12.01.2007, 09:46 Uhr

Vista kommt, Linux bleibt

Was bringt 2007 in der IT? Viel mehr als Vista und Office 2007: SOA, Open Source und das Internet mit all seinen Seiteneffekten setzen nachhaltige Akzente.
Wie auch immer er aussehen mag - der IT-Kalender ist 2007 mit interessanten Terminen gespickt.
Nur weil sich über Nacht die Jahreszahl ändert, entstehen nicht ebenso rasch völlig neue Trends in der IT-Industrie - das ist jedem klar. Dennoch animiert die künstliche Zäsur des Jahreswechsels zu Spekulationen, was die Zukunft bringen wird. Das ist menschlich, und der IT-Mensch macht da keine Ausnahme. Was also können wir im neuen Jahr erwarten?

Windows Vista zum x-ten

Vista ist schon in aller Munde und wird es schon deshalb bleiben, weil Microsoft auf Ende Januar den Home-Client des Windows-Updates lancieren will. So sicher wie das Amen in der Kirche werden Debatten folgen, wie Unternehmen Vista einführen wollen, während die Adminstratoren warnen und lieber noch warten würden. Zudem darf man mit Schlagzeilen zu Vista und Security rechnen, und schliesslich zu Vista und Security-Flicken.
Und obwohl fast alle auf Vista starren wie Mowgli auf Kaa die Schlange, könnte ausgerechnet Apples Mac-Plattform 2007 zulegen. Zum einen, weil nun endlich Apfelrechner mit Intel-Kern angeboten werden, und dies zu günstigeren Preisen als die Original-Apple-Hardware. Zum anderen, weil sich unter den Usern die Einsicht breitmacht, dass die Mac-Plattform Windows technisch immer wieder eine Nasenlänge voraus ist. Vom Spassfaktor ganz zu schweigen.
Neben Vista kommt mit Office 2007 nochmals ein gewichtiges Microsoft-Produkt revidiert auf den Markt. Und obwohl Redmond ihre «Produktivitätssuite» zum Business-Intelligence- und Kollaborationstool aufgemotzt haben will, lohnt es sich, die Browsertools der Konkurrenten wie Google oder Zoho im Auge zu behalten, die als Web-Apps ähnliche Funktionen anbieten. Interessant auch die junge Freundschaft zwischen Microsoft und Novell, deren quell-offene Open-Office-Suite kompatibel mit dem kommerziellen Office sein soll. Auch das macht die Microsoft-Alternativen für die User alltagstauglich.
A propos Business Intelligence (BI): In dieser Nische gedenkt sich Microsoft breit zu machen, und die traditionellen BI-Anbieterinnen, wie Business Objects und Cognos, werden prompt nervös. Wohl zu Recht, denn ihre bisherigen Parnterschaftsabkommen mit Redmond könnten sich bald erübrigen. Weshalb Ende 2007 die Anbieterlandschaft in Sachen BI deutlich anderes aussehen dürfte als heute.

Kommerzieller Wirbel um Inhalte

«Wie lassen sich Informationen in Gewinn ummünzen?», fragte sich die Branche schon 2006 . Sie wird, da sie keine Patentantwort findet, darüber 2007 weiter brüten. Leithammel der Inhaltejäger und -verkäufer ist Google, deren letzter wichtigster Coup, der Kauf von Youtube, nur die Spitze des Eisbergs ist. Google dürfte weitere Nischen-Inhaltsanbieter schlucken, deren Werbe-umsatz oder wenigstens Werbeumsatz-potenzial viel versprechend ist.
Doch auch die klasssischen Inhaltean-bieter, die Medienkonzerne, drängt es heftig in digitale Aktivitäten. Hier wird man sich zusammenschliessen, um vereint gegen die Internet-Inhalteanbieter zu bestehen - von Blogwelten und Spezial-Content-Anbietern ganz zu schweigen.
Fernsehen via Internet wurde schon länger prophezeit. 2007 dürfte es endlich ausgereift genug sein. Internet-Guru Jeff Pulver lehnt sich sogar so weit aus dem Fenster zu prophezeien, dass «jeder Fernsehsender, jedes Filmstudio und überhaupt alle Ur-heber von Inhalten direkte Internet- und PDA-Strategien entwickeln» werden.

Vista kommt, Linux bleibt

Die zwei grossen S: SOA und Saas

SOA (Service-Oriented Architecture) gilt schon seit längerem als ganz grosser Trend. Fest steht: Wenn zwei «SOA» sagen, meinen sie kaum je dasselbe. Weshalb dritte auch behaupten, SOA sei bloss ein Buzzword. Oder auch alter Wein in neuen Schläuchen. Der Verdacht liegt nahe, denn von Softwarekomponenten, wiederverwendbaren Modulen und Software als Service wurde in der Vergangenheit schon viel geredet, konzipiert und pilotgetestet. Und auch viele Konzepte wurden still und heimlich wieder begraben. Nichtsdestotrotz steht fest: Von SOA wird die IT 2007 viel und oft und auch kontrovers reden.
Saas (Software as a Service) ist aus der anderen Richtung herangewachsen: aus der praktischen Tätigkeit einer Salesforce und einer Google. Besser noch: Ihre Aktivitäten sind sogar einträglich. Statt also traditionelle Softwarepakete zu schnüren und zu Fixpreisen an die Anwender zu verkaufen, können diese via Web besorgen, was sie brauchen. Microsoft könnte diesem Trend ihre Lizenzpolitik bald anpassen: Nicht umsonst baut sie ihr webbasiertes Servicegeschäft unter Leitung ihres Chefsoftware-architekten und Alt-IT-Guru Ray Ozzie stetig aus. Weshalb mancherorts spekuliert wird, dass Vista die letzte «Stangensoftware» der Redmonder sein könnte. Aber auch von andern grossen Softwareanbieterinnen dürfen 2007 Saas-Angebote erwartet werden, etwa von Oracle und SAP.

Virtualisierung bringt Vielfalt

Virtualisierung bedeutet, auf einem Server gleichzeitig mehrere Betriebssysteme zu fahren. So gut wie alle grossen Hard- und Softwareanbieterinnen - von IBM über Intel und Microsoft bis hin zu der «Ur-Virtualisiererin» VM-Ware - engagieren sich in diesem Segment. Virtualisierung dürfte auch 2007 weiter Fuss fassen. Gleichzeitig verändert sich damit die Kostengestaltung für Hard- und Software: Die bisherige Preisfindung erscheint zunehmend ungeeignet. Dies gilt auch für die modernen Prozessoren mit mehreren Kernen: Auch hier wird 2007 neuartige Preisberechnungsmodelle bringen.

Beliebtes Linux

Die Wahlmöglichkeiten zwischen kommerzieller und Open-Source-Software werden auch 2007 für die Anwendergemeinde wachsen. Und nicht nur Firmen, auch die öffentliche Hand erwärmt sich gern für Linux und OS-Applikationen, gerade auch als Alternative zu Windows. Weshalb Microsoft ihren neuerdings eingeschlagenen Schmu-se-kurs mit den OS-Anbieterinnen weiter fahren wird.
Red Hat dürfte dem wie ein Fels in der Brandung widerstehen. Und die eingefleischten OS-Fans werden ihre Bedenken oder gar ihr Misstrauen weiter artikulieren, in dem Mass, in dem Open Source zur Normalität in IT-Abteilungen wird. Das schadet aber nicht, so lange die OS-Gemeinde weiterhin nicht durch Bürokratie und Hierarchiedenken in ihrer Erfindungsfreude gehemmt wird.

Vista kommt, Linux bleibt

Fliegender Wechsel zu Web 3.0

Während noch über das künftige Web 2.0 theoretisiert wird, Definitionen gesucht werden, was überhaupt darunter zu verstehen sei, wollen Experten schon das Web 2.5 überspringen und nahtlos auf Web 3.0 weitersurfen. Aber das Web bestimmt sich eben auch selbst: Kollaboration, Wikis, Blogs, Mash-ups oder von den Usern geschaffene Applikationen - all das war bis jetzt schon wichtig und bleibt es auch 2007. Während die akademischen Debatten um die Definitionen von 2.0 und 3.0 weitergehen dürften - sogar 2008 noch.

Drahtlos im Netz

Wer surfen will, möchte das drahtlos tun und nutzt, sofern er in der Stadt wohnt, bisher schon Wi-Fi-Verbindungen. Diese kabelbefreiten Netzwerke werden 2007 immer feiner gesponnen: Die pausen- und lückenlose digitale Erreichbarkeit wird Realität. Ob das die Anwender schlussendlich glücklicher macht, ist eine ganz andere Frage.
Die Hardwarebauer jedenfalls werden dem Trend mit neuen Gerätschaften Vorschub leisten. Die Miniaturisierung geht weiter, wobei jedoch vor allem die Tastaturen bedienungstauglich bleiben müssen. Gadget-Freaks und professionelle Mobil-arbeiter wirds freuen, und RIMs Blackberry muss sich in diesem Jahr auf wachsende Konkurrenz einstellen.

Die Kehrseite voller Viren und Spam

Malware, Spyware, Viren, Würmer stören alle: Firmen, öffentliche Hand, Privatanwender. McAfee glaubt, dass die Hacker als nächstes MP3-Dateien ins Visier nehmen, und die Gefahr scheint in der Tat sehr real. Links zu Internetvideos sind ebenso attraktiv für Hacker angesichts immer noch naiver Surfer, die in kindlicher Neugier ohne weitere Vorsichtsmassnahme solche Links bedenkenlos anklicken.
Das Thema Spam ist so alt wie das Web populär. Jedes Jahr heisst es: Erst mal gibts noch mehr Spam, aber dann bekommen wir das Problem in den Griff, und es wird weniger gespamt. Wahr geworden ist nur die zunehmende Spamflut. Falls die Internet-Serviceprovider tatsächlich ihre Abonnenten vertraglich dazu verpflichten, ihre Rechner angemessen abzusichern und bei Zuwiderhandlung die Konten derjenigen User sperren, deren Rechner etwa als Spam-Zombie infiltriert werden, könnte diese Hoffnung tatsächlich wahr werden. Und auch die Tatsache, dass in vielen Ländern die Gesetzgebung endlich Spam thematisiert, könnte helfen - ein bisschen zumindest.

Krisen und ihr Management

Ausser der Technik gibts natürlich jede Menge Mutmassungen zu Brancheninterna und ihren wichtigen Akteuren. Jawohl, der Skandal um Hewlett-Packard wird auch 2007 so manche Schlagzeile liefern. Siemens entdeckt derzeit quasi tägliche neue Leichen im Keller.
Andere Firmennamen werden das Jahr 2007 erst gar nicht überleben. Konsolidierung nennt sich, höflich formuliert, das Phänomen des Fressens und Gefressenwerdens. Gateway und Palm gelten als Übernahmekandidatinnen. Ebenso das gesamte Segment der Kommunikations-Provider, weil die klassischen sprachbasierten und die Internet-basierten Kanäle verschmelzen. Auf der anderen Seite gilt die reiche Oracle als generell kauflustig, Computer Associates wohl auch. Und Microsoft wird wie immer gezielt neue Techniken shoppen.
Catharina Bujnoch



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