Vollwertige Alternative 21.02.2008, 08:31 Uhr

Lotus Notes 8 unter Linux

Mit der Eclipse-Plattform als Basis für Lotus Notes hat IBM die Voraussetzungen für eine Portierung auf verschiedene Systeme geschaffen. Die Linux-Variante erbringt nun den Tatbeweis - auch für Windows-Anwender.
Für Anwender -ergeben sich punkto Erscheinungsbild und Funktionalität bei der Linux-Version von Notes 8 keine Unterschiede zur Windows-Variante.
Bei seiner Messaging- und Groupware-Plattform Lotus Notes/Domino setzt IBM konsequent auf die Strategie, unterschiedliche Systemplattformen zu unterstützen. Mit der Version 8 liegt der Client Lotus Notes nun auch für Linux vor.
Diesem Test vorauszuschicken ist, dass der Autor als Windows-Nutzer aufgrund seiner Erfahrungen mit einer gewissen Skepsis an Portierungen von Client-Lösungen auf Linux herangeht. Denn bei vielen der bisher getesteten Produkte war die Installation sehr komplex und oftmals präsentierte sich auch der Funktionsumfang klar schwächer als derjenige der vergleichbaren Windows-Version. Aber, soviel schon vorab: IBM hat eine exzellente Portierung realisiert, die keine Wünsche offen lässt.

Eclipse als Plattform

Die Basis für sämtliche Notes-8-Varianten bildet die in Java entwickelte, Betriebssystem-unabhängige Eclipse-Plattform. Sie hat den bisherigen proprietären Unterbau abgelöst. Bereits der auf der Code-Basis der Version 7.5 verfügbare erste Notes-Client für -Linux, der allerdings nur an ausgewählte Kunden abgegeben wurde, hat Eclipse genutzt. Dank dieser Grundlage arbeitet Notes praktisch funktionsgleich unter Windows und unter Linux. Eine Version für den Mac OS X ist mit dem Release 8.5 angekündigt, der in der zweiten Jahreshälfte erscheinen soll.
Die Verwendung von Eclipse bietet zudem den Vorteil, dass Notes-Anwendungen einfacher realisiert werden können. Sie lassen sich nun sowohl als reine Notes-Applikationen, als reine Eclipse-Anwendungen sowie als Mischform erstellen. Ein weiterer wichtiger Nutzen der verwendeten Architektur ist, dass die Modelle von Eclipse für die Verteilung und das Management von Komponenten im Netzwerk ebenfalls unterstützt werden. Das macht eine Distribution von Lotus Notes einfacher, weil man dazu beispielsweise die WebSphere-Infrastruktur mit dem entsprechenden Portal-Server verwenden kann.
Die erste positive Überraschung bei der Linux-Variante ergibt sich bereits bei der Installation. Während die Version 7.5 noch einige manuelle Eingriffe erforderte - beispielsweise für das Deployment der eigentlichen Notes-Funktionalität auf Eclipse - und die Linux-Unterstützung sehr eingeschränkt war, lässt sich Version 8 ohne jede Probleme auf einem Novell SuSE Linux Enterprise Desktop 10 zum Laufen bringen. Es müssen auch keine zusätzlichen Linux-Pakete nachinstalliert werden.
Die Notes-Einrichtung beginnt mit dem Aufruf des entsprechenden Shell-Skripts. Dieses lädt den von Windows her bekannten grafischen Installer. Der gesamte weitere Installationsprozess verläuft automatisch, von den obligatorischen Dialogfeldern für die Zustimmung zum Lizenzabkommen und der Auswahl von Funktionen einmal abgesehen. Auch beim ersten Start zeigt sich das von Windows her gewohnte Bild. Hier können nun über einen Assistenten die zu verwendenden Server und andere Funktionen konfiguriert werden.

Das Linux-Notes im Einsatz

Das beeindruckende an der neuen Version von Lotus Notes unter Linux ist, dass man als Windows-Anwender mit einem vollkommen vertrauten System arbeitet. Es gibt keine für den Benutzer erkennbaren Unterschiede, wenn man von minimalen Differenzen im Verhalten von Eclipse beispielsweise bei der Anzeige von Fenstern und vernachlässigbaren Darstellungsunterschieden auf den unterschiedlichen Plattformen absieht. Im Grundsatz kann man aber als mit Lotus Notes unter Windows vertrauter Benutzer sofort loslegen.
Über die Basisfunktionalität von Lotus Notes hinaus werden die Aktivitäten, die Sametime-Integration und die IBM-Produktivitätswerkzeuge unterstützt. Letztere sind auf OpenOffice basierende Anwendungen für die Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationserstellung, die in die Eclipse-Plattform und in Lotus Notes 8 eingebunden sind. Die Aktivitäten stellen einen Mechanismus für den Austausch von Informationen dar, die allerdings auch einen speziellen Server benötigen. Die Sametime-Integration unterstützt auch unter Linux die Realtime-Kollaboration und Präsenzerkennung in Umgebungen, die auf diese Kommunikationsplattform aufbauen.
Allerdings zeigt sich auch eine schmerzliche Lücke: Bisher sind der Lotus Domino Server - schon vor längerer Zeit - und eben der Client Lotus Notes 8 auf Linux portiert worden. Die beiden Anwendungen Lotus Domino Administrator und Lotus Domino Designer fehlen dagegen noch. Sie sind weiterhin nur unter Windows verfügbar. Der Domino Administrator wird benötigt, um die Domino-Infrastruktur zu verwalten. Es gibt zwar hierfür eine Webschnittstelle, doch bietet diese nur eingeschränkten Funktions-umfang. Der Domino Designer wiederum wird für die Entwicklung von Domino-Anwendungen benötigt und ist faktisch ebenfalls ein unverzichtbares Werkzeug. Mit anderen Worten: Man kann zwar wesentliche Teile einer Notes-/Domino-Infrastruktur nun sinnvoll unter Linux betreiben, vor allem, wenn es um die reine Nutzung geht. Für die Konfiguration und die Anpassung von Anwendungen sind die User aber nach wie vor auf Windows angewiesen.
Zu beachten ist auch, dass Notes 8 nicht alle Linux-Versionen unterstützt, sondern sich auf die aktuellen Releases von Red Hat und Novell SuSE beschränkt. Unterstützung für Ubuntu ist mit Ausgabe 8.5 geplant. Mit dem gegenwärtigen Support ist IBM aber im adressierten Zielmarkt der Unternehmenskunden bereits gut aufgestellt.

Zwei gleichwertige Varianten

Insgesamt stellt Lotus Notes 8 für Linux die bisher positivste Erfahrung des Autors mit Anwendungen dar, die von Windows auf Linux portiert wurden. Hier hat eine Herstellerin wirklich einmal eine konsequente und vollständige Umsetzung vorgenommen und auch eine Installation realisiert, die ohne unnötige manuelle Anpassungen auskommt - was leider viel zu oft noch nicht der Fall ist. Davon profitieren die Anwender: Sie haben die freie Wahl zwischen zwei gleichwertigen Betriebssystemen für ihre Notes-Clients und müssen sich dabei keine Gedanken über funktionale Einschränkungen machen - zumindest, solange es nur um die Endanwender und nicht um Entwickler und Administratoren geht.
Martin Kuppinger