31.07.2012, 10:45 Uhr
«NFC-Smartphones sind viel mehr als ein Portemonnaie»
NFC ist momentan in aller Munde, weil man damit mit dem Handy bezahlen kann. Die Technologie bietet allerdings noch diverse andere Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise in den Bereichen der Zutrittskontrolle und Zeiterfassung, wie NFC-Experte Reinhard Kalla im Computerworld.ch-Interview sagt.
NFC kann der nächste grosse Technologie-Schritt werden, der sich global durchsetzt. In den USA bereits grossflächig eingesetzt, hat sich die «Near Field Communication» bei uns nur an wenigen Orten wie McDonald- oder Kiosk-Filialen durchgesetzt. Das soll sich ab dem kommendem Jahr ändern, wenn Migros und Coop die kontaktlose Bargeldzahlung einfhren wollen und sich darum nun Telekommunikationsanbieter und Handyhersteller streiten dürfen, wer die Technik für sich beanspruchen darf. Dass NFC aber noch weit mehr Potenzial birgt, sagt Dr. Reinhard Kalla, Vice President Product Marketing & New Business von Legic Identsystems, einem Schweizer Unternehmen für kontaktlose Personenidentifikation, in einem schriftlich geführten Interview.
Computerworld.ch: Herr Kalla, wird man schon bald mit dem Smartphone bargeldlos bezahlen können?
Reinhard Kalla: Ja. Aus rein technischer Sicht wäre die Verwendung von NFC schon lange möglich, immerhin ist die Technologie schon vor fast zehn Jahren entwickelt worden. Bisher war lediglich die Infrastruktur nicht vorhanden, denn es sind nicht genügend Leser im Gebrauch, um diese Art des Bezahlens zu etablieren. Und ohne Anwendungs-Infrastruktur haben die Smartphone-Hersteller natürlich keinen Grund, NFC in ihre Geräte einzubauen. Ein klassisches Henne-Ei Problem. Das hat sich mit den neuen Smartphones natürlich geändert, auch weil grosse Detailhändler wie Migros oder Coop NFC-Leser installieren.
Das heisst jetzt steht dem Smartphone als Portemonnaie nichts mehr im Weg?
Die letzten Herausforderungen sind eher politischer Natur. Die Handyhersteller möchten die Applikation auf einem fest eingebauten Chip des Smartphones, während die Mobilfunkbetreiber diese gerne auf der SIM-Karte hätten. Für uns als Zulieferer ist diese Frage aber einerlei, da unsere virtuelle Legic-Karte in beiden Fällen funktioniert.
Wird das Handy die Kreditkarte ersetzen?
Das glaube ich nicht. Ebensowenig, wie die Kreditkarte das Bargeld ersetzt hat, wird das NFC-Handy die Kreditkarte ersetzen. Meiner Meinung nach schafft die NFC-Technologie eine Ergänzung zu herkömmlichen Bezahlkonzepten, die unser Leben einfacher und sicherer macht. Beispielsweise glaube ich, dass viele Smartphone- Besitzer morgens eher ihr Portemonnaie zu Hause vergessen, als ihr Handy.
Gibt es noch andere Verwendungszwecke für die NFC-Technologie?
NFC-Smartphones sind noch viel mehr als ein Portemonnaie. Sie können beispielsweise auch für die Zutrittskontrolle und die Zeiterfassung verwendet werden. Technisch gesehen könnten Sie sich bereits heute mit einem Smartphone ausweisen und alle Ihre Schlüssel verwalten. Sie kommen dann mit dem Smartphone an ihren Arbeitsplatz, in den Fitnessclub, können in einer Bibliothek Bücher ausleihen, erfassen die Zeit bei der Arbeit und sammeln Cumulus- oder SuperCard-Punkte. Der klassische Badge zum Öffnen von Türen, für die Zeiterfassung im Büro oder für die Bezahlung in der Kantine würde somit überflüssig ? Sie können alles mit Ihrem Smartphone regeln.
Ist diese Technologie denn sicher?
Ja, sie ist in der praktischen Anwendung sogar sicherer als ein Schlüssel oder Badge. Verliert man das Smartphone, so können die Zutrittsberechtigungen über das Mobilfunknetz deaktiviert werden und der Finder kann nichts damit anfangen. Wird dagegen ein konventioneller Schlüssel verloren, müssen Sie für teures Geld die Schlösser austauschen. Ausserdem sendet ein Smartphone die Informationen nur dann, wenn die NFC-App gestartet ist, ganz im Gegensatz zu einem Badge, der immer dann sendet, wenn ein geeignetes Lesegerät in der Nähe ist. Somit kann niemand die Daten - vom Besitzer unbemerkt - aus dem Smartphone auslesen.