Entwicklermesse
11.06.2024, 10:50 Uhr
Das Wichtigste von der WWDC 2024
Die Keynote von Apples Entwicklermesse zeigte viel Neues, auf das wir uns im Herbst freuen können. Trotzdem bleiben Lücken, die auch dieses Jahr nicht gestopft wurden.
(Quelle: Apple Inc.)
Die «World Wide Developer Conference» (kurz WWDC) ist Apples hauseigene Entwicklermesse – und dennoch für die breite Masse der wichtigste Anlass im Jahr. An der WWDC wird gezeigt, was uns bei den Systemen erwartet und auf welche neuen Funktionen wir uns im Herbst freuen können. Dabei war die Fülle an Neuerungen auch dieses Jahr so üppig, dass wir hier nur auf die wichtigsten eingehen.
Apple Intelligence
Die grosse Frage vor der WWDC lautete: Schafft es Apple bei der künstlichen Intelligenz eine Marke zu setzen? Schliesslich sind ChatGPT und andere Systeme seit Monaten in aller Munde, während Apple nur Siri vorweisen kann – und deren Qualitäten sind weit über das Apple-Lager hinaus berüchtigt.
Doch es leuchtet ein Silberstreif am Horizont. Mit der neuen Kerntechnologie «Apple Intelligence» lassen sich Texte umformulieren, Nachrichten oder E-Mails zusammenzufassen, Bilder und sogar «Genmojis» generieren, also einzigartige Emojis.
Genmojis werden aus dem Stand heraus generiert; der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt
Quelle: Apple Inc.
Siri wurde ebenfalls mit KI aktualisiert, sodass sie nun den Kontext besser verstehen soll – sowohl was die Datenbestände anbelangt als auch das, was sich gerade auf dem Bildschirm abspielt. Das System wird sich also in erster Linie um «seinen» Benutzer kümmern und dafür sorgen, dass Fotos, Kalendereinträge, E-Mails und andere Daten zueinander in Bezug gesetzt werden. Welche Datei hat Max letzte Woche geschickt? Wann landet das Flugzeug mit meiner Mutter? Und so weiter.
Bei Apple Intelligence dreht sich fast alles um den Kontext und darum, den Benutzer besser zu verstehen
Quelle: Apple Inc.
Die Entwickler erhalten dazu neue Schnittstellen (APIs), um die neuen Funktionen mit minimalem Aufwand in ihre Produkte zu integrieren. So wird es wohl nicht lange dauern, bis auch Funktionen wie «Rewrite» in macOS allgegenwärtig sind: Damit werden Texte korrigiert, umformuliert oder aufgrund von Kontext und Stichworten neu erstellt.
Aber auch vor Bildern wird nicht haltgemacht. Die Funktion «Image Playground» kommt in einer separaten App und ermöglicht die Generierung von Bildern, so wie man es heute bereits von Midjourney und anderen K.I.-Diensten her kennt. Die Funktion «Image Wand» geht sogar so weit, dass eine Skizze, die mit dem Pencil angefertigt wurde, neu generiert wird. Dabei wird wunschgemäss zwischen den Stilen «Animation», «Illustration» und «Skizze» gewählt; fotorealistische Bilder sind also (noch) nicht möglich.
Dabei betonte Apple immer wieder, dass die Privatsphäre gewahrt bleibt, weil fast alle Funktionen auf dem Gerät durchgeführt werden. Doch in einigen Fällen müssen Aktionen auf einem entfernten Server abgearbeitet werden. Apples Ansatz dafür nennt sich «Private Cloud Compute» (PCC): Diese Cloud besteht aus Servern, die auf Apples eigenen Prozessoren basieren – es handelt sich also nicht um Azure-Instanzen oder Server-Dienste, die eingekauft wurden. Die Server sind dabei so konzipiert, dass die Daten nicht gespeichert werden und die Anfragen nicht einmal für Apple einsehbar sind. Unabhängige Experten sollen die Möglichkeit bekommen, dieses Versprechen zu überprüfen.
Sollte es trotzdem nötig sein, zapft das Gerät auf ausdrücklichen Wunsch ChatGPT 4o an – dann allerdings ist es vorbei mit der lokalen Verarbeitung und PCC. Dabei wird wahlweise die kostenlose oder die kostenpflichtige Version von ChatGPT verwendet, falls bereits ein Abo abgeschlossen wurde. Doch mit ChatGPT haben sich die Partnerschaften nicht erschöpft; so kündigte Apple an, dass es in Zukunft auch andere Drittanbieter von KI-Modellen integrieren will.
Da also das Gros der Arbeiten vom Gerät selbst gestemmt wird, sind die Anforderungen an die Hardware entsprechend hoch. Apple Intelligence bedingt mindestens ein iPhone mit dem A17-Pro-Chip, also ein iPhone 15 Pro (Max). Weder das reguläre iPhone 15 noch das iPhone 14 Pro sind den Anforderungen gewachsen, was auch daran liegt, dass in diesen Geräten weniger als 8 GB RAM verbaut sind. Sowohl für die iPads als auch für die Macs wird mindestens ein M1-SoC vorausgesetzt. Ganz aus dem Rennen sind hingegen sämtliche Apple-Watch-Modelle und HomePod-Lautsprecher.
Ein weiterer Wermutstropfen ist die sprachliche Einschränkung. Apple Intelligence wird beim Erscheinen von iOS 18 im Herbst immer als Beta geführt. Vor allem aber treten die neuen Funktionen nur in Erscheinung, wenn die Systemsprache auf US-Englisch eingestellt ist. Weitere Sprachen sollen erst nächstes Jahr folgen.
iOS 18: Im Zeichen der Anpassung
Mehr Individualisierung, mehr Anpassungen: das ist das Kernelement von iOS 18. Icons und Widgets sind nun endlich so flexibel, wie es bei Android schon seit einer gefühlten Ewigkeit der Fall ist. Im Dunkelmodus passen sich die Icons ebenfalls automatisch an und lassen sich zudem einfärben, um besser mit dem Bild im Hintergrund zu harmonieren.
Icons lassen sich frei anordnen, aber auch einfärben und somit an das Motiv im Hintergrund anpassen
Quelle: Apple Inc.
Dasselbe gilt für das Kontrollzentrum: Neue Steuerelemente für Medien, HomeKit-Geräte und mehr werden dort integriert. Auch der Sperrbildschirm ist nicht mehr auf den direkten Zugriff der Taschenlampe und Apples eigener Kamera-App beschränkt, sondern ermöglicht zahlreiche Funktionen und Apps – und damit auch alternative Kamera-Apps.
Und natürlich wird auch die Privatsphäre weiter ausgebaut, Apples Lieblingsthema. Mit iOS 18 lassen sich Apps sperren und werden erst über Face ID oder den Passcode freigegeben. Dasselbe gilt für Benachrichtigungen, Kontakte, die Suche und vieles mehr. Apps lassen sich sogar verstecken und landen in einem separaten Ordner.
Die «Fotos»-App wurde komplett neugestaltet, sodass die Organisation und das Finden von Erinnerungen nicht nur einfacher und zuverlässiger wird, sondern auch besser aussieht.
Die Fotos-App ist komplett überarbeitet worden und hilft, die besten Ereignisse schneller zu finden
Quelle: Apple Inc.
So lassen sich die Ansichten anpassen, während Sammlungen einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen. Es wird spannend sein zu sehen, wie gut die Suche oder die automatisierte Sortierung funktionieren, denn in dieser Hinsicht lag die Fotos-App seit jeher deutlich hinter Google Fotos zurück.
Auch die «Nachrichten», in den USA eine der wichtigsten Apps überhaupt, werden mit iOS 18 weiter ausgebaut. Sie können nun zu einem vordefinierten Zeitpunkt verschickt werden, während animierte Textformatierungen für neue Effekte sorgen. Auch die Unterstützung für RCS, den inoffiziellen Nachfolger der betagten SMS, ist mit an Bord.
iPadOS 18: leider alles wie gehabt
Hingegen wird die Vorstellung von iPadOS nicht nur für eitel Sonnenschein gesorgt haben. Das neue System orientiert sich nach wie vor an iOS 18 und übernimmt in erster Linie seine Neuerungen. Hingegen wurde kaum etwas angekündigt, was das iPad produktiver machen würde. Die oft kritisierten Mängel bei der krakeligen Dateiverwaltung, dem Datenaustausch und anderen Aspekten wurden auf breiter Front ignoriert.
Allerdings zeigte Apple einige Verbesserungen im Zusammenspiel mit dem Pencil, die stellenweise wie Science-Fiction anmuteten. So wird die Handschrift durch «Smart Script» sofort entziffert und bleibt dabei wie regulärer Text editierbar. Mehr noch: Werden Texte durch Apple Intelligence umformuliert oder korrigiert, geschieht das ebenfalls in der Handschrift des Benutzers. Und wenn Teile des handschriftlichen Textes gelöscht werden, wird der Rest automatisch neu umbrochen. Es war schwierig, sich während der Präsentation der Faszination zu entziehen.
Die zweite grosse Neuerung kommt in Form der ersten offiziellen Taschenrechner-App. Auf den ersten Blick kopiert sie lediglich den Taschenrechner von iOS, doch unter der Haube steckt sehr viel mehr: Mit «Math Notes» wird es möglich, mathematische Formeln mit dem Pencil niederzuschreiben.
Die «Math Notes» erweitern den Notizblock um lebendige Formeln
Quelle: Apple Inc.
Die werden vom iPad automatisch erkannt und gelöst. Ein Strich unter einer Auslistung von Zahlen führt dazu, dass sie automatisch addiert werden – inklusive der sofortigen Aktualisierung, wenn sich ein Wert ändert
Auch kompliziertere Zusammenhänge werden erkannt, berechnet und visualisiert
Quelle: Apple Inc.
Doch auch wesentlich komplexere Ausdrücke werden wie von Geisterhand gelöst, bis hin zur Visualisierung durch animierte Kurven. Math Notes wird ausserdem auch in die «Notizen»-App integriert.
Die wichtigsten Eigenschaften von iPadOS 18
Quelle: Apple Inc.
macOS 15: dem iPhone verbunden
Und natürlich bekommt auch der Mac ein neues System spendiert. Zu den besten Neuerungen von macOS 15 Sequoia gehört die Funktion «iPhone Mirroring», die das iPhone zu einer naht- und kabellosen Erweiterung des Macs macht. Auf Knopfdruck wird das komplette iPhone, das vielleicht noch in der Tasche liegt, auf dem Mac gespiegelt und lässt sich fernbedienen, bis hin zur Unterstützung der Tastatur.
Das iPhone selbst bleibt dabei gesperrt und zeigt keine externen Aktivitäten an. Ausserdem werden auch Mitteilungen des iPhones am Mac gezeigt, wo ein Klick sofort die zugehörige App öffnet.
Auch beim Schlüsselbund hat sich einiges getan, zumindest bei der Oberfläche. Er bekommt jetzt für die Verwaltung der Kennwörter eine eigene App, was so manchem Hersteller von dedizierten Lösungen Kopfzerbrechen bereiten wird.
Die Kennwort-Verwaltung funktioniert natürlich auf allen Apple-Geräten, aber auch unter Windows, inklusive Browser-Erweiterungen. Einzig die Android-Anwender bleiben aussen vor. Was sich leider nicht geändert hat, sind die Einschränkungen bei den Datentypen: So ist es nach wie vor nicht möglich, vertrauliche Notizen und Dokumente einzubinden.
Und schliesslich bietet Sequoia einen neuen Fenstermanager, der bei der Auslegeordnung der Inhalte helfen soll, sowie ein verbessertes Teilen des Bildschirms in Videochats.
Fazit: Apple in der Bringschuld
Die Keynote enthüllte einige willkommene Neuerungen. Sie können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Apple unter Druck steht. Das Thema iPad ist bereits abgehakt: Das Tablet wird keine neuen Funktionen erhalten, die es näher an ein klassisches Notebook heranrücken lässt – und es deutet nichts darauf hin, dass sich das jemals ändern wird.
Der Elefant im Raum heisst jedoch «Apple Intelligence», das sich erst noch beweisen muss. Einerseits ist da die Hoffnung, dass K.I. tatsächlich auf mannigfaltige Weise auf den Apple-Geräten Einzug hält. Andererseits sind wir alle gebrannte Kinder, Siri sei Dank, sodass ein wenig Skepsis nicht schaden kann. Vor allem aber werden wir in der Schweiz frühestens nächstes Jahr in den Genuss dieser Technologie kommen – und bis dahin kann noch viel passieren.