Interview Thomas Krieg
14.07.2022, 12:34 Uhr
«Es herrscht hohe Dynamik in der IT-Branche»
Allenthalben migrieren Schweizer Firmen ihre IT in die Cloud. Lokale Systeme mit VMware-Virtualisierung sind ein Auslaufmodell. VMware-Manager Thomas Krieg widerspricht: «Es herrscht hohe Dynamik in der IT-Branche.»
Früher stand VMware als Synonym für Virtualisierung. Mittlerweile ist Virtualisierung zum Standard geworden und eine Grundlage für Cloud Computing. VMware ist nach den Worten des Schweiz-Verantwortlichen Thomas Krieg weiterhin gut im Geschäft. Über Projekte mit Schweizer Kunden und zukünftige Herausforderungen spricht der Senior Director Alps im Interview.
Computerworld: Wie entwickelt sich das Geschäft in der Schweiz für VMware?
Thomas Krieg: Momentan herrscht eine hohe Dynamik in der IT-Branche. Auf die Pandemie musste bereits mit einer beschleunigten Umsetzung der Digitalisierungsstrategie reagiert werden. Die aktuellen Unsicherheitsfaktoren haben in sehr kurzer Zeit den Druck auf grundlegende Erfolgsfaktoren wie Kosten, Qualität, Sicherheit und Zeit weiter erhöht.
Dabei stehen Kunden zunehmend im Spannungsfeld: Autonomität der Entwickler fördern oder DevSecOps-Konsistenz priorisieren? Betrieb und Nutzung der Enterprise-Applikationen auf allen Clouds oder volle Kontrolle und Kosteneinsparung in der eigenen IT-Umgebung? Und zu guter Letzt die Förderung der Mitarbeiterproduktivität: schneller und nahtloser Zugriff auf Applikationen und Daten von überall oder maximale Sicherheit?
CW: Sehen Sie Tendenzen, wie sich Ihre Schweizer Kunden in diesen Spannungsfeldern entscheiden?
Krieg: Zweifellos ist der einheitliche Betrieb und Schutz von unternehmenskritischen Anwendungen und Daten eine Grundvoraussetzung für die Zukunft. Denn eines ist sicher: Diese Dynamik wird sich noch verstärken und in naher Zukunft wird nahezu alles vernetzt sein – Stichwort: 6G. Wenn wir heute von Tausenden/Millionen von virtualisierten Objekten sprechen, werden es wahrscheinlich schon bald Milliarden und mehr sein. Dies ist mit betrieblichen Medienbrüchen zwischen verschiedenen Infrastrukturen nicht zu bewältigen. Dieser Transformationsprozess wird uns gewiss noch einige Jahre begleiten und muss sowohl von der Anwendungsarchitektur top-down als auch von der Infrastruktur buttom-up vorangetrieben werden.
Da wir in all diesen Bereichen entsprechende Lösungen anbieten, stellen wir derzeit erfreulicherweise eine steigende Nachfrage fest. Wir können unseren Kunden in den wichtigsten drei Gebieten einen Mehrwert bieten: Skalieren von Cloud Native Platform Operation, Beschleunigen der Enterprise Cloud Transformation und Stärkung der hybrid arbeitenden Belegschaft.
Zur Person
Thomas Krieg
zeichnet als Senior Director Alps für das Geschäft von VMware in der Schweiz und Österreich verantwortlich. Diese Stelle übernahm er Anfang 2019. Damals war Krieg schon neun Jahre als Sales Manager Switzerland für das Unternehmen tätig gewesen. Zuvor war er mehr als ein Jahrzehnt bei Sun Microsystems angestellt. Nach einem Bachelor in Telecommunications and Informatics der ZHAW Winterthur stieg Krieg bei Zühlke Engineering in die IT-Branche ein.
Technologie für alle Clouds
CW: Können Sie bitte konkrete Schweizer Kundenprojekte beschreiben?
Krieg: Gerne. Ich zitiere hier zuerst einmal eine Schweizer Bank, die am «vForum» präsentierte, wie sie im Laufe der Jahre sowohl die Anwendungs- als auch die Infrastrukturlandschaft grundlegend modernisiert hat. Die Bank betreibt ihre Anwendungen nun produktiv in ihrem eigenen Rechenzentrum auf VMware Tanzu. Die Public Cloud wird so zu einem globalen und sofort verfügbaren Werkzeug zur Innovation, während man in der Private Cloud weiterhin die Datenhoheit über die produktiven Anwendungen behält.
Ein anderes Beispiel ist der Technologiekonzern Zühlke, der seine Arbeitsplätze mit unserer Technologie modernisiert hat. Dank VMware Workspace One Unified Endpoint Management (UEM) können alle Geräte über eine zentrale Plattform verwaltet werden – und das in der Cloud. Durch die Integration des Apple Device Enrollment Program und Dell Provisioning mit Workspace One werden die Geräte vorkonfiguriert und direkt an die Mitarbeitenden geschickt. Die IT spart so enorm viel Zeit – und auch die Mitarbeitenden können schneller und produktiver arbeiten. So wird das Ziel von Zühlke unterstützt, weiter zu wachsen, Mitarbeitende global zu vernetzen und mehr Flexibilität zu schaffen.
CW: Hätten Sie noch ein drittes Beispiel?
Krieg: Natürlich! Ich kann noch Swisscom nennen, welche die Notwendigkeit erkannt hat, ihre Ertragsquellen zu diversifizieren. Denn mit Telekommunikation allein ist das Wachstum nur noch beschränkt möglich. So ist das Unternehmen inzwischen überwiegend als IT Full Service Provider tätig und stellt eine zunehmende Zahl an Cloud-Services bereit.
Swisscoms Enterprise Service Cloud liefert Infrastruktur aus der Cloud, die sich nahtlos mit On-Premises- und virtuellen privaten Infrastrukturen verbinden lässt. Das funktioniert bei Swisscom nur «as a Service». Als IT-Service-Provider unterstützt Swisscom auch Geschäftskunden mit «Kubernetes as a Service», das ebenfalls innerhalb der Cloud-Infrastruktur ausgeführt wird. VMware Enterprise PKS ermöglicht es Swisscom, Kubernetes auch für Multi-Cloud-Unternehmen und Service Provider zugänglich zu machen.
CW: Da geben Sie mir ein gutes Stichwort: VMware war lange Jahre der Marktführer für Virtualisierung – quasi als Vorstufe zur Cloud. Welche Alleinstellungsmerkmale sehen Sie heute?
Krieg: VMware ist der einzige Anbieter auf dem Markt, der seinen Kunden ganzheitliche Lösungen in jeder Cloud neutral anbieten kann – und das, ohne die eigene Cloud vermarkten zu müssen. Folgende Lösungen sind nur bei VMware und dem dazugehörigen Partner-Ökosystem erhältlich: Multi-Cloud-Autonomie für Entwickler und durchgängiger Betrieb für DevSecOps, Applikationsmodernisierung und Anwendungen für die ortsunabhängige, reibungslose sowie sichere Zusammenarbeit von Mitarbeitern.
Edge Computing im Lamborghini
CW: In welchen Bereichen sehen Sie noch Verbesserungspotenzial bei den Lösungen?
Krieg: Das Lösungsportfolio von VMware ist aus meiner Sicht umfassend. Bei den aktuellen Neuerungen geht es uns primär nicht um die Erweiterung des Portfolios, sondern vielmehr um eine noch bequemere Nutzung der Lösungen. Aus diesem Grund haben wir kürzlich vSphere+ und vSan+ angekündigt. Eine Erweiterung unserer Kernprodukte, die nun vollautomatisch aus der Cloud verwaltet werden können. Das ermöglicht die Auslagerung vieler operativer Aufgaben, während der Fokus auf IT-Bereiche gelegt werden kann, die einen grundlegenden Mehrwert für das Unternehmen darstellen.
Darüber hinaus investieren wir aktuell stark in unsere Edge-Lösungen, die beispielsweise durch den VMware Edge Compute Stack die Rechenkapazität näher an die physische Anwendung in Fabriken oder Geschäftsfilialen rücken. Kürzlich wurde unter anderem die britische Polizei mit Edge-Lösungen ausgestattet. Und sogar ein Lamborghini Huracan diente als Einsatzgebiet einer Edge-Lösung.
CW: Welche Pläne haben Sie mit VMware im lokalen Markt?
Krieg: Wir verspüren aktuell einen regelrechten Ansturm auf unser Produkteportfolio rund um VMware Tanzu und freuen uns, gemeinsam mit unseren Partnern viele spannende Projekte verfolgen zu dürfen. Trotz des grossen Fokus auf die Modernisierung von Anwendungen ist es entscheidend, die bestehenden IT-Investitionen zu schützen. Das erreichen wir, indem wir in strategischer Zusammenarbeit mit Hyperscalern wie AWS, Google, Microsoft und Oracle die VMware Cloud Foundation als nativen Service in der Public Cloud anbieten.
Es wird erwartet, dass alle genannten Public-Cloud-Partner Geo-Location Switzerland und das damit verbundene VMware-Cloud-Service-Angebot in absehbarer Zeit einführen werden. Das dürfte weitere interessante Möglichkeiten eröffnen und Innovationen vorantreiben.
CW: Zusätzliche Möglichkeiten dürften sich durch die Broadcom-Übernahme ergeben. Welche Veränderungen erwarten Sie?
Krieg: Leider muss ich hier passen. Wir befinden uns in der «Quiet Period», in der ich keinen Kommentar zu dem Thema abgeben darf.
Zur Firma
VMware
wurde 1998 von fünf Studenten der Universität of California in Palo Alto gegründet. Fünf Jahre später kündigte der damalige Storage-Anbieter EMC an, VMware für einen Betrag von 625 Millionen US-Dollar kaufen zu wollen. Im Zuge der Übernahme von EMC durch Dell 2016 gab es Massenentlassungen bei VMware. Die Marke blieb aber Teil des Portfolios. Im Mai dieses Jahres schliesslich kündigte Broadcom an, VMware herauslösen und in eine eigene Firma umwandeln zu wollen. Ein Kaufpreis von 61 Milliarden US-Dollar steht im Raum.