Bausteine zur Digitalisierung

Standardisiertes Spiel

Laut dem Facilitator – Trainer im Lego-Jargon – macht es bei «Lego Serious Play» überhaupt keinen Unterschied, ob eine komplette Firmenstrategie, eine Software-Architektur oder «nur» ein Team entwickelt werden soll. Denn für jede Fragestellung wird dasselbe Vorgehen angewandt. Es besteht aus den sechs Schritten «Skillsbuilding», «Identity», «Landscaping», «Scenario», «Emergences» und «Simple Guiding Principles».
1. Skillsbuilding: Im ersten Schritt werden die Teilnehmer mit den unterschiedlichen Lego-Bausteinen vertraut gemacht. Dazu sieht «Lego Serious Play» unterschiedliche Aufgabestellungen mit einer klar definierten Zeitspanne vor. Hier lernen die Teilnehmer auch schon, dass sie immer unter einem gewissen Zeitdruck arbeiten müssen.
Zum Beispiel: Baue mit einer vorgegebenen Anzahl Lego-Steinen einen möglichst hohen Turm – innerhalb von zwei Minuten. Nach einer Minute wird eine zusätzliche Anforderung gegeben: Der Turm muss erdbebensicher sein. Oder: Baue eine Brücke. Nach einer Minute folgt die Anweisung, dass eine Hand unter der Brücke durchpassen muss.
Die verschiedenen Lego-Männchen mit unterschied­lichen Gegenständen symbolisieren Rollen im Team
Quelle: ipt
2. Identity: Wenn die Teilnehmer den Inhalt und die Funktionen der Bausteine kennengelernt haben, geht es nach Aussage Rüttimanns umgehend zum Kern der Frage­stellung. Dafür wird zuerst ein Zielszenario definiert.
Dies geschieht an einem Whiteboard – ganz ohne Lego. Im Beispiel: Die Versicherung XYZ generiert in zwei Jahren 60 Prozent des Umsatzes mit digitalisierten Produkten über Online-Kanäle.
Anschliessend geht es um das Entwickeln von Ideen, die das Unternehmen selbst umsetzen kann. Nun kommt Lego ins Spiel: In drei bis fünf Sessions à jeweils 5 Minuten baut jeder Teilnehmer individuell ein Ideenmodell, das auf das Zielszenario einzahlt. Nach jeder Session erklären alle Lego-Baumeister ihre Modelle im Plenum. Zum Beispiel: Modell eines Chatbots, der die Kunden 7×24 beraten kann. Oder: Ein Computer analysiert alle Anrufe an die Aus­senstellen via Machine Learning und erstellt ein automatisches Protokoll.
Bei der Ideenentwicklung steht den Teilnehmern aus­serdem frei, ihre eigenen Modelle ruhen zu lassen und an den Ideen der anderen weiterzuarbeiten, wenn sie darin weitere Anknüpfungspunkte oder mehr Potenzial sehen.
Den Abschluss der Sessions bildet eine gemeinsame «Identity». Dafür werden die individuellen Ideenmodelle auf einer grossen Grundplatte zusammengefasst. Nun entscheidet das Team, welche der Ideen relevant sind und welche nicht. Für diesen Schritt sind ein bis zwei Iterationen vorgesehen, die jeweils nur 10 bis 20
Minuten dauern dürfen.
3. Landscaping: Nun stehen die Ideen­modelle im Raum. Es folgt das Modellieren der äusseren Einflüsse auf die definierten Zielszenarien. Denn: Kein Unternehmen ist isoliert auf dem Markt. Es ist abhängig von Lieferanten, Partnern und auch immer in ein Ökosystem eingebunden. Im Schritt «Landscaping» gilt es, möglichst alle Akteure ausserhalb der Firma zu identifizieren sowie zu charakterisieren. Die Teilnehmer haben wiederum drei bis fünf Iterationen à jeweils 5 Minuten Zeit, um die äusseren Einflussfaktoren darzustellen. Ein Modell kann die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht darstellen, die zusätzliche  Auflagen zum Datenschutz macht. Oder ein amerikanischer Technologiegigant plant eine Niederlassung sowie ein Angebot in der Schweiz. Ein drittes Beispiel: Hacker wollen das Kernsystem kapern und planen eine Erpressung. Der Ablauf ist analog zum vorhergehenden Schritt: Die Lego-Modelle werden auf jeweils einer Grundplatte aufgebaut und nach jeder Iteration im Plenum erklärt und diskutiert. 
Im Schritt «Landscape» werden die Rahmenbedingungen einer Organisation modelliert
Quelle: ipt
Den Abschluss des «Landscaping» bildet das Anordnen der einzelnen Ideen rund um das gemeinsame «Identity»-Modell. Mit dem Abstand zum Kern wird die Gefahr respektive das Ausmass des Change bewertet. Je näher die Modelle der «Identity» sind, desto gravierender sind sie. In ein bis zwei Iterationen à 10 bis 20 Minuten entscheidet das Plenum, welche der Ideen relevant sind und welche nicht. Auch der korrekte Abstand von der «Identity» wird im Team diskutiert und festgelegt.
4. Scenario: Da nun neue Geschäftsmodelle und das Umfeld bekannt sind, können die Modelle quasi in der Realität getestet werden. Dafür ermitteln die Teilnehmer via Brainstorming verschiedene Szenarien. Eins könnte sein: Google spannt mit einem lokalen Anbieter zusammen und bietet neu ebenfalls Versicherungen an. Oder: Hacker entwenden Kundendaten und wollen das Unternehmen erpressen. Von diesen Szenarien werden eins bis fünf selektiert.
5. Emergences: Pro Szenario werden die Auswirkungen auf die «Identity» sowie die «Landscape» durchgespielt. Dabei wird das Modell umgebaut und die Auswirkungen kommentiert. Im Fall der Versicherung bewegt ein Teammitglied die Figur des Hackers aus der «Landscape» in den Kern der «Identity». Die Idee eines anderen Teammitglieds war, sämtliche Daten in einem Data Lake zu vernetzen. So wurden das Risiko des Datenklaus und eines damit verbundenen Reputationsschadens aufgezeigt.

6. Simple Guiding Principles
: Der sechste und letzte Schritt kommt einer verkürzten Zusammenfassung gleich: Das Ziel ist die Definition einfacher Prinzipien, die einerseits die gefundene Strategie optimal unterstützen, und andererseits Gefahren abmildern. Dafür greifen die Teilnehmer nochmals in die Lego-Kisten und bauen in rund 20 Minuten jeweils ein individuelles Modell, das die Prinzipien repräsentiert. Ihre Modelle präsentieren sie anschliessend im Plenum. Optimalerweise lassen sich dann gemeinsame Prinzipien erstellen: Im Fall der Versicherung kann das bedeuten, dass die Sicherheit initial im Projekt berücksichtigt werden muss. Oder dass das Unternehmen lediglich Services rund um die Datenanalyse anbietet, aber die
Daten aus Sicherheitsgründen nicht selbst speichert.



Das könnte Sie auch interessieren