EU-Softwarepatente 25.11.2004, 00:00 Uhr

Zweideutig und gefährlich

Die vorgeschlagenen EU-Richtlinien zur Patentierbarkeit Computer-implementierter Erfindungen, besser bekannt als Softwarepatent-Richtlinien, haben sich zu einem hochbrisanten Politikum entwickelt. Eigentlich wollte der EU-Rat bis Freitag den Vorschlag formell absegnen. In der vergangenen Woche hatte jedoch die polnische Regierung dem Gesetzesentwurf überraschend eine klare Absage erteilt, woraufhin die Ratspräsidentschaft das Traktandum von der Tagesordnung genommen hat.
Bereits im Mai hatte man sich nach langem Tauziehen im Rat auf die Annahme des Regelwerks geeinigt. Mit dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten herrschen seit dem 1. November allerdings neue Stimmgewichte. Mit der Absage Polens würde nun offenbar das qualifizierte Stimmenmehr, das für die Verabschiedung des Ratsvorschlags als gemeinsamen Standpunkt nötig wäre, nicht mehr zustande kommen.Die Polen begründeten ihre Entscheidung, den Entwurf nicht zu unterstützen, damit, dass dieser zweideutig und ausserdem alles andere als zeitgemäss sei. Das angestrebte Ziel, nämlich die Patentierung von Software auf ein sinnvolles Mass zu begrenzen, werde damit schlichtweg nicht erreicht, so das offizielle Statement.
Die Zeitspanne bis zu einer endgültigen Entscheidung nutzen nun drei der bekanntesten Open-SourceÖProtagonisten, um noch einmal richtig Stimmung gegen den Vorschlag zu machen. Linux-Vater Linus Torvalds, My-SQL-Schöpfer Michael Widenius und PHP-Entwickler Rasmus Lerdorf fordern in einem offenen Brief die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, sich dem Entwurf entgegenzustellen. Bei der Argumentation sind die drei nicht eben zimperlich: Der Vorschlag sei trügerisch, gefährlich und ausserdem demokratiefeindlich. So würde er etwa zur falschen Annahme verleiten, dass Software künftig von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werde. De facto sei der Entwurf aber nichts anderes, als eine Zusammenstellungvon Ausreden, mit denen das europäische Patentamt bislangÖin klarem Widerspruch zum europäischen PatentübereinkommenÖPatente gewährt hat. Die politische Entscheidung sollte aber auf wirtschaftlicher Logik und ethischen Überlegungen basierenÖund nicht darauf, was die Praxis der letzten Jahre gewesen sein mag, so das Triumvirat.
Torvalds, Widenius und Lerdorf glauben ausserdem, dass vor allem den neuen EU-Staaten wirtschaftliche Nachteile erwachsen könnten. Ein Softwarepatent-Regime würde das Recht des Stärkeren etablieren und letztlich mehr Unrecht als Recht schaffen. Die Durchschnittskosten für ein europäisches Patent, die sich auf 30000 Euro belaufen, könnten viele Entwickler und Unternehmen einer fairen Chance berauben.



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