Welche Cloud für wen und für welchen Zweck?

Im Gespräch mit Matthias Zacher von IDC Central Europe

«Die grossen Hersteller von Business-Anwendungen stossen ihre Kunden sanft in die Cloud», sagt Matthias Zacher von IDC
Quelle: IDC
Die Cloud-Szene ist unübersichtlicher geworden. Mischformen bringen Flexibilität, stellen die Unternehmen aber auch vor schwierige Entscheidungen. Matthias Zacher, Research & Consulting Manager beim Marktforschungshaus IDC, analysiert im Gespräch mit Computerworld die komplexer gewordene Lage.
Computerworld: Herr Zacher, stellen wir uns mal vor: Ein Unternehmen liebäugelt mit dem Cloud-Umstieg. Wie sollte es diese Migration angehen?
Matthias Zacher: Die Verantwortlichen sollten sicherlich nicht nach dem Motto handeln «Wir machen jetzt auch Cloud-Computing» - ohne irgendeine Vorstellung zu haben, zu was das nützlich sein soll. Sie müssen sich fragen, welche Herausforderungen sie mit Cloud-Computing besser lösen können. Beispielsweise, dass sie mit Cloud-Technologie oder Cloud-Services eine bestimmte Aufgabe besser bewältigen können. Oder dass die IT-Abteilung flexibler wird und sich die Kosten reduzieren lassen. Dann erst kann man schauen, welche Lösungen es dafür gibt und welche Services man beziehen will.
Computerworld: Und was ist dann anschliessend bei der Auswahl konkreter Cloud-Services zu beachten?
Zacher: Das kann ganz unterschiedliche Facetten haben. Da gibt es zum einen die reinen Business-Applikationen - also Software as a Service. Die Marketing- oder auch die HR-Abteilung könnte nach einem Public-Cloud-Service Ausschau halten. Es gibt ja genug Anbieter, die sich hier tummeln - von SAP bis zu Salesforce.com, um nur zwei zu nennen. Public-Cloud-Software-Services wären zum Beispiel Anwendungen für Personalverwaltung, verschiedene Financial-Services-Applikationen, Marketing und Vertriebslösungen.
Computerworld: Womit die Public-Cloud-Varianten noch nicht erschöpft wären?
Zacher: Neben den reinen Business-Applikationen kommen natürlich auch die anderen Public-Cloud-Formen infrage. Mit Infrastructure as a Service können Unternehmen bei Bedarf Storage oder Rechenleistung buchen - beispielsweise bei Google, Amazon oder Microsoft Azure.
Bei Platform as a Service gibt es neben Storage und Rechenleistung noch Datenbanken, Betriebssysteme und Entwicklungs-Tools dazu. Das ist gerade für Entwicklungsabteilungen interessant: Sie müssen nicht in der eigenen IT-Abteilung Leistungen beantragen, sondern bekommen innerhalb von fünf Minuten vorgefertigte Stacks bereitgestellt, mit denen sie einfach loslegen können. Das Schöne ist: Bei Platform as a Service gibt es relativ viel Open-Source-Software und wenig Lizenzkostenfragen. Das ist alles sehr einfach handhabbar - gerade für Entwicklungsabteilungen - und transparent, was die Abrechnung betrifft.
Computerworld: Welchen Unternehmensnutzen bieten Private Clouds im Vergleich zu Public Clouds?
Zacher: Oft betreiben Unternehmen komplexe und aufwendig administrierbare Rechenzentren. Sie fragen sich, ob ihre IT-Technologie noch den Anforderungen genügt, und wie sie ihre IT vereinfachen und entschlacken können. Viele möchten ihren IT-Betrieb mit Themen wie Virtualisierung, Containerisierung, Orchestrierung und Automatisierung effizienter gestalten. Hier kommt die Private Cloud ins Spiel, die flexible Cloud-Infrastrukturen ins eigene Rechenzentrum bringt.
Computerworld: Neben Public und Private Clouds verbreiten sich gerade Hybrid Clouds. Für wen eignet sich dieses Modell?
Zacher: Hybrid Clouds eignen sich besonders für Unternehmen, die einerseits ihre Daten im eigenen Rechenzentrum behalten wollen und andererseits bestimmte Dienste, die ihnen zu aufwendig sind oder die sie vielleicht nicht so häufig benötigen, in einem Public-Cloud-Szenario nutzen möchten. Diese Auffassung ist ziemlich weit verbreitet und entsprechend populär sind inzwischen auch die hybriden Clouds.
Computerworld: Welche Rolle spielt die Hybrid Cloud für Software-Hersteller?
Zacher: Die grossen Hersteller von Business-Anwendungen stossen ihre Kunden sanft in die Cloud. SAP ist ein gutes Beispiel. Die kommen aus dem Rechenzentrumsbetrieb und haben angefangen, einzelne Lösungen als Public-Cloud-Service zur Verfügung zu stellen - was inzwischen immer umfangreicher geworden ist. Nach wie vor gibt es aber eine Mischsituation: Unternehmen betreiben einen Teil des SAP-Portfolios klassisch On-Premise oder in einer Privat Cloud und einen anderen Teil in der Public Cloud. Aber letztendlich ist es das Ziel der Big Player, die Kunden so nach und nach in die Cloud zu schieben - einfach, weil sie dort mehr Gewinnmöglichkeiten sehen.
Computerworld: Die neueste Entwicklung geht in Richtung Multi-Cloud. Wie beurteilen Sie diesen Trend?
Zacher: Die Diskussion um die Multi-Cloud ist ziemlich akademisch und verwirrend. Die einen setzen Hybrid und Multi-Cloud fast synonym. Wir bei IDC verstehen unter Multi-Cloud ein bestimmtes Anwendungsszenario mit unterschiedlichen Diensten und unterschiedlichen Anbietern. Zum Beispiel nutzt man einen Cloud-Dienst von Microsoft, einen von Google und einen von AWS. Das betreibe ich in einem Szenario. Ich muss mir dann natürlich irgendetwas bauen, was es mir ermöglicht, meine Applikationen und Daten relativ nahtlos zwischen den verschiedenen Anbietern hin und her zu schieben.
Computerworld: Warum sollte man mehrere Cloud-Provider wählen?
Zacher: Weil jeder bestimmte Stärken und Schwächen hat. Oder weil ich mich nicht unbedingt an einen binden will. In einem Multi-Cloud-Szenario klicke ich mir einfach verschiedene Funktionalitäten zusammen.
Computerworld: Das würde aber die Komplexität im Vergleich zu einer Hybrid Cloud noch einmal erhöhen?
Zacher: Ja, das ist eine relativ komplexe Geschichte, weil ich unterschiedliche Player habe, die vielleicht ihre Lösung verschieden gebaut haben. Sie behaupten natürlich alle, ihre Lösungen seien standardisiert. Aber in der Praxis funktioniert natürlich nicht alles nahtlos. Hier muss man schon genau prüfen wie man Datenmodelle, Datenfelder und so weiter richtig übertragen kann. Neben dem Betrieb können auch das Monitoring und die Abrechnung problematisch sein. Auf unserem «Multi Cloud Summit 2018» haben einige IT-Leiter und CIOs gesagt, die Technologie würden sie ganz gut verstehen, das Problem seien die Prozesse, alles gut zu betreiben.
Ich glaube, dass die Unternehmen sich aktuell auf nicht mehr als zwei, maximal drei Provider festlegen wollen. Ansonsten wird es zu kompliziert. Das mag in zwei bis drei Jahren schon anders aussehen. Aber aktuell stellen wir fest: Die Multi-Cloud, wie wir sie definieren, ist noch nicht so stark verbreitet.
Computerworld: Werfen wir abschliessend einen Blick in die Zukunft: Wird die Cloud das zentrale Modell werden - und die lokal vorgehaltene IT weitgehend verschwinden?
Zacher: Die Cloud wird künftig sicher eine grosse Rolle spielen und die interne IT ein Stück weit zurückgehen. Allerdings wird es immer eine Form von lokaler IT in den Unternehmen geben. Man muss auch klar sagen: Wenn die technischen Aspekte, die Sicherheit und die Compliance stimmen, ist es für die Fachabteilungen unwichtig, ob die Leistung im eigenen Haus oder woanders bereitgestellt wird. Eine Frage ist auch, wie stark sich die eigene IT macht. Eine starke IT kann eine wichtige Stütze für das Unternehmen sein und etwa neue IT-Entwicklungen evaluieren und helfen, diese umzusetzen. Ob die IT das dann selbst betreibt oder nur als interner Berater auftritt, ist eine andere Geschichte. Aber grundsätzlich glaube ich, dass die klassische Rechenleistung aus vielen Unternehmen herauswandert.



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