Hausmesse «VMworld»
30.08.2019, 13:23 Uhr
VMware setzt voll auf Container
VMware gibt sich der zunehmenden Container-Dominanz geschlagen und versucht die Flucht nach vorne. An der Hausmesse «VMworld» nannte CEO Pat Gelsinger die Gründe.
Ob sich VMware jetzt in ContainerWare umtaufen werde, wurde VMware-CEO Pat Gelsinger an der soeben zu Ende gegangenen Hausmesse «VMworld» gefragt. «Nein, man soll Firmennamen nicht so schnell ändern, nur weil sich die Strategie verschiebt», war seine Antwort. Womit er aber indirekt bestätigte, dass er die Zukunft seines Unternehmens bei den Containern sieht – und weniger bei virtuellen Maschinen. Damit zeigte sich einmal mehr, dass es keine gute Entscheidung ist, einen Firmennamen zu wählen, der das Produkt oder die Technologie widergibt. (VMware ist ein zusammengezogener Kunstbegriff aus den Worten Virual Machine und Software.)
Der Hintergrund für die Frage war, dass VMware seine Technologie komplett auf Kubernetes umstellt. Unter dem Projektnamen «Pacific» wird die gesamte vSphere-Plattform auf Kubernetes ausgerichtet. «Kubernetes hat das Potential, eine ähnlich bedeutende IT-Technologie zu werden, wie einst Virtualisierung oder Java», hatte Gelsinger zuvor in seiner Keynote vor den rund 20'000 Teilnehmern der «VMworld» in San Francisco gesagt. Das war das offizielle Eingeständnis, dass Container das Konzept von VMs überholt haben. An ein baldiges Ende der VMs glaubt Gelsinger aber trotzdem nicht. «Die grössten Kubernetes-Cluster laufen auf VMs und unsere Benchmarks zeigen, dass Kubernetes in einer VM schneller ist als in einer Bare-Metal-Installation», war seine Antwort auf eine entsprechende Frage.
Auch VMware Vice President Craig McLuckie glaubt nicht an ein baldiges Ende der einst revolutionären Virtualisierung. «Virtuelle Maschinen bieten aufgrund ihrer Sandbox-Struktur eine wesentlich höhere Sicherheit als Bare-Metal-Server», war sein Hauptargument für den Fortbestand der virtuellen Server. Ein weiterer Punkt sei der, dass Container ja an eine feste «Betriebsumgebung» gebunden sind. Unterschiedliche Umgebungen erfordern dann entsprechende VMs.
Chancen und Risiken für VMware
Der neue Fokus von VMware auf Kubernetes und Container kommt nicht unerwartet. Schon mit den jüngsten Akquisitionen von Bitnami, Heptio und Pivotal zeichnete sich ab, dass sich das Unternehmen stärker in Richtung Open Source, Entwicklungsumgebungen und Kubernetes bewegen will. Vor allem die Akquisition von Heptio machte auf den ersten Blick wenig Sinn. Der Aha-Effekt stellte sich erst ein, als man sah, welches Know-how sich VMware damit einverleibte: Heptio-CEO Joe Beda war zuvor bei Google und hat dort die Kubernetes-Plattform entwickelt. Mit dieser Expertise an Bord hat VMware dann mit Hochdruck daran gearbeitet, die vSphere-Plattform zu «kubernetisieren». Das bedeutet vor allem eine Kubernetes-Integration auf der API-Ebene, dem User-Interface und dem Virtualisierungs-Layer ESXi.
Container sind in der Tat die Zukunft moderner IT-Architekturen, denn sie lassen sich schneller generieren, benötigen weniger Ressourcen als VMs und können auch schnell wieder abgeschaltet werden. So haben Container im Durchschnitt eine Run-Zeit von nur wenigen Sekunden, was neue Herausforderungen an das Management und den Betrieb stellt. Genau an diesen Punkt setzt VMware jetzt mit «Tanzo Mission Control» an. Damit lassen sich alle Kubernetes-Cluster einheitlich über vSphere, VMware PKS, Public-Clouds, Managed Services und Packaged Distributions hinweg managen. «Unser Tanzo-Portfolio wird weiter ausgebaut werden, denn wir sehen uns in der Pflicht, dass unsere Kunden modernste Anwendungen entwickeln können, dass sie Kubernetes einheitlich über alle Plattformen hinweg betreiben können und dass sie ihre Kubernetes-Einrichtungen mit kompletter Kontrolle, Transparenz und Sicherheit managen können», sagte Beda in seiner Keynote.
Open Source und der schlechte Ruf
Für VMware ist das neue Engagement in die Kubernetes-Welt nicht ungefährlich. Da ist zunächst der wirtschaftliche Aspekt: Kubernetes ist Open Source und wird von der Cloud Native Foundation verwaltet. Das wirft für die VMware-Kunden die Frage auf, warum sie noch für eine teure vSphere-Lizenz zahlen sollen, wenn es Kubernetes auch gratis gibt. Die Lösung kann eigentlich nur die sein, dass VMware eine Strategie plant, die der von Pivotal gleicht: Open Source als Basis für proprietäre Erweiterungen zu nutzen.
Das würde zum bisherigen Image von VMware in der Open-Source-Gemeinde passen. «Ich weiss, dass unser Ruf im Bereich Open Source schlecht ist», gab Gelsinger an der Pressekonferenz auch unumwunden zu. Doch er gelobte Besserung. «Es wird aber nicht mehr lange dauern, dann werden wir einer der grössten Zulieferer bei Open Source sein», versprach er. Und im Interview kündigte er auch eine «deutliche Annäherung» der proprietären Pivotal Cloud Foundation mit der ursprünglichen Cloud Foundry Foundation an.
Cloud mit Dell, Security mit Carbon Black
Neben den vielen Detailankündigungen rund um Kubernetes gab es auch wichtige Meldungen im Bereich Cloud Computing. Hierzu gehörten vor allem neue Kooperationen und die sofortige Verfügbarkeit von der im März angekündigten «VMware Cloud on Dell EMC» in den USA. Hierbei handelt es sich um leistungsstarke Rechen-, Speicher- und Netzwerk-Software von VMware, die auf VMware vSphere, vSAN und NSX basiert und eng mit Dells hyperkonvergenter Infrastruktur VxRail verknüpft ist. Das alles wird als Service bereitgestellt und verbrauchsabhängig abgerechnet. Ein ähnliches Angebot hat HPE mit «Greenlake» im Juni auf den Markt gebracht – und auch hierzu gab Gelsinger jetzt eine entsprechende Kooperation bekannt.
Die enge Kooperation mit Dell zahlt sich offenbar schon aus für VMware. Mit Blick auf das Umsatzplus von zwölf Prozent im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres führte Gelsinger aus: «Die enge Anbindung an Dell hilft uns sehr, damit uns steht ein immenser weltweiter Vertriebsapparat zur Verfügung, den wir niemals hätten aufbauen können.»
Weiteres Wachstum erwartet der Konzern von neuen Kooperationen mit AWS. «VMware Cloud on AWS» ist ein gemeinsames Projekt, bei dem die AWS-Services aus einer VMware-Umgebung schneller und einfacher aufgerufen werden können. Damit soll der Wechsel auf die AWS-Cloud einfacherer und sicherer möglich sein, da weniger Umstellungsaufwand erforderlich ist. «Mit VMware Cloud on AWS lässt sich eine Migration wie auf Knopfdruck durchführen», sagte Mark Lohmeier, General Manager des Cloud-Geschäftes bei VMware. Das heisst aber nicht, dass VMware nur mit AWS zusammenarbeitet. Auch mit Azure, der Google Cloud Plattform und mit IBM bestehen weitreichende Kooperationen. Laut VMware gibt es weltweit 10'000 Public-Cloud-Rechenzentren, in denen ihre Software verfügbar ist.
Wachstumsmarkt Security
Eine weitere Ankündigung betraf den Einstieg von VMware in das Security-Geschäft. Das geht auf die Akquisition des Security-Spezialisten Carbon Black zurück. «IT-Security ist ein Chaos, es gibt tausende an Anbieter, keiner hat den Überblick und jeder Sicherheitsverantwortliche ist mit dieser Situation überfordert», sagte VMware-COO Sanjay Poonen. Geplant sei jetzt der Aufbau einer einheitlichen, sicheren Infrastruktur. «Mit NSX sind wir bereits ein bedeutender Sicherheitsanbieter und darauf lässt sich viel aufbauen», sagte Gelsinger über die weiteren Pläne.
Doch vieles von dem, was in den Keynotes und Pressekonferenzen gesagt wurde, war kaum neu. Manches erinnerte an die misslungene Akquisition von Veritas durch Symantec, an die ebenfalls gescheiterte Akquisition von McAfee durch Intel und die Akquisition von ISS durch IBM. Alle hatten praktisch die gleichen Pläne – aber noch immer ist die Situation exakt so, wie Poonen sie beschreibt.