umgebung realisiert und eine hohe Automatisierung erreicht werden kann.
CW: Welche Trends sehen Sie im Schweizer Markt für Cloud Computing?
Henzen: Für mich ist gut zu erkennen, dass die Maturität zu Cloud Computing und der Reifegrad der Clouds in den letzten zwei Jahren zugenommen haben. Vom Begriff Multi-Cloud wird gerne gesprochen, jedoch ist dieser Bereich weiter zu entwickeln respektive hier gibt es noch Aufklärungsarbeit zu tun. Aktuell in den Fokus rückt mehr das Hybrid-Cloud-Deployment-Modell. Ich kann mir gut vorstellen, dass nach der aktuellen Krise dies vermehrt auf den Agenden der CIOs, CDOs und CTOs steht.
CW: Hybrid Cloud gilt als der Königsweg. Wo stehen Schweizer Anwender bei der hybriden Cloud?
Henzen: Hybride Modelle sind sehr erfolgsversprechend, auf strategischer Ebene sehe ich diese Ausrichtung auf der Kundenseite noch nicht allzu stark. Viele Unternehmen haben sich vor kurzem für den Public-Cloud-First-Ansatz ausgesprochen und sind noch nicht bereit, die Transformation in Richtung hybrider Cloud-Modelle anzugehen. Hinzukommt, dass hybride Modelle für Unternehmen geeignet sind, welche eine grosse Maturität in den digitalen Geschäftsprozessen aufweisen.
CW: Welches bemerkenswerte Kundenprojekt im Cloud-Umfeld haben Sie im letzten halben Jahr umgesetzt?
Henzen: Ein sehr spannendes Projekt war der Aufbau und die Integration von High Performance Computing (HPC) Ressourcen in eine bestehende Hybrid Cloud. Das Ziel war es, dass diese HPC-Ressourcen künftig im Bereich der künstlichen Intelligenz eingesetzt werden können. Aktuell sind wir in der zweiten Phase, in der wir die Deployment-Prozesse in ein GitOps-Modell überführen und durchgängig per CI/CD-Pipeline automatisieren. Das Herausragende ist, dass wir in der Hybrid Cloud der T-Systems verschiedene Technologien integrieren können, ohne das Betriebsmodell zum Kunden anzupassen.
Zur Firma
T-Systems Schweiz
beschäftigt an mehreren Standorten in der ganzen Schweiz rund 560 Mitarbeiter. Daneben betreibt das Unternehmen eigene Rechenzentren im Raum Bern. Die Muttergesellschaft T-Systems ist als Grosskundensparte der Deutschen Telekom in über 20 Ländern aktiv. Sie zählt fast 37'500 Angestellte und erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 6,9 Milliarden Euro.
www.t-systems.ch



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