«Digitalisierung senkt Kosten um bis zu 50 Prozent»

Der Finanzplatz Schweiz und die Neobanken

CW: Welche digitale Reife hat der Finanzplatz Schweiz – auch im Vergleich mit dem Ausland?
Weber: Zuerst einmal ist der Finanzplatz Schweiz sehr attraktiv. Hier werden mit hochpreisigen Produkten hohe Margen generiert, was ihn zu einem interessanten Markt auch für Fintechs macht.
Allerdings würde ich den Finanzplatz Schweiz nicht unbedingt als Vorreiter bei der Digitalisierung bezeichnen. Die Institute bewegen sich international gesehen im Mittelfeld. Schon in Deutschland gibt es Banken, die viel grössere Fortschritte gemacht haben bei der digitalen Transformation. Ein Beispiel ist ein Grosskunde von uns: die Deutsche Kreditbank DKB. Sie zählt heute 4.5 Millionen Kunden und ist weiter auf Wachstumskurs. Die Neukunden wollen sie gewinnen mit einer Verbreiterung des Angebots. Dabei setzen sie einerseits auf unsere Plattform, andererseits aber auf ein Ökosystem aus Fintechs, deren Produkte auf der Plattform mit angeboten werden. Die Konsumenten können Lösungen fürs Finanzieren, fürs Sparen, fürs Trading nutzen, ohne wissen zu müssen, wer genau hinter der Lösung steckt. Alles ist integriert und wird von der DKB präsentiert. Diese Rechnung geht offenbar auf, denn die DKB wächst weiterhin.
In der Schweiz sind die Banken hingegen vielfach immer noch davon überzeugt, dass sie alle Funktionen und Produkte selbst am besten aufbauen können. Der Widerstand der IT-Abteilungen gegen Fremdentwicklungen ist so gross, dass eine Kooperation oder Integration nicht stattfinden. Das sehe ich als das grösste Hindernis für die digitale Transformation des Finanzplatzes Schweiz an.
CW: Sehen Sie in der Schweiz ein Institut, das mit der DKB vergleichbar digital unterwegs ist?
Weber: Eine Direktbank wie die DKB gibt es in der Schweiz nicht. Die Bank Cler versucht es mit dem Flanking Brand «Zak», der allerdings von Volumen lebt. Mit 30'000 oder 40'000 Kunden kommt die Bank nicht auf das Volumen, das sie für ein rentables Geschäft benötigen würde. Wenn die Bank Cler zum Beispiel jetzt in das umliegende Ausland expandieren würde, käme sie allenfalls auf eine kritische Masse. Dann wäre die junge Zielgruppe von «Zak» ein attraktiver Markt. Denn die jungen Leute stehen vor grossen Entscheidungen wie Hausbau, Heirat, Sparen, Versicherung und Vorsorge. Mit diesen Finanzprodukten können die Banken noch viel Geld verdienen.
CW: Wo ordnen Sie «CSX» ein?
Weber: «CSX» ist eine andere Kategorie, aber meiner Meinung nach sehr gelungen. Der Wettbewerber hier heisst Revolut, der in der Schweiz mittlerweile über 350'000 Kunden hat. Ein grosser Kundenstamm ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Vertrauen in einen Brand. Ich denke, vielen Kunden – und viele Schweizer – haben zu wenig Vertrauen in Revolut, um dem Unternehmen wirklich alle ihre Finanzen anzudienen.
Credit Suisse spielt hier natürlich in einer anderen Liga. Die Grossbank geniesst das Vertrauen der Kunden und hat mit «CSX» bewiesen, dass sie genauso flexibel, modern und kostengünstig sein kann wie Revolut. Gelungen ist «CSX» deshalb, weil die Credit Suisse den neuen Kanal nutzt, um einer jungen Kundschaft ihre Produkte anzubieten. Diese Zielgruppe hätten sie mit den traditionellen «Bonviva»-Produkten wohl eher nicht erreicht.
CW: Welche Rolle spielt Crealogix bei den Neobanken?
Weber: Wir entwickeln Plattformen wie die der DKB, wir entwickeln aber auch Frontends für Flanking Brands oder digitale Beratungslösungen. Dabei sind unsere Kunden nicht mehr hauptsächlich die Informatikabteilungen, sondern in den letzten Jahren vermehrt das Business. Dieses entscheidet, welche Investitionen getätigt werden, um neue Zielgruppen anzusprechen, bestimmte Märkte zu bedienen oder neue Funktionen anzubieten. Hier sind wir neu der Partner der Banken.



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